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20.11.2012 | Unternehmensstrategie | Interview | Online-Artikel

"Guanxi ist in China sehr wichtig"

verfasst von: Andreas Nölting

5:30 Min. Lesedauer

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China ist wegen der günstigen Kostenstrukturen auch als Beschaffungsmarkt sehr interessant. Doch die Lieferanten sagen schnell etwas zu, danach kommt häufig das böse Erwachen. Daher sind "Guanxi" - also Beziehungen- zum Management der chinesischen Firmen sehr wichtig, meint der China-Experte und Autor Peter Faust.

Springer für Professionals: Was macht China-Sourcing für Westkonzerne so attraktiv?

Peter Faust: Chinesische Lieferanten haben gute Kostenstrukturen und entwickeln sich in der Qualität ihrer Produkte immer weiter. Natürlich sollte hier zwischen Lieferanten für den chinesischen und den westlichen Markt differenziert werden. Steht der chinesische Markt im Fokus, ist China-Sourcing auch deswegen interessant, weil man kurze Reaktions- und Lieferzeiten hat und daher schnell am Markt präsent ist.

Wie findet man den besten Lieferanten?

Zunächst benötigt der Einkäufer eine stringente Beschaffungsstrategie. Er sollte sich genau überlegen, für welche Materialgruppen Lieferanten gesucht werden. Es gibt sicherlich Produkte, bei denen es keinen Sinn macht, nach chinesischen Lieferanten Ausschau zu halten. Die technologische Lücke ist zu groß ist und die Produktions-Kompetenz nicht weit entwickelt. Hat man eine klare Strategie für die Materialgruppen, sollte eine Beschaffungsmarkt-Analyse durchgeführt werden. Da spielen auch regionale Aspekte eine Rolle. Und natürlich sind auch Qualitäts-Aspekte zu berücksichtigen. Das beginnt schon mit präzisen und anschaulichen Produkt-Spezifikationen. Man muss sicherstellen, dass der Lieferant versteht, auf was er sich einlässt. Chinesische Lieferanten sagen schnell etwas zu, später kommt dann manchmal das böse Erwachen. Bevor ein Lieferant auf die short-list kommt, sollte eine Vor-Ort-Besichtigung der Produktion durchgeführt worden sein. Wichtig ist auch zu prüfen, ob die Kapazitäten des Lieferanten ausreichen. Kapazitäten sind im Wachstumsmarkt China immer ein Thema. Grundsätzlich gilt: sich nie auf Lieferantenselbstauskünfte verlassen. You get what you inspect, not what you expect!

Worin bestehen die Kostenvorteile chinesischer Unternehmen?

Peter Faust: China-Sourcing macht immer noch dann Sinn, wenn der manuelle Produktionsanteil hoch ist. Die Fertigungskosten in China sind eben sehr gering. Allerdings steigen die Arbeitskosten seit 2010 pro Jahr um 15 bis 20 Prozent. Dadurch werden sich die Lohnkostenvorteile in China mehr und mehr abschwächen. Liegt die Priorität ausschließlich auf Kosten, wird man sich auf rein chinesische Lieferanten konzentrieren. Die Potenziale sind besonders groß bei den so genannten First-Contact-Lieferanten - also bei Lieferanten, die noch keine Erfahrungen mit ausländischen Kunden gesammelt haben. Allerdings ist dort Basisarbeit zu leisten, der Aufwand für die Befähigung ist nicht zu unterschätzen.

Bald ist China also kein Billighersteller mehr?

Zumindest mittelfristig ist davon auszugehen. An der chinesischen Ostküste kann man schon heute nicht mehr vom Billiglohnland sprechen. Die Lieferanten entwickeln sich dort immer mehr zu Anbietern von Hochtechnologie. Neue Fabriken entstehen nach modernsten westlichen Standards. Mit steigenden Lohnkosten sind auch strukturelle Veränderungen in den Regionen verbunden. Besonders sichtbar ist das in Südchina, im Perlflussdelta. Viele Textilunternehmen sind dort bereits nach Vietnam, Kambodscha oder Bangladesch abgewandert. Dafür siedelt sich eine anspruchsvollere Produktion mit höherer Automatisierung an. Lohnkostenvorteile gibt es vor allem noch im Hinterland und im westlichen China. Mit der „Go-West“-Initiative wird die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Regionen gefördert. Man sollte China aber auch nicht nur unter dem Aspekt „Lohnkosten“ betrachten. Es geht vor allem um die strategische Frage, wie man im wichtigsten Wachstumsmarkt der Welt vertreten ist. Das betrifft die Absatzseite, aber auch Produktion und Beschaffung. 

Welche Erfahrungen haben die von Ihnen befragten Westkonzerne in China gemacht?

Es kommen immer die gleichen Themen hoch: Probleme mit der Qualität, Gefahr von Knowhow-Verlust und die Thematik der Mitarbeiterfluktuation. Qualitätsprobleme sind am Besten in den Griff zu bekommen, wenn der Kunde die Lieferanten entwickelt, sie befähigt, ihnen die Qualitätsmethoden nahe bringt, sie immer wieder schon an der Quelle kontrolliert. Schlimm ist es, wenn ein Produkt in den Container kommt und der Kunde erst beim Auspacken merkt, dass die Qualität nicht passt. Einige Westkonzerne bauen daher Stützpunkte vor Ort auf. Die Lieferungen werden streng kontrolliert und fehlerhafte Teile sofort zurückgewiesen. Um Risiken zu begrenzen, sind Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten zu vermeiden.

Wie kann die Export-Kompetenz von chinesischen Firmen festgestellt werden?

Man sollte zunächst untersuchen, ob die chinesischen Lieferanten überhaupt exportieren wollen. Das betrifft vor allem die Branchen, die noch wenig Erfahrung mit Export haben. Der chinesische Binnenmarkt wächst und bietet große Möglichkeiten, die Ware vor Ort zu verkaufen. Da ist es für einige Lieferanten einfacher, sich im heimischen Umfeld zu betätigen, als zu exportieren und die schwierigen internationalen Anforderungen zu erfüllen. Dazu kommen sprachliche und kulturelle Barrieren. Andererseits sollte man prüfen, ob potentielle Lieferanten überhaupt die Fähigkeit haben, die Prozesse sicher zu stellen, die von westlichen Konzernen eingefordert werden. Es geht dabei besonders um Qualität, Verlässlichkeit und Termintreue.

Wie wichtig sind dabei Beziehungen, Guanxi?

Guanxi ist in China sehr wichtig. Schon im eigenen Unternehmen sollten Beziehungen zu Mitarbeitern aufgebaut werden, um etwa die Fluktuation zu verringern. Guanxi ist auch an der Lieferanten-Schnittstelle hilfreich. Es wäre falsch, sich nur auf Verträge zu verlassen. Der Rechtsweg ist nicht nur beschwerlich, sondern oftmals aussichtslos. Lieferprobleme lassen sich mit guten persönlichen Beziehungen leichter lösen, als wenn man rein formal vorgeht. Gerade im volatilen chinesischen Markt mit Kurzfrist-Bestellungen und spontanen Wachstumssprüngen ist man auf die Flexibilität seiner Lieferanten angewiesen. Guanxi ist immer personenbezogen. Nicht nur auf Arbeitsebene findet Guanxi statt. Gerade eine gute Beziehung zum Management des Lieferanten ist in China sehr wichtig.

Werden die chinesischen Konzerne bald so mächtig, dass sie den Weltmarkt beherrschen?

Die Entwicklung ist rasant. China ist Tempo. In der Elektronik- und Computerindustrie etwa hätte vor zehn Jahren niemand gedacht, dass diese Firmen den Weltmarkt einmal derart dominieren werden. In anderen Branchen geht es jetzt los. Der Solarmarkt wird zum Beispiel von chinesischen Unternehmen immer mehr beherrscht. In der Automobil-Industrie tut man sich noch etwas schwerer. Aber auch dort beginnt die Internationalisierung. Chinesische Hersteller wie Geely, Chery oder BYD werden in die globalen Märkte expandieren und dort Montagewerke aufbauen. Auf absehbare Zeit wird das noch nicht das Premium-Segment betreffen. Sie versuchen, in Schwellenländern wie Russland, Indonesien oder Teilen von Afrika anzugreifen. Anfangs wird es noch Akzeptanzprobleme mit der Qualität geben. Aber Chinesen lernen sehr schnell.

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