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23.09.2020 | Verbindungstechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Kleben zur Kreislaufwirtschaft beitragen kann

verfasst von: Thomas Siebel

3:30 Min. Lesedauer

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Kleben ermöglicht Leichtbau und ressourcenschonende Produkte. Hinsichtlich deren Entsorgung bestehen jedoch Fragen. Eine Studie des Fraunhofer IFAM klärt nun auf.

Ihren Beitrag zur Ressourcenschonung stellt die Klebtechnik in zahlreichen industriellen Anwendungen unter Beweis: Durch das Fügen artverschiedener Werkstoffe werden Autos leichter und verbrauchen weniger Kraftstoff, Rotorblatt-Halbschalen von Windenergieanlagen lassen sich nur sinnvoll mit Klebstoff verbinden und auch in E-Motoren oder Batterien für Elektroautos sind Klebverbindungen zentral. Die Aufzählung ließe sich erweitern um Beispiel aus dem Flugzeug- oder dem Schienenfahrzeugbau.

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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling

Das Kap. 2 beginnt mit dem Thema Kreislaufwirtschaft und Recycling (Abschn. 2.1). Ein Teilaspekt der ökologischen Nachhaltigkeit ist die Kreislaufschließung von Stoffen und Produkten. Die Kreislauffähigkeit von Werkstoffen lässt sich dabei nicht abstrakt definieren, sondern muss die jeweiligen Rahmenbedingunge mit einbeziehen. 

Insbesondere im Bereich lasttragender Strukturen in Multimaterialbauweise hat sich die Klebtechnik neben konventionellen Fügemethoden wie Schweißen, Schrauben oder Nieten nicht nur etabliert, sie ist ihnen in vielen Punkten sogar überlegen. Bei vernachlässigbarem Eigengewicht erlauben Klebverbindungen flächige Kraftübertragungen und versteifen so die Struktur, sie isolieren die Fügepartner und dämpfen Schwingungen, wie im Kapitel Werkstoff- und Halbzeugtechnologien für Leichtbau-Anwendungen im Buch Leichtbau in der Fahrzeugtechnik ausgeführt ist.

EU fordert Kreislaufwirtschaft

Dennoch führen die Fortschritte in der Fügetechnik mit dem einhergehenden komplexeren Materialmix zu Schwierigkeiten in der Entsorgung, wie Remondis-Geschäftsführer Ansgar Fendel im Interview mit der lightweight.design erläutert. So komme man heute beispielsweise beim Auftrennen von stoffschlüssigen Metall-Kunststoff-Verbunden an wirtschaftliche Grenzen, was einen effizienten Werkstoffkreislauf erschwert.

Hilfe kommt unter anderem von der EU, die mit dem Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft zunehmend auch Konzepte für die Entsorgung von Produkten erwartet. Welche Rolle die Klebtechnik für die Kreislaufwirtschaft spielen kann, hat nun das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in einer ausführlichen Studie mit dem Titel Kreislaufwirtschaft und Klebtechnik dokumentiert.

Alle Klebverbindungen sind trennbar

Unter anderem gehen die Autorinnen und Autoren in der 300 Seiten langen Studie ausführlich auf das Lösen und die Kreislauffähigkeit von Klebverbindungen ein. Dabei unterstreichen sie, dass grundsätzlich alle Klebverbindungen trennbar sind. Zumeist genüge Wärme und mechanische Last, da jeder Klebstoff ab einer gewissen Temperatur an Festigkeit verliere. Manche Klebstoffe ließen sich darüber hinaus auch mittels Wasser, Lösemitteln, Licht, elektrischer Spannungen oder Hochfrequenzfeldern lösen. Die Studie zitiert auch die Idee, Klebstoffe mit Substanzen zu versetzen, die beim Erwärmen große Mengen an Gas freisetzen und die Verbindungen gewissermaßen aufsprengen. Bei allen genannten Verfahren sei jedoch essenziell, dass die Triggerbedingungen für das Lösen des Klebstoffs nicht bereits während der Produktnutzung auftreten können.

Demontagelinien für gleichartige Produkte

Bei der Vielzahl möglicher Trennverfahren konstatieren die Autoren allerdings, dass das gezielte Debonding für Reparatur, Rückbau oder Recycling bislang kaum industriell praktiziert werde. Dafür führen sie ökonomische und zum Teil auch ökologische Gründe an, wie im Fall des Einsatzes toxischer Substanzen. Anstelle des in der Entsorgung üblichen Schredderns verschiedenster Altprodukte schlagen sie spezielle Demontagelinien für gleichartige, in hoher Stückzahl produzierte Produkte vor, die die Bestandteile automatisiert und sortenrein zerlegen. Die Kosten dafür liegen nach Einschätzung der Autoren jedoch in einer vergleichbaren Größenordnung wie die Montage bei der Produktentstehung.

Die Demontage sollte im Sinne einer „kontrollierten Langlebigkeit“ bereits während der Produktentwicklung berücksichtigt werden. Beispielsweise könne man Bauteile so konstruieren, dass Klebverbindungen während der Entsorgung für das Einbringen von Schälkräften zugänglich sind. Um das Recycling zu erleichtern,  sollten – zumindest für höherwertige Produkte – Produktentwickler dokumentieren, welcher Klebstoff eingesetzt werde und wie mit ihm bei der Entsorgung umzugehen sei. Diese Informationen sollten dem Entsorgungsunternehmen dann mittels digitalem Zwilling oder RFID-Tag zugänglich sein.

Klebrohstoffe lassen sich aus Reststoffen herstellen

Als unkritisch betrachten die Autoren anhaftende Klebstoffreste auf getrennten Materialien. Bei Metallen oder Glas verdampften diese im weiteren Recyclingprozess, bei Kunststoffen sei die Menge an Klebstoff im Vergleich zu anderen Verunreinigungen wie Lacken unerheblich.

Bei der Verwendung nachwachsender Rohstoffe für Klebstoffe sehen die Autoren weiteren Forschungsbedarf. Synthetische Klebstoffe seien ihren naturbasierten Pendants in den meisten Fällen technisch überlegen und ermöglichten ihrerseits dadurch wiederum das Fügen und die Nutzung ressourcenschonender Werkstoffe. Anstelle von nachwachsenden Rohstoffen böten sich zudem auch Fraktionen aus dem Recycling von Massenpolymeren wie PET, PA oder PUR an, die sich nicht mehr direkt in die ursprünglichen Polymere umsetzen lassen. Auch Kohlendioxid ließe sich für die Herstellung von Klebrohstoffen verwenden, wie es etwa mit der Addition von CO2 an Epoxide bereits untersucht werde.

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