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2014 | Buch

Staatssanierung durch Enteignung?

Legitimation und Grenzen staatlichen Zugriffs auf das Vermögen seiner Bürger

herausgegeben von: Otto Depenheuer

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Bibliothek des Eigentums

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Über dieses Buch

​Banken und nachfolgende Euro-Krise haben zahlreiche Staaten an den Rand der Insolvenz gebracht. Auf der Suche nach neuen Steuerquellen ist das Vermögen der Bürger in den Focus der Politik geraten. Der Sammelband erörtert aus juristischer, historischer und ökonomischer Perspektive die verschiedenen Formen und Strategien des steuerlichen Zugriffs auf das Vermögen, ihre verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und ökonomischen Nebenwirkungen, sowie die prinzipielle Eignung von Vermögensabgaben zur Sanierung der öffentlichen Haushalte.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Das Vermögen des Bürgers und die Schulden des Staates – Einführung
Zusammenfassung
Vor fast hundert Jahren fasste kein geringerer als Thomas Mann das politische Lebensgefühl der ersten deutschen Republik in den emphatischen Worten zusammen: „In unsere Hände ist er gelegt, in die jedes einzelnen; er (d. h. der Staat) ist unsere Sache geworden, die wir gut zu machen haben. Der Staat sind wir.“ Des Dichters Wort gilt freilich auch dann, wenn wir die Sache nicht gut gemacht haben, wenn der Staat sich nicht nur, aber auch finanzpolitisch übernommen hat, sich überschuldet hat, wenn die Rechnung für langjährige exzessive Schuldenpolitik ausgestellt wird, wenn eine Währungsunion sich zur Haftungsunion ausweitet, wenn Begriffe wie Schuldenschnitt, Renten- und Lohnkürzungen, Inflation und Finanzrepression die politische Situation in einigen Staaten Europas schon real beschreiben, in anderen schon bedrohlich nah am Horizont auftauchen, wenn gar in Einzelfällen Staatsinsolvenz droht. Auch dann sind wir, die Staatsbürger, der Staat. Gerade dann werden wir gerade zu stehen haben für das, was falsch gelaufen ist, haben wir für die finanziellen Verpflichtungen des Staates gerade zu stehen, werden wir, seine Bürger, die Zeche auf die eine oder andere Weise zahlen müssen.
Otto Depenheuer
Ein historisches Lehrstück von Staatsverschuldung und Finanzpolitik – Das kursächsische Rétablissement von 1763
Zusammenfassung
Staatsverschuldung hat in den letzten Jahren einen fast durchweg negativen Beiklang bekommen. Die Zahl der Beispiele zahlungsunwilliger oder zahlungsunfähiger Staaten, die ihren Verpflichtungen nicht oder zumindest nicht vollständig nachkommen, ist überaus lang, selbst drastische Beispiele für die Übervorteilung der Gläubiger lassen sich leicht finden und werden in der Öffentlichkeit auch entsprechend skandalisiert, zumal die Folgen derartiger „Bankerotte“ nicht nur die unter Umständen vermögenden Gläubiger treffen, die in der Regel mit wenig Mitgefühl rechnen dürfen, sondern auch ganze Gesellschaften, da der Staat seine alltäglichen Funktionen nicht mehr erfüllt und die Wirtschaft schweren Schaden nimmt. Argentinien war ein solcher Fall; die protestierenden Menschen dort zeigten, dass eskalierende Staatsverschuldung weitreichende Folgen hat. Man sollte aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, denn im Kern sind staatliche Schulden weder etwas Dämonisches noch etwas Schlechtes. Im Rahmen einer soliden staatlichen Finanzwirtschaft kann die staatliche Kreditaufnahme eine wichtige Funktion bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben spielen, zumal man auch einen anderen positiven Aspekt nicht vernachlässigen sollte. Ist die staatliche Finanzwirtschaft solide, kann sie die gegenwärtigen Vermögensüberschüsse nicht nur (mündelsicher!) garantieren, sondern ggf. vermehren, sondern zugleich für zukünftige Zwecke nützlich machen. So haben sowohl die anlegenden Menschen oder Institutionen etwas davon wie die Allgemeinheit, die besser mit öffentlichen Gütern versorgt wird. Das Problem ist mithin nicht die Staatsverschuldung, sondern ihr Missbrauch, sei es durch bösen Willen, sei es durch Missmanagement.
Werner Plumpe
Ökonomische Aspekte der Staatsentschuldung
Zusammenfassung
In den letzten vier Jahrzehnten hat die Staatsverschuldung in den meisten Industriestaaten deutlich zugenommen. Über viele Jahre hinweg war diese Entwicklung schleichend, immer wieder traten Phasen konstanter oder sogar sinkender Verschuldungsquoten auf. Diese Phasen waren allerdings meistens zu kurz, um den allgemeinen Trend zu wachsender Verschuldung umzudrehen. Zwischen 1975 und 2008 stieg die Staatsverschuldungsquote der G7 Länder (also der führenden Volkswirtschaften) durchschnittlich von ca. 40 % auf über 90 % des Bruttosozialproduktes an. Im Laufe der weltweiten Wirtschaftskrise, die 2008 ausbrach, hat der Anstieg der Staatsverschuldung sich dramatisch beschleunigt. Das lag zum einen an rezessionsbedingt sinkenden Steuereinnahmen und wachsenden Aufwendungen für Arbeitslosenunterstützung und andere Sozialleistungen, zum anderen an sehr hohen staatlichen Ausgaben für das Auffangen von Banken und für Konjunkturpakete.
Clemens Fuest, Florian Misch
Privates Vermögen als Objekt staatlichen Steuerzugriffs – die steuerliche Leistungsfähigkeit des Vermögens
Zusammenfassung
Auf Deutschland ruhen gegenwärtig beträchtliche Finanzlasten. Die expliziten Staatsschulden betragen über 2.000 Mrd. €. Der Bund zahlt allein für die Schuldzinsen, also ohne zu tilgen, jedes Jahr rund 31 Mrd. € an den Finanzmarkt. Das ist nach den Mitteln für Arbeit und Soziales der zweitgrößte Haushaltsposten. Mit diesem Zinsbetrag könnte der Bundestag die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft, Forschung, kulturelle Angelegenheiten oder für Verkehr und Nachrichtenwesen verdoppeln. Würden die Zinsen mittelfristig um ein Prozent erhöht – angesichts des gegenwärtig niedrigen Zinses scheint dies in Zukunft nicht unwahrscheinlich –, müsste der Bund rund 13 Mrd. € mehr für Zinsen ausgeben. Hier wird eine Abhängigkeit der Politik vom Finanzmarkt deutlich. Die Staatsverschuldung schränkt den parlamentarischen Gestaltungsraum nachhaltig ein.
Gregor Kirchhof
Indirekte Vermögenstransfers vom Bürger auf den Staat und ihre verfassungsrechtliche Beurteilung
Zusammenfassung
Indirekte Vermögenstransfers vom Bürger auf den Staat können sehr unterschiedliche Formen annehmen, stehen aber meist im Zusammenhang mit den Funktionen des Geldes. Geld ist allgemeines Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit. Die Währungsentwicklung war immer auch ein Spiegel der Entwicklung der Staatsverfassung. Dass die Krise des Euro daher auch als Schicksalsfrage der Europäischen Union und ihrer institutionellen Basisstruktur wahrgenommen wird, überrascht kaum. Das Finanzverfassungsrecht macht es zur Aufgabe des Staates (und der Europäischen Union), eine funktionstüchtige Geldordnung als Verfassungsvoraussetzung sowohl öffentlicher Institutionen als auch privater Freiheit zu gewährleisten (vgl. auch Art. 73 Abs. 1 Nr. 4, Art. 104a ff. GG), schon weil eine freiheitliche Ordnung und ihre Eigentumsverfassung auf monetäre Verlässlichkeit sowie Stabilität angewiesen ist. Auch als Element einer freiheitlichen Rechtsordnung bleibt die Rolle des Geldes freilich ambivalent: Geld ist einerseits von kardinaler Bedeutung für die praktischen Freiheitsentfaltungschancen der Bürger, bleibt insoweit aber auch sehr unspezifisch und eher eine übergreifende Infrastruktur, auf der verschiedenste Arten von Freiheitswahrnehmung ablaufen. Geld ist aber andererseits auch ein Machtinstrument des Staates. Es befähigt zur Leistungsbereitstellung, zum Erwerb beliebiger Güter auf dem Markt, zur Steuerung über Anreize, zur Personalwirtschaft. Notenschöpfungsmacht vermittelt Zugriff auf „marktbestimmende Daten, die global- und individualwirksame Steuerungen erlauben“. Der Steuerstaat ist „Geldsteuerstaat“
Klaus Ferdinand Gärditz
Verfassungsfragen einer einmaligen Vermögensabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG
Zusammenfassung
Die Politik hat die Vermögensabgabe entdeckt. Mehr als 60 Jahre hat dieses Finanzierungsinstitut in einem tiefen verfassungsrechtlichen Dornröschenschlaf verbracht. Vor dem Hintergrund eines exorbitanten Verschuldensstands der öffentlichen Haushalte erlebt es nunmehr eine Wiederauferstehung. Tatsächlich hat die Verschuldung der öffentlichen Haushalte nie zuvor gekannte Höhen erklommen und beläuft sich derzeit auf ca. 2 Billionen Euro. Gleichzeitig verfügen die privaten Haushalte über ein Vermögen von geschätzten 6 Billionen Euro. Der Gedanke, dieses Privatvermögen in verstärktem Maße zur Entlastung der öffentlichen Haushalte durch Verminderung der Staatsschuldenquote, Euro-Stabilisierung etc. einzusetzen, muß für die Politik überaus reizvoll erscheinen. Hinzu kommt, daß sich mittels der „einmaligen Vermögensabgabe“ nicht nur neue Finanzmittel für chronisch überschuldete Haushalte generieren ließen. Vielmehr mutiert sie in der politischen Diskussion zur Allzweckfinanzierungsoption für politische Großprojekte jeder Art. Als denkbare Einsatzmöglichkeiten der zusätzlich zu den regelmäßigen Steuereinnahmen generierten Finanzmittel via „einmalige Vermögensabgabe“ werden derzeit verschiedene Projekte genannt: Bewältigung der Staatsschuldenkrise, Finanzierung der Euro-Rettungsmaßnahmen, Finanzierung der Energiewende, Dämpfung und Ausgleich einer diagnostizierten wachsenden Spreizung der Vermögensverhältnisse, eine gerechtigkeitsorientierte Umverteilung, d. h. größere Beteiligung der großen Vermögen an den Lasten des Gemeinwesens u. a. m. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im Juli 2012 eine einmalige Vermögensabgabe auf höhere Privatvermögen vorgeschlagen, die zum Abbau der Staatsschulden in Europa herangezogen werden könne. Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben am 25. September 2012 den Entwurf eines „Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe“ vorgelegt. Damit stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die „einmalige Vermögensabgabe“ verfassungsrechtlich für die Finanzierung der zahlreichen politischen Wunschlisten instrumentalisieren läßt.
Otto Depenheuer
Metadaten
Titel
Staatssanierung durch Enteignung?
herausgegeben von
Otto Depenheuer
Copyright-Jahr
2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-45015-0
Print ISBN
978-3-642-45014-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-45015-0