Der Beitrag thematisiert die Herausforderungen und Lösungsansätze zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor und Verkehrssektor in Deutschland. Es wird kritisch hinterfragt, ob nationale Maßnahmen wie das Verbot von fossilen Heizungen und die CO2-Bepreisung effizient sind. Der Autor argumentiert, dass der Emissionshandel eine kosteneffizientere und flexiblere Methode darstellt, um die Klimaziele zu erreichen. Besonders wird auf die Erfolge des bestehenden EU-Emissionshandels für die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie eingegangen und wie ein zweiter Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Wärme eingeführt werden soll. Der Fachtext vergleicht die Effizienz beider Systeme und kritisiert die deutschen Klimaschutzgesetze, die sektorspezifische Ziele festlegen. Als positives Beispiel wird die behutsame Wärmewende in Dänemark hervorgehoben, die über Jahrzehnte hinweg umgesetzt wurde. Der Autor plädiert für eine kosteneffiziente und internationale Koordination der Klimaschutzmaßnahmen, um die globalen Emissionen effektiv zu reduzieren.
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Zusammenfassung
Noch ehe die Wirkung der zu Beginn der Dekade eingeführten Mannigfaltigkeit an Maßnahmen zur Senkung der Emissionen des Gebäudesektors gut erkennbar war, wurde im Jahr 2023 ein faktisches Verbot des Einbaus von reinen Öl- und Gasheizungen ab dem Jahr 2024 gesetzlich verankert. Dieses Verbot wird von rund vier Fünftel der Bevölkerung abgelehnt und hat zu einer vorhersehbaren Vorziehreaktion geführt: Im Jahr 2023 wurden rund 0,9 Mio. neue Gas- und Ölheizungen installiert, sodass es insgesamt zu einem Rekordzubau von über 1,3 Mio. neuen Heizungen kam. Eine ähnliche Vorziehreaktion gab es vor der Einführung des Erneuerbaren-Wärmegesetzes in Baden-Württemberg im Jahr 2010. Es wäre angesichts der massiven Ablehnung des Verbots durch die Bevölkerung klüger und ökonomisch vorteilhafter gewesen, wenn die Wärmewende stattdessen dem ab dem Jahr 2027 startenden separaten EU-Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr überlassen worden wäre. Mit Hilfe dieses zweiten Emissionshandels können die Emissionen der beiden Sektoren entlang politischer Vorgaben sukzessive und in kosteneffizienter Weise gesenkt werden: Die Emissionen würden dort in Europa vermieden, wo es am kostengünstigsten ist. Die kostengünstigsten CO2-Einsparungen dürften jedoch kaum in der energetischen Sanierung von deutschen Altbauten und in deren Ausstattung mit teuren Wärmepumpen liegen. Maßnahmen, die nicht im Rahmen dieses zweiten Emissionshandels ergriffen werden, sondern auf nationaler Ebene zusätzlich verordnet würden, würden die Treibhausgasvermeidung allenfalls teurer machen, aber im EU-weitem Maßstab nichts zur Verringerung der Emissionen beitragen: Die dadurch frei werdenden Zertifikate werden von den am zweiten Emissionshandel beteiligten Inverkehrbringern fossiler Brenn- und Kraftstoffe erworben, wodurch andernorts in der Europäischen Union die Emissionen höher ausfallen (Wasserbetteffekt). Die Wärmewende in Deutschland über das Knie brechen zu wollen mit dem Argument, dass in der Vergangenheit dafür zu wenig getan worden ist, könnte sich daher mit der Etablierung des zweiten Emissionshandels als ebenso teuer wie nutzlos herausstellen. Die Wärmewende sollte aus diesem Grund nicht überstürzt werden. Vielmehr sollte man sich in Deutschland ein Beispiel an der behutsamen Wärmewende Dänemarks nehmen, die nach den Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre eingeleitet wurde und erst in der vergangenen Dekade in ein Verbot fossiler Heizungen mündete – zu einer Zeit, in der diese nur noch eine geringe Verbreitung hatten.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Einleitung
Der Gebäudesektor, oft auch Wärmesektor genannt, und der Verkehrssektor gelten seit Jahren als die Sorgenkinder der Energiewende in Deutschland. Vor allem im Sektor Verkehr haben sich die Emissionen kaum reduziert: Sie lagen in den vergangenen Jahren nur knapp unterhalb des Niveaus des Jahres 2010 von 150 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten (Abb. 1). Zwei Hauptursachen für diese Stagnation sind die Zunahme der Zahl der Pkws, und damit auch der Fahrleistung aller Pkws, sowie der Anstieg des Güterverkehrs. Diese Faktoren konterkarierten die durch Energieeffizienzverbesserungen der Pkws ermöglichten Emissionsreduktionen.
Abb. 1
Treibhausgasemissionen in Deutschland in sektoraler Abgrenzung in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Quelle: UBA (2024)
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Auch der Gebäudesektor steht immer wieder wegen unzureichender Emissionsminderungen in der Kritik, nicht zuletzt beim Expertenrat für Klimafragen (2024), dem aus fünf Mitgliedern bestehenden Kontrollgremium zur Einhaltung der im Klimaschutzgesetz festgelegten sektor- und jahresspezifischen Emissionsziele. Im Gegensatz zum Verkehrssektor sind die Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors seit dem Jahr 2010 allerdings deutlich gesunken: von 143 auf 102 Mio. Tonnen im Jahr 2023, das heißt um knapp 29 % bzw. jahresdurchschnittlich 2,2 %. Zur Erreichung des im Klimaschutzgesetz festgelegten Sektor-Ziels von 67 Mio. Tonnen im Jahr 2030 wäre indessen eine jahresdurchschnittliche Verringerung von knapp 5 % erforderlich.
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Dennoch könnte das Sektor-Ziel für das Jahr 2030 erreicht werden, wenn die jährlichen Emissionsminderungen der Jahre 2022 und 2023 von rund 8 bzw. 9 Mio. Tonnen fortgesetzt würden: Zur Zielerreichung würde bereits eine jährliche Minderung um durchschnittlich rund 5 Mio. Tonnen genügen. Wenngleich milde Winter und der Energiepreisschock nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine exogene Faktoren sind, die zur Emissionsreduktion erheblich beigetragen haben, erscheint das Emissionsziel für den Gebäudesektor vor dem Hintergrund der Vielzahl an Maßnahmen, die ab Beginn dieser Dekade ergriffen worden sind, nicht unerreichbar.
So wurde im Jahr 2021 die sogenannte CO2-Bepreisung eingeführt. Basierend auf dem Brennstoffemissionshandelsgesetz verteuert die CO2-Bepreisung in zunehmendem Maße den Verbrauch fossiler Brenn- und Kraftstoffe in Deutschland zum Zweck der Treibhausgasminderung. Begonnen mit einem CO2-Preis von 25 € je Tonne im Jahr 2021 erhöht der CO2-Preis von 45 € im Jahr 2024 den Liter Diesel und Heizöl um jeweils rund 14 Cent, wenn die auch auf den CO2-Preis erhobene Mehrwertsteuer miteingerechnet wird (Frondel 2020). Der Preis für Benzin ist um knapp 13 Cent je Liter höher als ohne eine CO2-Bepreisung. Im Jahr 2025 erhöht sich der CO2-Preis laut Gesetz auf 55 €. Für das Jahr 2026 ist zum ersten Mal eine Versteigerung der Zertifikate vorgesehen, wodurch sich der CO2-Preis frei am Markt ergeben würde. Um zu verhindern, dass der CO2-Preis zu stark ansteigt, ist für das Jahr 2026 ein Preiskorridor von 55 bis 65 € gesetzlich festgelegt worden.
Ab dem Jahr 2027 soll es nach Beschlüssen der Europäischen Kommission einen zweiten EU-weiten Emissionshandel geben (ETS II), der für die Emissionen der beiden Sektoren Verkehr und Wärme eine gemeinsame, EU-weit gültige Obergrenze vorgibt. Zusätzlich zur nationalen CO2-Bepreisung wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen des Gebäudesektors festgelegt, angefangen von der steuerlichen Förderung energetischer Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) bis hin zum faktischen Verbot des Einbaus von reinen Öl- und Gasheizungen, sowohl im Neubau als auch als Ersatz für alte Heizungen.
Vor diesem Hintergrund skizziert dieser Beitrag einen kosteneffizienten Weg zur Erreichung der Treibhausgasziele im Gebäudesektor, der vorwiegend auf den neuen EU-Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Wärme setzt und somit auf internationale Emissionsvermeidung, zumindest in den Grenzen der Europäischen Union, anstatt auf kostenintensive nationale Sonderwege wie die massive staatliche Förderung teurer Wärmepumpen mit den Mitteln des Klima- und Transformationsfonds. Mit Hilfe des neuen EU-Emissionshandels werden die Emissionen der beiden Sektoren Verkehr und Wärme gedeckelt und können entlang der bereits beschlossenen politischen Vorgaben sukzessive und in kosteneffizienter Weise gesenkt werden. Gäbe es keine zusätzlichen nationalen Maßnahmen, würden die Emissionen der beiden Sektoren dort in der Europäischen Union vermieden, wo es am kostengünstigsten ist.
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Die kostengünstigsten Einsparungen an Kohlendioxid (CO2) dürften jedoch kaum in der energetischen Sanierung von Altbauten in Deutschland und deren Ausstattung mit Wärmepumpen liegen. Die Reservierung von 16,7 Mrd. € an Fördermitteln des Klima- und Transformationsfonds (KTF 2024) für derartige Zwecke für das Jahr 2024 ist ein deutliches Indiz dafür, dass auf diese Weise nicht die kostengünstigste Alternative zur Verringerung von Treibhausgasemissionen ergriffen wird. Schließlich wird der Einbau von Wärmepumpen durch diesen Fonds mit bis zu 70 % der Installationskosten gefördert – bei einer Obergrenze der förderfähigen Installationskosten von 30.000 € sind dies bis zu 21.000 € pro Wohneinheit.
Statt dieser massiven Subventionierung sollte die Politik versuchen, ihre ehrgeizigen Treibhausgasminderungsziele kosteneffizient und unter ebenso ambitionierten Nebenbedingungen zu erreichen. Dazu gehören nicht zuletzt der Erhalt der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und die soziale Ausgewogenheit der Klimapolitik. Diese Nebenbedingungen finden in der Politik bedauerlicherweise eine viel zu geringe Beachtung, insbesondere bei der Gestaltung der Wärmewende in Deutschland.
Würde die Politik diese Nebenbedingungen ausreichend berücksichtigen, würde sie bei der Wärmewende – allen Versäumnissen aus der Vergangenheit zum Trotz – gerade nicht auf das Tempo drücken, obwohl die Emissionen im Gebäudesektor wegen der hohen Kosten von energetischen Modernisierungen und den dadurch bedingten besonders langen Investitionszyklen nur langsam sinken. Eben deshalb ist es der falsche Weg, den Gebäudesektor mit teuren Maßnahmen wie dem faktischen Verbot von rein fossil betriebenen Heizsystemen, das die individuelle Freiheit von Eigentümerinnen und Eigentümern deutlich einschränkt, zu belasten. Und wegen der Möglichkeit der Weitergabe der Kosten durch die Vermieter sind Mieter davon letztlich ebenso betroffen wie Immobilienbesitzer.
Der folgende Abschnitt erläutert das dem Emissionshandel zugrundeliegende Prinzip und stellt die Emissionsminderungserfolge des seit 2005 existierenden EU-Emissionshandels für die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie dar. Abschn. 3 beschreibt die nationale CO2-Bepreisung und skizziert die geplante Einführung des zweiten EU-Emissionshandels für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Abschn. 4 erläutert, warum das deutsche Klimaschutzgesetz mit seinen sektorspezifischen Treibhausgasminderungszielen der Grundidee des Emissionshandels fundamental entgegensteht und die Ziele des Klimaschutzgesetzes mit Einführung des separaten EU-Emissionshandels für die Sektoren Verkehr und Gebäude obsolet werden. Der 5. Abschnitt beschreibt mögliche Lehren, die man in Bezug auf die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes aus der Einführung des Erneuerbare-Wärmegesetzes in Baden-Württemberg im Jahr 2010 hätte ziehen können. Anschließend wird im 6. Abschnitt am Beispiel Dänemarks erläutert, wie eine gelungene Wärmewende aussehen könnte. Dort wurde bereits nach den Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre mit der Wärmewende begonnen und seither behutsam mit einer Vielzahl an Maßnahmen vorangetrieben, unter anderem durch finanzielle Anreize, aber auch mittels der frühzeitigen Einführung der nationalen CO2-Bepreisung im Jahr 1992, ehe erst nach Jahrzehnten ein Verbot von dann nur noch wenig verbreiteten fossilen Heizsystemen im Jahr 2013 in Kraft trat. Im abschließenden Abschnitt wird ein Fazit gezogen.
2 Effektivität und Kosteneffizienz des bestehenden EU-Emissionshandels
Die Europäische Union will den Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber dem Jahr 1990 senken. Um dieses sehr ambitionierte Ziel zu erreichen, hat die EU-Kommission das Maßnahmenpaket „Fit for 55“ geschnürt. Ein zentraler Hebel dieses Pakets ist der seit dem Jahr 2005 existierende EU-weite Emissionshandel (Emissions Trading System, kurz ETS), an dem die Unternehmen der Energiewirtschaft und des Sektors Industrie verpflichtend teilnehmen müssen, wenn sie einen gewissen Schwellenwert beim Energiebedarf aufweisen.1 Sowohl Energieerzeuger als auch Unternehmen aus der Industrie, die energieintensive Anlagen, wie Stahlwerke, Raffinerien oder Zementwerke betreiben, fallen unter die Regularien dieses Emissionshandels.
Jedes dieser Unternehmen muss für jede Tonne an Treibhausgasen, die es ausstößt, ein Emissionszertifikat vorweisen. Die Zertifikate werden von der EU-Kommission ausgegeben. Einige werden gratis bereitgestellt, aber die weit überwiegende Mehrheit der Zertifikate muss von den Unternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen, käuflich am Markt erworben werden, beispielsweise an der Börse. Die Zertifikate können Unternehmen auch untereinander handeln. Die Menge der EU-weit zur Verfügung stehenden Emissionsrechte sinkt von Jahr zu Jahr und sorgt so für die Einhaltung der für die in den Emissionshandel integrierten Sektoren festgelegten Emissionsobergrenze.
Die Verknappung der Zertifikate lässt deren Preise tendenziell steigen und setzt für die Unternehmen Anreize, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren (DEHST 2024). Können Unternehmen ihre Emissionen nicht in kostengünstiger Weise selbst verringern, ziehen sie es vor, stattdessen Emissionszertifikate am Markt zu kaufen, während andere Unternehmen, deren Emissionsvermeidungskosten deutlich unter den Zertifikatspreisen liegen, ihre Emissionen in der Regel selbst senken, anstatt Zertifikate zu kaufen. Diese Flexibilität im Handeln der Unternehmen ermöglicht die Senkung der Emissionen in kosteneffizienter Weise, und zwar dort in der Europäischen Union, wo die Emissionen am kostengünstigsten vermieden werden können.
Wenn die Emissionsminderung in einem Sektor wie der Energiewirtschaft kostengünstiger möglich ist als beispielsweise im Wärmesektor, in dem die Vermeidungskosten bekanntermaßen hoch sind, ist es rational und kosteneffizient, die Treibhausgasemissionen stärker in den Sektoren mit den geringeren Emissionsvermeidungskosten zu reduzieren, während die Emissionen in den Sektoren mit hohen Vermeidungskosten weniger stark verringert werden.
Der EU-Emissionshandel ist aus diesen Gründen per Prinzip kosteneffizient. Zudem erwies er sich in Bezug auf Treibhausgasvermeidung als sehr effektiv. So hat der EU-Emissionshandel einen großen Beitrag dazu geleistet, dass die Europäische Union ihre Treibhausgasemissionen seit dem Jahr 2005, als der Emissionshandel eingeführt wurde, um etwas über 26 % senken konnte: von 4,2 auf rund 3,1 Mrd. Tonnen im Jahr 2022 (Abb. 2). Am stärksten hat dazu der Energiesektor beigetragen: In diesem Sektor wurden die Emissionen von knapp 1,5 auf 0,93 Mrd. Tonnen im Jahr 2022 verringert, das heißt um rund 38 % (DEHST 2024).
Abb. 2
Treibhausgasemissionen der Europäischen Union in sektoraler Abgrenzung in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Quelle: EEA (2024)
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Auch im ebenfalls am Emissionshandel beteiligten Industriesektor reduzierten sich die Emissionen deutlich: von 0,98 auf 0,68 Mrd. Tonnen im Jahr 2022, das heißt um knapp 31 %. Mit der Emissionsminderung um insgesamt 0,87 Mrd. Tonnen trugen diese beiden am Emissionshandel beteiligten Sektoren den Löwenanteil zur Emissionsminderung in den Jahren 2005 bis 2022 bei: Knapp vier Fünftel der Emissionsreduktion in der Europäischen Union um rund 1,1 Mrd. Tonnen gehen auf die Energiewirtschaft und den Industriesektor zurück. Daher kommen Rickels et al. (2024: 70) zu dem Schluss, dass die Emissionen in der Europäischen Union bislang vor allem in jenen Sektoren reduziert wurden, die unter den EU-Emissionshandel fallen. Unter Berücksichtigung der britischen Emissionen, die bis zum Jahr 2021 ebenfalls durch den EU-Emissionshandel abgedeckt waren, liegt die Emissionsreduktion der am Emissionshandel beteiligten Sektoren zwischen 2005 und dem Jahr 2021 sogar bei 44 %.
In den meisten nicht in den Emissionshandel integrierten Sektoren sind die Emissionen deutlich weniger stark gesunken als in der Energiewirtschaft und der Industrie. So verringerten sich die Emissionen im Verkehrssektor kaum, von 0,84 auf 0,80 Mrd. Tonnen. Auch im Landwirtschaftssektor stagnierten die Treibhausgasemissionen weitgehend und beliefen sich im Jahr 2022 auf 0,39 Mrd. Tonnen, anstatt 0,37 Mrd. Tonnen wie im Jahr 2005. Allein der nicht in den Emissionshandel integrierte Gebäudesektor konnte in seiner Emissionsentwicklung mit den Sektoren Industrie und Energiewirtschaft mithalten: Dort sanken die Treibhausgasemissionen von 0,58 auf 0,40 Mrd. Tonnen, das heißt um etwas mehr als 30 %.
Vor Einführung des Emissionshandels im Jahr 2005 verringerten sich die Emissionen in den darin integrierten Sektoren Industrie und Energiewirtschaft deutlich weniger stark als danach. So sanken die Emissionen der Industrie zwischen 1990 und dem Jahr 2005 um knapp 20 %, von 1,17 auf 0,98 Mrd. Tonnen, und somit deutlich schwächer als nach dem Jahr 2005. Sehr moderat war die Emissionsreduktion vor allem in der Energiewirtschaft, wo der jährliche Treibhausgasausstoß im Zeitraum von 1990 bis 2005 lediglich von rund 1,6 auf ca. 1,5 Mrd. Tonnen sank.
Nimmt man den Preis für Emissionszertifikate als Maßstab für die Kosten der Vermeidung einer Tonne Kohlendioxid (CO2), die durch den Emissionshandel ermöglicht wird, kann konstatiert werden, dass die Vermeidungskosten stets unter 100 € lagen, da der Preis für Emissionszertifikate bislang nie nennenswert über der Marke von 100 € lag (Abb. 3). Im Gegensatz zum Emissionshandel sind die CO2-Vermeidungskosten ordnungsrechtlicher Maßnahmen notorisch intransparent und fallen oftmals um ein Vielfaches höher aus. Ein prominentes Beispiel dafür ist das seit dem Jahr 2024 gültige faktische Verbot von rein fossil betriebenen Heizungen. In vielen Fällen kommt es dadurch zum Ersatz von Öl- oder Gasheizungen durch hohe Investitionen in Wärmepumpen. Die CO2-Vermeidungskosten, die damit verbunden sind, sind ungleich höher als die bisherigen Preise für Emissionszertifikate. So errechnete Weimann (2021: 18) implizite CO2-Preise von rund 600 €, falls eine alte Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt wird, und CO2-Vermeidungskosten von rund 1300 €, wenn eine Gasheizung ersetzt wird. Noch weitaus höhere implizite CO2-Preise hat Weimann (2021) für die Subventionierung von Elektroautos errechnet, die CO2-Vermeidungskosten von weit über 2000 € implizierte.
Abb. 3
Preis für Emissionszertifikate im EU-Emissionshandel in Euro. Quelle: UBA (2024b)
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Der Preis für Emissionszertifikate lag lange Zeit auf einem niedrigen Niveau von 20 € und darunter und ist erst in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Dies hat mit der Einführung der Marktstabilitätsreserve im Jahr 2019 zu tun, einem regelbasierten Mechanismus, der die Zertifikatspreise des EU-Emissionshandelssystem in Phasen schwankender Nachfrage stabilisieren soll.2 Noch weitaus maßgeblicher für den Anstieg der Zertifikatspreise war aber, dass die Europäische Union ihr Klimaziel für das Jahr 2030 massiv verschärft hat: Anstatt eine Emissionsreduktion um 40 % gegenüber 1990 erreichen zu wollen, wurde als neues Ziel eine Senkung um 55 % festgelegt. Im Zuge dessen wurde von der Europäischen Kommission beschlossen, ab dem Jahr 2024 die Zahl der Emissionszertifikate Jahr für Jahr um 4,3 % zu verringern, anstatt um 2,2 %, wie es in den Jahren 2021 bis 2023 der Fall war. Die jährliche Verringerung der Emissionsobergrenze ist nun beinahe doppelt so anspruchsvoll wie zuvor. Ab dem Jahr 2028 wird die Zahl der Emissionszertifikate sogar um 4,4 % pro Jahr reduziert (DEHST 2024).
Bis zum Jahr 2018 lagen die Preise für ein Emissionszertifikat unter 10 €. Das führte zu der im politischen Raum vorgebrachten Klage, dass sich bei diesen Preisen klimaschonende Technologien wie eine Wärmepumpe oder erneuerbare Energien nicht rechnen würden und deshalb vom Emissionshandel kein Anreiz zur CO2-Einsparung ausginge (Weimann 2021, S. 3). Bisweilen wurde sogar behauptet, dass die niedrigen Preise ein klares Indiz dafür gewesen wären, dass der Emissionshandel lange Zeit keine Wirkung entfaltet hätte.
Abgesehen davon, dass die oben genannten Emissionsminderungserfolge zeigen, dass der Emissionshandel sich im Gegenteil als sehr effektives Emissionsminderungsinstrument erwiesen hat, muss klar konstatiert werden, dass der Preis für die Frage, wie viele Emissionen durch den Emissionshandel eingespart werden, überhaupt keine Rolle spielt. Wie viele Emissionen Jahr für Jahr eingespart werden, wird allein durch die Europäische Kommission festgelegt.
Vor dem Hintergrund dieser Emissionsbeschränkung bildet sich der Preis am Markt. Die Vermeidungsmenge bestimmt somit den Preis, nicht umgekehrt. Die richtige Interpretation der niedrigen Preise wäre deshalb gewesen, dass der Emissionshandel dazu führt, dass man so kostspielige Technologien wie Wärmepumpen und Windkraftanlagen nicht benötigt, um das von der Kommission vorgegebene Vermeidungsziel zu erreichen. Der Einsatz deutlich kostengünstigerer Technologien reicht dafür aus.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Instrument des Emissionshandels dadurch auszeichnet, dass damit Klimaziele zu den volkswirtschaftlich günstigsten Kosten erreicht werden können und zugleich die Zielerreichung garantiert ist (DEHST 2024), denn die maximale Emissionsmenge wird durch die Ausgabe einer entsprechenden Menge an Zertifikaten bestimmt und diese Obergrenze (Cap) kann nicht überschritten werden. Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Emissionshandels gegenüber ordnungsrechtlichen Instrumenten, insbesondere Verboten, ist, dass die dadurch erzielbaren Einnahmen erhebliche finanzielle Spielräume zur wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Flankierung der Transformation zur Klimaneutralität schaffen.
So konnte Deutschland im Jahr 2023 Erlöse von 7,7 Mrd. € aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten des europäischen Emissionshandels erzielen – im Vergleich zu 2022, als 6,8 Mrd. € erlöst wurden, ein Anstieg um rund 12 % (UBA 2024). Diese Erlöse fließen vollständig in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Der Fonds finanziert Energiewende- und Klimaschutz-Maßnahmen in Deutschland, darunter die energetische Gebäudesanierung sowie den Ausbau von erneuerbaren Energien, welcher noch bis Mitte des Jahres 2022 von den Stromverbrauchern mittels der EEG-Umlage auf den Strompreis finanziert wurde.
3 Nationale CO2-Bepreisung und der neue EU-Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Wärme
Mit der nationalen CO2-Bepreisung hat Deutschland im Jahr 2021 ein weiteres Klimaschutzinstrument eingeführt, um den Ausstoß von CO2-Emissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr zu reduzieren. Mit der CO2-Bepreisung werden fossile Kraft- und Brennstoffe schrittweise verteuert, um so den Verbrauch von Erdgas, Flüssiggas, Heizöl, Autogas, Benzin und Diesel zum Zwecke des Klimaschutzes zu reduzieren.3 Die Verteuerung dieser fossilen Energieträger bemisst sich an der Höhe des CO2-Preises sowie an den Emissionen von Kohlendioxid, die beim Verbrennen dieser fossilen Energieträger ausgestoßen werden (Tab. 1).
Tab. 1
Aufschläge auf die Preise von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas infolge unterschiedlich hoher CO2-Preise, inklusive Mehrwertsteuer. Quelle: Frondel (2020), eigene Berechnungen
Emissionsfaktoren
45 €
90 €
180 €
Benzin
2,37 kg CO2/Liter
12,7 Cents/Liter
25,4 Cents/Liter
50,8 Cents/Liter
Diesel
2,65 kg CO2/Liter
14,2 Cents/Liter
28,4 Cents/Liter
56,8 Cents/Liter
Heizöl
2,65 kg CO2/Liter
14,2 Cents/Liter
28,4 Cents/Liter
56,8 Cents/Liter
Erdgas
0,20 kg CO2/kWh
1,1 Cents/kWh
2,2 Cents/kWh
4,4 Cents/kWh
Wie stark der CO2-Preis Jahr für Jahr steigt, ist im Brennstoffemissionshandelsgesetz festgelegt: von 25 € je Tonne CO2 im Jahr 2021 auf 55 € je Tonne im Jahr 2025. Durch den gesetzlich fixierten Preis von 45 € pro Tonne für das Jahr 2024 verteuern sich Diesel und Heizöl netto theoretisch um 11,9 Cent je Liter, Benzin um 10,7 Cent je Liter und Erdgas um 0,9 Cent je Kilowattstunde (Frondel 2020). Rechnet man die Mehrwertsteuer hinzu, machen die durch den CO2-Preis bedingten Aufschläge jeweils 14,2 Cent bei Heizöl und Diesel aus. Bei Benzin schlägt die CO2-Bepreisung mit 12,7 Cent je Liter zu Buche, bei Erdgas mit 1,1 Cent je Kilowattstunde (Tab. 1).
Diese Preisaufschläge für Diesel und Benzin liegen etwa in der Größenordnung der täglichen Schwankungsbreite der Preise an den Zapfsäulen und machten rund 7 % der Durchschnittspreise für Diesel und E10-Super-Benzin von 1,86 und 1,95 € pro Liter für das Jahr 2022 aus (ADAC 2024). Daher ist trotz dieser Preisaufschläge kurzfristig nur mit geringfügigen Verhaltensreaktionen bzw. Einsparungen beim Verbrauch fossiler Kraft- und Brennstoffe zu rechnen, beispielsweise indem etwas weniger Auto gefahren wird.
Langfristig ist allerdings eine substanzielle Umweltwirkung zu erwarten, da Bürger im Wissen um die Verteuerung von Brenn- und Kraftstoffen infolge der CO2-Bepreisung bei Neuanschaffungen von Autos und Heizungssystemen tendenziell energieeffizientere und treibhausgasärmere Alternativen bevorzugen werden (Frondel 2020). Die nationale CO2-Bepreisung dürfte daher erst mittel- bis langfristig ihre volle Wirkung entfalten, nicht zuletzt, weil die emissionsärmeren Alternativen zur bislang vorherrschenden emissionsintensiven individuellen Mobilität und den fossilen Heiztechnologien zum Teil erst noch geschaffen bzw. ausgebaut werden müssen und in puncto Kosten attraktiver werden dürften.
Eine behutsame, sozialverträgliche Politik würde diesen Umständen Rechnung tragen, indem der Wärme- und Verkehrswende ausreichend Zeit eingeräumt wird und die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder vollständig an Bürger und Unternehmen zurückverteilt werden. Zudem sollte die Politik dafür sorgen, dass die Kosten der Alternativen zu fossilen Brenn- und Kraftstoffen geringer werden, etwa durch die Senkung von Strompreiskomponenten wie der Stromsteuer und der Netzentgelte sowie die Abschaffung von Umlagen wie der KWK-Umlage zur Förderung der Kraftwärmekopplung. Dadurch könnten beispielsweise Wärmepumpen an Attraktivität gewinnen.
Die Wärme- und Verkehrswende nicht zu überstürzen, wäre umso angebrachter, als es nach Beschlüssen der Europäischen Kommission künftig ein zweites EU-Emissionshandelssystem (ETS II) geben wird, das für die Emissionen der beiden Sektoren Verkehr und Wärme eine gemeinsame, EU-weit gültige Obergrenze vorgibt und das es erlaubt, die Emissionen dieser Sektoren dort in der Europäischen Union zu verringern, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Der Start des ETS II ist für 2027 vorgesehen, könnte sich aber beim Auftreten extrem hoher Energiepreise auf das Jahr 2028 verschieben. Zusammen mit dem bestehenden EU-Emissionshandel (ETS I) hätten beide Emissionshandelssysteme im Jahr 2021 rund drei Viertel der EU-weiten Emissionen abgedeckt (Rickels et al. 2024, S. 71).
Um das für das Jahr 2030 vereinbarte Ziel zu erreichen, die Treibhausgasemissionen der Sektoren Straßenverkehr und Gebäude gegenüber 2005 um 43 % zu mindern, wurde festgelegt, dass die EU-weite Emissionsobergrenze im Jahr 2027 um 5,15 % niedriger liegen soll als der entsprechende Treibhausgasausstoß des Jahres 2024 (Nesselhauf und Müller 2023, S. 15). Für das Jahr 2028 bildet das Mittel der entsprechenden Emissionen der Jahre 2024 bis 2026 die Basis für die Errechnung der Obergrenze. Ab dem Jahr 2028 soll die EU-weit gültige Obergrenze für die Summe der jährlichen Emissionen der Sektoren Straßenverkehr und Gebäude gegenüber dem aus den Jahren 2024 bis 2026 gewonnenen Referenzwert jährlich sogar um 5,38 % sinken, anstatt um 5,15 %.
Damit werden Zertifikate in einer bislang einmaligen Geschwindigkeit aus dem Verkehr gezogen. Zum Vergleich: Im bestehenden Emissionshandel ETS I reduzierte sich die Zahl der jährlich ausgegebenen Zertifikate in den Jahren 2021 bis 2023 um lediglich 2,2 %. Zudem betreffen die strengen Absenkungsvorgaben für das ETS II genau jene Sektoren, die bisher vergleichsweise geringe Emissionsminderungen erzielt haben. Deren Emissionen gingen in den Jahren 2005 bis 2020 um lediglich 17 % zurück (Nesselhauf und Müller 2023, S. 15).
Dass das zusätzliche Emissionshandelssystem ETS II getrennt von dem bestehenden System ETS I etabliert wird, wird vorwiegend mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Emissionsvermeidungskosten in den Sektoren Straßenverkehr und Gebäude tendenziell deutlich höher ausfallen als in den in das bestehende System integrierten Sektoren Industrie und Energiewirtschaft (Rickels et al. 2024, S. 71). Eine unmittelbare Verschmelzung beider Emissionshandelssysteme würde deshalb den Preis für Emissionszertifikate gegenüber dem Zertifikatspreis im bestehenden Emissionshandel in die Höhe treiben.
Um die Emissionsminderungsziele der Europäischen Union so kostengünstig wie möglich zu erreichen, wäre es indessen wünschenswert, dass beide Emissionshandelssysteme baldmöglichst vereint werden, um die Effizienzgewinne durch ein gemeinsames System mit einem einheitlichen Zertifikatspreis realisieren zu können. Diese Effizienzgewinne werden seitens der Wissenschaft als immens angesehen. So finden Rickels et al. (2024), dass mit der Einführung des ETS II allenfalls etwa ein Viertel der Effizienzgewinne eines gemeinsamen Emissionshandelssystems erzielt würden, rund drei Viertel der durch die Verschmelzung von ETS I und ETS II möglichen Kosteneffizienzverbesserung werden durch deren Koexistenz verschenkt.
Da die Europäische Kommission kein (Carbon-Leakage‑)Risiko einer Verlagerung von Emissionen der Sektoren Verkehr und Gebäude in Nicht-EU-Länder sieht, sollen im ETS II keine Zertifikate frei zugeteilt werden. Vielmehr sollen alle Zertifikate versteigert werden (Rickels et al. 2024, S. 73). Um bei den strengen Vorgaben für die jährlich ausgegebene Zahl der Zertifikate den Zertifikatspreis niedrig zu halten, sind zahlreiche Maßnahmen vorgesehen.
Erstens soll es eine Mengensteuerung in Form einer Marktstabilitätsreserve geben, die mit 600 Mio. Zertifikaten ausgestattet werden soll. Wenn die Zahl der im Umlauf befindlichen Zertifikate die Schwelle von 210 Mio. Zertifikaten unterschreitet, sollen 100 Mio. Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve freigegeben werden, um den Zertifikatspreis zu dämpfen. Bei einer zwischen 2027 und 2032 zu versteigernden Menge von 5,3 Mrd. Zertifikaten könnte die Menge an Zertifikaten auf diese Weise um bis zu 11 % erhöht werden.
Zweitens soll es eine Preissteuerung geben, bei der bei einem realen Interventionspreis von 45 € (in Preisen von 2020) preisdämpfende Maßnahmen in Gang gesetzt werden. So sollen 20 Mio. Zertifikate zusätzlich in den Markt gebracht werden, wenn der Zertifikatspreis drei Monate lang über 56 € (in Preisen bezogen auf das Jahr 2027) liegt. Weitere preisdämpfende Maßnahmen sind die Ausgabe
von 50 Mio. Zertifikaten, wenn sich der Preis innerhalb von drei Monaten verdoppelt,
von 150 Mio. Zertifikaten, wenn sich der Preis innerhalb von sechs Monaten verdreifacht.
Drittens: Um für eine hohe Liquidität im Einführungsjahr 2027 zu sorgen, bei dem das Angebot an Zertifikaten die Nachfrage nach Zertifikaten deutlich überschreitet, und um einen starken Preissprung zu Beginn zu vermeiden, ist ein sogenanntes „Frontloading“ beschlossen worden, bei dem die Menge an zu versteigernden Zertifikaten im Jahr 2027 um 30 % gegenüber der ursprünglichen Versteigerungsmenge für dieses Jahr erhöht wird. Diese zusätzliche Auktionsmenge wird allerdings von den Versteigerungsmengen für den Zeitraum 2029 bis 2031 abgezogen, sodass sich die Auktionsmenge über den Zeitraum von 2027 bis 2032 insgesamt nicht erhöht.
Von den drei Mechanismen, dem Frontloading, der Preis- und der Mengensteuerung, kann innerhalb von zwölf Monaten immer nur ein Mechanismus ausgelöst werden. Allerdings kann die Kommission die Anwendung dieser zeitlichen Einschränkung bereits nach sechs Monaten mittels eines Durchführungsrechtsakts ausschließen, sodass eine erneute Anwendung eines der Mechanismen bereits nach einem halben Jahr möglich ist.
Die Möglichkeit, jederzeitig mittels eines Durchführungsrechtsakts eingreifen zu können, weist auf den Testcharakter der bis 2032 währenden Einführungsphase hin (Rickels et al. 2024, S. 74). Darüber hinaus deuten sowohl die Konzeption der drei vorgesehenen Interventionsmechanismen als auch das Festsetzen eines realen Interventionspreises von 45 € (in Preisen von 2020) darauf hin, dass die Kommission Willens ist, die Preise für Emissionszertifikate in realen Termini zunächst stabil zu halten.
Daher erscheinen hohe Preisniveaus von mehr als 200 € für das Jahr 2030, wie sie in Studien genannt werden, die davon ausgehen, dass es außer dem ETS II keine weiteren effektiven Emissionsminderungsmaßnahmen mehr gibt (z. B. MCC 2023), als unwahrscheinlich – nicht zuletzt auch deshalb, weil bei solchen Preisen mit Widerständen aus jenen EU-Mitgliedsstaaten zu rechnen wäre, in denen die Energiepreisniveaus deutlich niedriger sind als im EU-Durchschnitt und ein hoher CO2-Preis eine stärkere Verteuerung fossiler Energieträger bedeuten würde als für die übrigen EU-Länder. So lägen die Preisaufschläge bei einem CO2-Preis von beispielsweise 180 € bei rund 57 Cent je Liter bei Heizöl und Diesel, etwas mehr als 51 Cent bei Benzin und bei 4,4 Cent je Kilowattstunde bei Erdgas (Tab. 1). Selbst bei den wohlhabenderen EU-Ländern ist es kaum vorstellbar, dass derartige Preisaufschläge nicht zu Unmut in der Bevölkerung führen würden.
Es wäre aus Effizienz- und Kostengründen wünschenswert, dass mit Einführung des ETS II sämtliche nationalen Emissionsziele für die Sektoren Gebäude und Verkehr aufgegeben würden. Dies ist allerdings nicht der Fall. Um die in der EU-Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation ESR) vereinbarten, verbindlichen nationalen Ziele für die nicht in den bestehenden EU-Emissionshandel integrierten Sektoren für das Jahr 2030 zu erreichen, soll das ETS II nach dem Willen der EU-Kommission übergangsweise als ein Instrument zur Zielerreichung dienen (Rickels et al. 2024). Anders als im ETS I spielt es im ETS II daher zunächst weiterhin eine Rolle, wo die Emissionen reduziert werden.
Allerdings erlaubt die Lastenteilungsverordnung die Nutzung von Flexibilitätsmechanismen. Zum Beispiel können Zertifikate von anderen EU-Staaten gekauft werden, die ihre Emissionsminderungsziele in den Nicht-ETS-Sektoren übererfüllt haben. Damit kann den aus der Lastenteilungsverordnung erwachsenden Verpflichtungen in kosteneffizienter Weise nachgekommen werden (Rickels et al. 2024, S. 73), anstatt auf teure Art und Weise Emissionen in den heimischen Sektoren Gebäude und Straßenverkehr zu mindern. So hat Deutschland im Jahr 2022 für die unerlaubten Mehremissionen in Höhe von knapp 11,4 Mio. Tonnen von Ungarn, Tschechien und Bulgarien die als Ausgleich nötigen Emissionszertifikate für die geringe Summe von rund 13,5 Mio. € erworben. Anstatt die Verbreitung von Wärmepumpen mit hohen Fördergeldern zu subventionieren, um die Emissionen im Gebäudesektor zu senken, wäre es folglich weitaus kostengünstiger, Zertifikate von anderen EU-Ländern zu kaufen, um zu hohe Emissionen in den nicht am ETS I beteiligten Sektoren auszugleichen.
4 Deutschlands Klimaschutzgesetz konterkariert die Grundidee des EU-Emissionshandels
Im Klimaschutzgesetz (KSG 2024) sind ehrgeizige nationale Klimaschutzziele festgelegt. So sollen Deutschlands Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 % im Vergleich zum Jahr 1990 gemindert werden, bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 %. Vor dem Hintergrund, dass die durch den Treibhausgasausstoß verursachten negativen externen Effekte ein globales Problem darstellen, das allein in internationaler Kooperation durch die Weltgemeinschaft gelöst werden kann (Ockenfels und Schmidt 2019), ist die Festsetzung nationaler Ziele allerdings fragwürdig.
Denn selbst eine gemeinsame Klimapolitik auf europäischer Ebene wird auf Dauer den globalen Klimaschutz nicht voranbringen können (Ockenfels und Schmidt 2019), wenn diese keine internationale Unterstützung erfährt. Tatsächlich haben sich die globalen Emissionen trotz der erheblichen Minderungsleistungen der Europäischen Union in den vergangenen Jahrzehnten massiv erhöht. Selbst wenn Deutschland seine Treibhausgasemissionen, welche weniger als 2 % der weltweiten Emissionen ausmachen, auf null gesenkt hätte, wären die globalen Treibhausgasemissionen weiter angestiegen. Dem globalen Trend stetig steigender Treibhausgasemissionen deutsche oder europäische CO2-Reduktionsziele entgegenzusetzen, kann den Klimawandel allenfalls ein wenig verzögern – zumal ein Teil der hierzulande eingesparten Emissionen lediglich in andere Regionen gelenkt wird (Ockenfels und Schmidt 2019, S. 124). Die deutsche und europäische Klimapolitik muss daher zwingend zuallererst danach beurteilt werden, wie sie die klimapolitischen Anstrengungen anderer Länder beeinflusst (Ockenfels und Schmidt 2019, S. 124).
Umso befremdlicher mutet es vor diesem Hintergrund an, dass das Klimaschutzgesetz zusätzlich zu den bundesweit geltenden nationalen Zielen auch noch individuelle Treibhausgasminderungsziele für einzelne Sektoren wie den Verkehrs- und den Gebäudesektor setzt – und zudem jahresspezifische Vorgaben gemacht werden (Tab. 2). Damit steht das Klimaschutzgesetz mit seinen sektorspezifischen Treibhausgasminderungszielen zwei Prinzipien fundamental entgegen: Zum einen der Grundidee des Emissionshandels, die Emissionen in kosteneffizienter Weise in jenen Sektoren zu vermeiden, in denen dies auf kostengünstigste Weise geschehen kann, während andere Sektoren mit hohen Vermeidungskosten geringere Minderungsanstrengungen unternehmen müssen. Zum anderen ist es für das Klima unerheblich, wo Treibhausgase emittiert werden.
Tab. 2
Zulässige Emissionsmengen in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten laut Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Quelle: Anlage 2 zu § 4 des Klimaschutzgesetzes. https://www.gesetze-im-internet.de/ksg/
2020
2021
2022
2023
2024
2025
2030
Energiewirtschaft
280
–
257
257
257
–
108
Industrie
186
182
177
172
165
157
118
Gebäude
118
113
108
102
97
92
67
Verkehr
150
145
139
134
128
123
85
Landwirtschaft
70
68
67
66
65
63
56
Abfallwirtschaft
9
9
8
8
7
7
4
Die Ziele für die Jahre 2026 bis 2029 wurden nicht dargestellt
Die in den sektorspezifischen Zielen des Klimaschutzgesetzes manifestierten kleinteiligen Vorgaben hatten bis Mai 2024 erhebliche Konsequenzen zur Folge, wenn ein Sektor sein Jahresziel nicht erreicht hatte (KSG 2024). Nach § 8 Absatz 1 des Klimaschutzgesetzes musste das für diesen Sektor zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage der Bewertung der Emissionsdaten durch den Expertenrat für Klimafragen nach § 11 Absatz 1 ein Sofortprogramm für den Sektor vorlegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt. Anschließend musste dieses Sofortprogramm von der Regierung beschlossen werden.
So hat der Expertenrat für Klimafragen (2024) auf Basis der vom Umweltbundesamt (UBA 2024) vorgelegten vorläufigen Emissionsbilanz für das Jahr 2023 moniert, dass der Sektor Verkehr zum wiederholten Male seine im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele deutlich verfehlt hat. Statt der gesetzlich erlaubten 134 Mio. Tonnen hat der Verkehrssektor etwa 146 Mio. Tonnen emittiert (Abb. 1). Der Expertenrat forderte daher auf Basis der bis Mai 2024 geltenden Fassung des Klimaschutzgesetzes schnelle Maßnahmen vom Verkehrsministerium.
Derartige Forderungen, die selbstverständlich vor dem Hintergrund der Funktion des Rates zu sehen sind, sind aus zahlreichen Gründen unangebracht. Erstens kann ein sektorspezifisches Sofortprogramm ungeachtet seiner konkreten Ausgestaltung aufgrund der mangelnden Flexibilität bei der Emissionsminderung über Sektoren hinweg, wie dies der Emissionshandel gestattet, kaum kosteneffizient sein.
Zweitens ist zu kritisieren, dass die im Klimaschutzgesetz genannten sektoralen Ziele der unvermeidlichen Unsicherheit, die mit jeder Datengrundlage verbunden ist, in keiner Weise gerecht werden, weil sie ohne jegliche Toleranz formuliert sind. Infolgedessen hätte für den Gebäudesektor, der nach der vorläufigen UBA-Analyse die zulässige Jahreshöchstmenge um etwas mehr als 1 Mio. Tonnen überschritten hat, nach der bisherigen Fassung des Klimaschutzgesetzes ein Sofortprogramm zur Senkung der Emissionen in diesem Sektor vorgelegt werden müssen.
Dieser Schlussfolgerung wollte sich auch der Expertenrat nicht anschließen, da er betonte, dass das Ergebnis einer knappen Zielverfehlung im Gebäudesektor wegen der sehr früh erfolgten Datenanalyse des UBA mit einer hohen Unsicherheit verbunden ist. Das könnte sich bei verbesserter Datenlage möglicherweise als Irrtum herausstellen. Weil aber auch mit mehr Zeit bei der Auswertung der Daten niemals jegliche Datenunsicherheit beseitigt werden kann, hätten die sektoralen Klimaziele nicht in dieser Absolutheit formuliert werden dürfen, wie sie sich ohne jegliche Toleranz im Klimaschutzgesetz wiederfinden.
Drittens: Selbst wenn keinerlei Datenunsicherheit bestehen würde, stellt sich die Frage, ob bei einer knappen Zielverfehlung von etwa einer Million Tonnen, welche im Vergleich zu den Emissionen des Gebäudesektors von 111 Mio. Tonnen im Jahr 2022 (Abb. 1) eine Abweichung um weniger als 1 % bedeutet, ein potenziell kostenintensives Sofortprogramm auferlegt werden sollte, ohne zu honorieren, dass der Gebäudesektor die Emissionen innerhalb eines Jahres um stattliche 9 Mio. Tonnen gesenkt hat (Abb. 1) und damit auf dem richtigen Weg ist. Dabei dürfte es wohl niemanden sonst auf der Welt bekümmern, dass Deutschland sein für den Gebäudesektor für das Jahr 2023 selbstgesetztes Ziel womöglich knapp verfehlt hat, während sich Deutschlands Treibhausgasemissionen innerhalb eines Jahres um mehr als 10 % verringerten.
Zudem ist festzustellen, dass der Gebäudesektor gemessen an den im Klimaschutzgesetz genannten Emissionsziel von 102 Mio. Tonnen für das Jahr 2023 nach den vorläufigen Zahlen des Umweltbundesamtes sein Ziel in Wahrheit ziemlich exakt erreicht hätte. Dass das Umweltbundesamt zum Ergebnis einer leichten Zielverfehlung um etwa eine Million Tonnen kommt, liegt daran, dass das Amt die zulässige Emissionsmenge für den Sektor Gebäude wegen seiner Zielverfehlungen in den Vorjahren gegenüber der im Klimaschutzgesetz genannten Zielmenge um rund eine Million Tonnen nach unten angepasst hat – eine Anpassung, die nach dem im Klimaschutzgesetz festgelegten Ausgleichsmechanismus (§ 4 Absatz 3 KSG) erfolgte. Wenngleich diese Vorgehensweise durch das Klimaschutzgesetz legitimiert ist, verwundert es sehr, dass es zwar einen intertemporalen Ausgleichsmechanismus für die einzelnen Sektoren gibt, bei dem neben Zielverfehlungen auch das Übertreffen von Zielen angerechnet wird, es aber bislang keinen Ausgleichsmechanismus über Sektoren hinweg gab.
Viertens: Mit den im Klimaschutzgesetz festgelegten sektorspezifischen Zielen wird die Tatsache ignoriert, dass es für das Klima gleichgültig ist, an welchem Ort in der Welt und in welchem Sektor die Treibhausgasemissionen entstehen. Zielverfehlungen in einem Sektor sollten daher nicht aktionistische – und damit in der Regel teure – Sofortprogramme in diesem Sektor zur Folge haben, erst recht nicht, wenn die fehlenden Emissionsminderungen durch andere Sektoren bei weitem wettgemacht werden können. So wird die Zielverfehlung des Verkehrssektors um rund 13 Mio. Tonnen durch die Senkung der gesamten Emissionen in Deutschland um über 10 %, zu der die Energiewirtschaft mit einem Emissionsrückgang von 52 Mio. Tonnen innerhalb eines Jahres den größten Beitrag geleistet hat (Abb. 1), weit mehr als ausgeglichen.
Dieser Ausgleich, der in der Energiewirtschaft auf die nach dem Abflauen des Energiepreisschocks und der stark gesunkenen Erdgaspreise auf einen Rückgang der Kohleverstromung zurückzuführen ist, nicht zuletzt aber auf eine deutlich schwächere Stromnachfrage der energieintensiven Industrie, hat Deutschland in Form einer schwächelnden Wirtschaft sehr viel Geld gekostet, aber immerhin eine ordentliche Umweltdividende in Form stark gesunkener Emissionen beschert. So hat die Produktionsschwäche der energieintensiven Industrie zu einem Emissionsrückgang der Industrie um rund 13 Mio. Tonnen geführt (Abb. 1). Aus ökonomischer Perspektive drängt sich vor diesem Hintergrund die Frage auf, warum dem säumigen Verkehrssektor unter Inkaufnahme möglicherweise hoher zusätzlicher Kosten dennoch innerhalb eines Jahres ein Sofortmaßnahmenpaket auferlegt werden sollte?
Dieser durch die ursprüngliche Fassung des Klimaschutzgesetzes auferlegte Zwang ist durch die Novellierung des Klimaschutzgesetzes, die der Bundesrat am 17. Mai 2024 gebilligt hat, vernünftigerweise abgewendet worden: In einer dem Klimaproblem angemesseneren Vorgehensweise wird die kleinteilige Vorgabe jährlicher Sektor-Ziele ersetzt durch eine mehrjährige, in die Zukunft gerichtete Gesamtbetrachtung, bei der die Minderleistungen einzelner Sektoren, etwa der des Verkehrs, durch stärkere Emissionsminderungen in anderen Sektoren ausgeglichen werden können (Bundesregierung 2024): „Im Fokus steht nun, ob der Treibhausgasausstoß insgesamt reduziert wird, unabhängig davon, in welchem Bereich die Treibhausgase entstehen“.
Diese Novellierung des Klimaschutzgesetzes ist angesichts der bekanntermaßen hohen Emissionsvermeidungskosten in den beiden Sektoren Gebäude und Verkehr sehr zu begrüßen, schließlich ist der Kauf emissionsarmer Pkw mit hohen Kosten verbunden, erst recht aber der Einbau emissionsarmer Heizungssysteme, vor allem einer Wärmepumpe, und noch viel mehr das Dämmen eines energetisch unsanierten Altbaus. Deshalb erfordern besonders die Sanierung und energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands sehr viel Zeit – Zeit, die man wegen des fortschreitenden Klimawandels angeblich nicht hat.
Doch das ist ein Trugschluss: Bringt die Politik mit teuren Emissionsvermeidungsmaßnahmen wie dem faktischen Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen die Bevölkerung gegen sich auf, wird die deutsche Wärmewende weltweit wohl kaum als ein Vorbild angesehen, dem andere Länder nacheifern werden. Die deutsche Politik verursacht so immens hohe Kosten (Frondel und Quitzau 2023), die die Gesellschaft zu tragen hat, hilft aber wenig bei der Reduzierung der Emissionen im globalen Maßstab.
Doch allein auf die Senkung der Treibhausgasemissionen im globalen Maßstab kommt es an, nicht auf Emissionsminderungserfolge in Europa, geschweige denn in Deutschland oder gar im deutschen Verkehrssektor. Ohne eine weltweite Koordination der Emissionsminderungsanstrengungen (Ockenfels und Schmidt 2019), möglicherweise durch ein internationales Abkommen zur Etablierung eines einheitlichen Preises für Treibhausgasemissionen, dienen jegliche nationalen, sektoralen und individuellen Anstrengungen allein der Beruhigung des nationalen bzw. des eigenen Gewissens. Daher sehen Ockenfels und Schmidt (2019) die höchste Priorität für die deutsche Politik darin, ihre Bemühungen zur Einbettung der nationalen und europäischen Klimapolitik in eine wirksame globale Klimapolitik zu intensivieren. Stattdessen wendete die Bundesregierung im Jahr 2023 mit der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes, in der Öffentlichkeit besser bekannt als das Heizungsgesetz, sehr viel Energie auf, um die Treibhausgasemissionen in einem einzelnen Sektor, dem Gebäudesektor, mindern zu können.
5 Lehren aus Baden-Württembergs Wärmewende?
Die monatelang anhaltenden, kontroversen Diskussionen um die Reformierung des Gebäudeenergiegesetzes führten in Deutschland zu einer großen Verunsicherung über die zukünftig noch erlaubte Art zu heizen. Als Reaktion auf mögliche Einschränkungen im Heizungskeller und das im September 2023 beschlossene faktische Verbot von rein mit Heizöl und Gas betriebenen Heizungen kam es im Jahr 2023 zu einem Rekordzubau von über 1,3 Mio. neuen Heizungen, einem Zuwachs von rund einem Drittel gegenüber dem Vorjahr (BDH 2024).
Bemerkenswert ist zudem, dass in der weit überwiegenden Mehrheit Erdgas- und Ölheizungen neu eingebaut wurden, mithin jene Heizungsarten, die mit Blick auf die Erreichung des Zieles der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 als wenig erwünscht angesehen werden. So wurden im Jahr 2023 etwas mehr als 790.000 Erdgasheizungen installiert und knapp 113.000 neue Ölheizungen. Öl- und Erdgasheizungen hatten somit zusammen einen Anteil von rund 70 % an allen Heizungsneuinstallationen des Jahres 2023, Wärmepumpen hatten einen Anteil von etwas über einem Viertel. Die Zahl der Wärmepumpen, die zu Heizzwecken neu installiert wurden, lag bei rund 356.000 (BDH 2024). Das ist deutlich unter der politischen Zielvorgabe von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr bis zum Jahr 2030. Dem Zuwachs bei Wärmepumpen von etwas mehr als 50 % gegenüber 2022 stand eine Verdopplung beim Einbau an Ölheizungen gegenüber.
Derartige Reaktionen auf potenzielle Einschränkungen im Heizungskeller, die auf Vorzieheffekte infolge drohender oder bald in Kraft tretender ordnungsrechtlicher Maßnahmen hindeuten, sind nicht neu, wie die Historie der Einführung des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes (EWärmeG) in Baden-Württemberg im Jahr 2010 und dessen Reformierung im Jahr 2015 zeigt. So wurde durch dieses Gesetz zum 1. Januar 2010 eine verpflichtende Nutzungsquote von 10 % an erneuerbaren Energien für den Gebäudebestand eingeführt, die unter anderem greift, sobald eine Heizungsanlage ausgetauscht wird. Damit war Baden-Württemberg das einzige Bundesland mit einer solchen Verpflichtung. Diese konnte unter anderem durch das Beziehen von Heizöl mit einem Bioölanteil von 10 % bzw. von Erdgas mit einem Biogasanteil in derselben Höhe sowie durch Installation von Solarthermie- oder Photovoltaikanlagen erfüllt werden.
Um den drohenden Mehrkosten infolge der 10-Prozentquote zu entgehen, wurden in Baden-Württemberg laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) im Jahr 2009 deutlich mehr kostengünstige Heizwertgeräte und deutlich weniger energieeffiziente Brennwertgeräte als im Bundesdurchschnitt installiert (BDH 2018). Nach diesem Vorzieheffekt fiel der vom BDH berechnete Modernisierungsindex im Jahr 2010 in Baden-Württemberg gegenüber dem Bundestrend deutlich ab (Abb. 4). Nach einer zwischenzeitlichen Erholung und dem Auftreten eines weiteren Vorzieheffektes in den Jahren 2014 und 2015 brach der Markt in Baden-Württemberg im Jahr 2016 erneut deutlich ein.
Abb. 4
Modernisierungsindex über alle Wärmeerzeuger. Quelle: BDH (2018)
×
Dieser erneute Vorzieheffekt steht sehr auffällig im zeitlichen Zusammenhang mit der Novellierung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes im Jahr 2015. Seit dem 1. Juli 2015 gilt eine Nutzungsquote von 15 % an erneuerbaren Energien für den Gebäudebestand. Diese Erhöhung der Quote impliziert einen entsprechenden Mehraufwand ihrer Erfüllung, dem offenbar viele Hausbesitzer durch einen vorzeitigen Austausch der Heizungen vor dem Stichtag 1. Juli entgehen wollten. Durch das vorzeitige Austauschen noch funktionierender Heizungen verbessert sich zwar die Emissionsbilanz des Gebäudesektors, weil ältere fossile Heizungen mit geringerer Energieeffizienz durch effizientere Systeme ersetzt werden. Ob die Umweltbilanz insgesamt jedoch besser ausfällt, wenn noch funktionierende Systeme Jahre vor dem Ende ihrer Lebensdauer durch neue ersetzt werden, ist unklar, wenn man den Energie- und Ressourcenaufwand bei der Herstellung der neuen Heizungssysteme berücksichtigt.
Derartige Vorzieheffekte wie sie in Baden-Württemberg im Zuge der Einführung und Novellierung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes und kürzlich vor dem Inkrafttreten des bundesweiten faktischen Verbotes von rein auf fossilen Brennstoffen basierenden Heizsystemen aufgetreten sind, sollten wenig überraschen, wenn die mit den ordnungsrechtlichen Bestimmungen verbundenen ökonomischen, aber auch die psychologischen und sozialen Implikationen für die Eigenheimbesitzer berücksichtigt werden.
Da die Einführung einer EU-weiten oder nationalen CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe im Jahr 2015 nicht absehbar war, und erst recht nicht im Jahr 2009, mussten die in Baden-Württemberg eingeführten Regelungen bei den Betroffenen zu dem Schluss führen, dass die ab dem Jahr 2010 einzubauenden Heizungssysteme kostenintensiver sein würden als die herkömmlichen fossilen Systeme. Schließlich war damals nicht erkennbar, dass sich die höheren Investitionskosten der alternativen Heizsysteme durch eine spätere CO2-Bepreisung womöglich amortisieren könnten. Hinzu kamen mögliche Trotzreaktionen bei den Betroffenen, die sich wegen des Sonderwegs von Baden-Württemberg im Vergleich zu den Bewohnern anderer Bundesländer als ungerecht behandelt vorgekommen sein könnten.
Auch der in Deutschland nie dagewesene massive Zubau von reinen Öl- und Gasheizungen im Jahr 2023 ist rational-ökonomisch erklärbar – trotz der Tatsache, dass die nationale CO2-Bepreisung seit dem Jahr 2021 Realität und ein weiterer Anstieg der CO2-Preise gesetzlich festgelegt ist, sodass sich der Öl- und Gasverbrauch dadurch verteuert. Schließlich ist die seitens der Politik vielfach bevorzugte Wärmepumpe in der Anschaffung um das Doppelte, eher gar das Dreifache teurer als eine herkömmliche Erdgasheizung. Angesichts hoher Unsicherheiten über die zukünftigen Strom- und Erdgaspreise, aber auch über den weiteren Anstieg der CO2-Preise, ist es nachvollziehbar, wenn ein risikoaverser Investor in jene Variante investiert, die mit den geringsten Anschaffungskosten verbunden ist – zumal der Betrieb der Wärmepumpe mit besonderen Unsicherheiten verbunden ist. So ist nicht immer klar, ob es damit in einem Altbau ausreichend warm wird und ob der Stromverbrauch der Wärmepumpe wegen unsachgemäßen Betriebs nicht deutlich höher ausfällt, als vom Hersteller angegeben wurde. Letzteres kann leicht passieren, weil die Wärmepumpe für die meisten Nutzer eine weitgehend unbekannte Technologie ist.
6 Das Gegenteil einer überstürzten Wärmewende: Das Beispiel Dänemark
Anstatt höchst übereilt ein Verbot fossiler Heizungen zu erlassen, das ursprünglich innerhalb eines Jahres greifen sollte und nun innerhalb weniger Jahre hätte sich Deutschland besser ein Beispiel an Ländern wie Dänemark genommen, in denen die Wärmewende über viele Jahrzehnte vorbereitet und durch Energiesteuern, CO2-Preise, Subventionen und viele andere Maßnahmen flankiert wurde, ehe dort erst nach Jahrzehnten Verbote ausgesprochen wurden.
So begann Dänemark schon nach der ersten Ölkrise in den 1970er-Jahren, als noch 99 % des dänischen Energieverbrauchs durch den Import von Erdöl und Kohle gedeckt wurden (Clausen und Beucker 2019, S. 6), mit dem Ausbau der Fernwärme, die damals einen Anteil von weniger als einem Viertel im Heizungsbestand hatte. Heute sind rund zwei Drittel aller dänischen Haushalte daran angeschlossen (DEA 2020, S. 36), in Deutschland beträgt der Fernwärmeanteil weniger als 15 %. Die Fernwärme stammt heute in Dänemark zu einem Großteil aus Quellen wie Biomasse, Geothermie oder Abwärme von Industriebetrieben, nur ein knappes Viertel der Fernwärmeerzeugung beruht noch auf fossilen Brennstoffen.
Im Nachgang zur ersten Ölkrise wurde im Jahr 1976 die dänische Energieagentur (Danish Energy Agency, DEA) gegründet, die seitdem aktiv die Umsetzung der dänischen Wärmewende unterstützt (IEA 2017, S. 28) – zusammen mit der Aufsichtsbehörde für Energieversorger. Auch der erste dänische Energieplan stammt aus dem Jahr 1976 (DEA 2017, S. 27). Die mehr oder weniger regelmäßig erscheinenden Energiepläne dienen seither als Grundlage der langfristigen Energiepolitik Dänemarks. Hieran könnte sich Deutschland ein Beispiel nehmen: Mit der regelmäßigen Veröffentlichung von Energieplänen könnte Deutschland seine Energiepolitik zeitkonsistenter und unabhängiger von individuellen Regierungskonstellationen gestalten.
Um Anreize zu schaffen, auf alternative Heizungssysteme zu wechseln, wurde im Jahr 1977 eine Steuer auf Heizöl eingeführt (Hanna et al. 2016, S. 34). Diese Steuer wurde im Jahr 1985 als Reaktion auf sinkende Ölpreise erhöht, um die Anreize, auf Alternativen umzusteigen, aufrechtzuerhalten. Im Anschluss an die zweite Ölkrise wurden im Jahr 1981 Subventionen für die Installation alternativer Technologien eingeführt, insbesondere für Wärmepumpen. Im Jahr 1992, und somit knapp drei Jahrzehnte eher als Deutschland, führte Dänemark die CO2-Bepreisung fossiler Energierohstoffe ein (IEA 2017, S. 104), um noch stärkere Anreize zu setzen, deren Verbrauch weiter zu reduzieren.
Erst im Energieplan von 2012 wurde ein Installationsverbot von Öl- und Gasheizungen festgelegt, beschränkt jedoch auf neue Gebäude. Dieses Verbot galt ab dem Jahr 2013 und wurde im Jahr 2016 auf bestehende Gebäude ausgeweitet (IEA 2017, S. 30). Die Ausweitung betraf jedoch nur Ölheizungen und galt auch nur in Gebieten, in denen Fernwärme oder Erdgasnetze vorhanden waren. Zudem durfte die Alternative zur Ölheizung nicht unangemessen teuer sein. Härtefälle wurden dadurch vermieden. Das Verbot betraf ohnehin nur einen Bruchteil aller dänischen Haushalte: Unter den insgesamt 2,8 Mio. Heizungsanlagen machten Ölheizungen damals nur noch einen Anteil von rund 9 % aus, Erdgasheizungen hatten einen Anteil von 15,2 %. Mit einem Anteil von 64,4 % bestand die große Mehrheit der Heizungsanlagen aus Fernwärmeanlagen (DEA 2020, S. 36).
Schließlich wurde im Jahr 2017 ein Öl-Kesselverschrottungsprogramm gestartet, im Rahmen dessen Haushalte außerhalb von Fernwärmegebieten staatliche Unterstützung bei der Anschaffung einer Wärmepumpe erhielten (DEA 2023). Anfänglich als Pilotprogramm begonnen wurde das Verschrottungsprogramm im Jahr 2020 auf Erdgasheizungen ausgeweitet. Der Charme des Programms liegt zusätzlich zur staatlichen finanziellen Unterstützung darin, dass nicht die Haushalte sich um Installation, Betrieb und Wartung der Wärmepumpe kümmern müssen, sondern ein Energiedienstleister, den die dänische Energieagentur beauftragt, wenn ein Haushalt sich für die Teilnahme an dem Programm entscheidet. Hierdurch werden sowohl die finanziellen als auch die organisatorischen und psychologischen Hürden für einen Umstieg auf eine Wärmepumpe verringert. Vor allem müssen nicht die Programmteilnehmer die hohen Investitionen in die Anschaffung einer Wärmepumpe aufbringen. Vielmehr bezahlen sie eine jährliche Pauschale, mit der auch die Anschaffungskosten über die Vertragslaufzeit beglichen werden.
Angesichts der Bemühungen Dänemarks, nicht nur soziale Härten zu vermeiden, sondern den Umstieg auf Wärmepumpen in jeglicher Hinsicht zu erleichtern und die finanziellen Belastungen der Haushalte so gering wie möglich zu halten, ist es wenig überraschend, dass die dänische Wärmewende keine Proteststürme auslöste – zumal der Transformationsprozess durch die langfristig angelegte Politik über beinahe 50 Jahre behutsam vorangebracht wurde. Im Fokus dieser Transformation der Wärmeversorgung, deren Fortschritt im Rahmen eines Monitorings regelmäßig überprüft wurde (Clausen und Beucker 2019, S. 24), standen die Entwicklung kommunal geplanter Wärmenetzstrukturen sowie von alternativen Lösungen für Einzelgebäude, die nicht in effizienter Weise an Wärmenetze angeschlossen werden konnten. Wie oben skizziert, wurde die Transformation mit einer Vielzahl an Maßnahmen vorangebracht, unter anderem durch die Einführung und Erhöhung lenkender Steuern und Abgaben auf fossile Brennstoffe, um neuen Alternativen zum Heizen zur Wirtschaftlichkeit zu verhelfen. Hierdurch konnte der Umfang staatlicher Subventionen begrenzt werden.
Eine zentrale Rahmenbedingung stellte nicht zuletzt die frühzeitige politische Entscheidung dar, die Errichtung und den Betrieb von Wärmenetzen nach dem Gemeinnützigkeitsprinzip zu organisieren (Clausen und Beucker 2019, S. 23). So sieht die Wärmepreisgestaltung in Dänemark vor, dass die Wärmeversorgung nach den tatsächlichen Kosten auf gemeinnütziger Basis zu berechnen ist (Clausen und Beucker 2019, S. 7–8). Die Wärmepreise sind jeweils im Herbst eines Jahres für das nächste Jahr festzulegen. Gegen die Preisfestlegung kann bei einer nationalen Beschwerdestelle Widerspruch eingelegt werden. Erzielen die gemeinnützigen Wärmeversorger einen Überschuss, muss dieser entweder im Folgejahr zurückgezahlt oder für Projekte zur Verbesserung der Versorgung verwendet werden. Die starke Regulierung von Rechtsform und Preisgestaltung wird damit begründet, dass eine effektive Wärmeversorgung nur als „natürliches Monopol“ organisiert werden kann.
7 Zusammenfassung und Fazit
Im Gegensatz zu Ländern wie Dänemark, wo die Wärmewende bereits nach den Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre eingeleitet wurde, wurde die Dekarbonisierung des Wärme- bzw. Gebäudesektors in Deutschland lange Zeit eher vernachlässigt. Die Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors haben sich deshalb in der vergangenen Dekade kaum verringert (Abb. 1).
Vor diesem Hintergrund wurde seit Beginn der neuen Dekade eine Vielzahl an Maßnahmen beschlossen (Berneiser et al. 2021), um die Emissionen des Gebäudesektors substanziell zu senken. Dazu zählen die im Jahr 2021 eingeführte nationale CO2-Bepreisung, die den Verbrauch fossiler Brenn- und Kraftstoffe in Deutschland zum Zweck der Treibhausgasminderung in zunehmendem Maße verteuert sowie die bereits zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen am eigenen Wohngebäude (§ 35c EstG). Alternativ zur steuerlichen Förderung werden energetische Modernisierungsmaßnahmen nach erfolgreicher Antragstellung beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) finanziell gefördert. Daneben gibt es Dutzende andere Maßnahmen, unter anderem immer wieder verschärfte Energieeffizienzstandards für Neubauten.
Noch ehe die Wirkung all dieser Maßnahmen in Bezug auf die Emissionen des Gebäudesektors deutlich erkennbar war, wurde früh im Jahr 2023 ein faktisches Verbot des Einbaus von reinen Öl- und Gasheizungen diskutiert, sowohl im Neubau als auch als Ersatz für alte Heizungen, und – nach heftigen Kontroversen und zahlreichen Änderungen der Gesetzesvorlage – im September 2023 gesetzlich verankert. Demnach ist seit Beginn des Jahres 2024 der Einbau von rein fossil betriebenen Öl- und Gasheizungen faktisch verboten, denn jede neu eingebaute Heizung sollte auf Basis von mindestens 65 % erneuerbarer Energien betrieben werden (§ 71 GEG). Dieser Anforderung werden laut Gebäudeenergiegesetz (GEG) beispielsweise Heizungen mit Wärmepumpen gerecht, aber auch Heizungen, die mit fester Biomasse (Holz) betrieben werden.
Tatsächlich gilt die 65-Prozent-Regelung bislang in genereller Form nur für Neubauten in Neubaugebieten. Außerhalb von Neubaugebieten soll sie in Kommunen mit mindestens 100.000 Einwohnern spätestens ab dem 1. Juli 2026 gelten, falls diese nicht bereits vorher ihre kommunale Wärmeplanung abgeschlossen haben, für Kommunen unter 100.000 Einwohnern gilt die 65-Prozent-Regelung spätestens ab dem 1. Juli 2028. Hat eine Kommune bereits ihre kommunale Wärmeplanung abgeschlossen und eine Entscheidung zur Gebietsausweisung für z. B. ein Wärmenetz getroffen, die einen kommunalen Wärmeplan berücksichtigt, ist der Einbau von Heizungen nach der 65-Prozent-Regelung verbindlich.4
Diese detaillierten und für Außenstehende möglicherweise willkürlich erscheinenden Bestimmungen dürften im Verbund mit der ohne intensives Informieren a priori bestehenden Unklarheit darüber, welche Heizungstechnologien in Zukunft erlaubt sind, noch immer für sehr große Verunsicherung in der Bevölkerung sorgen. Zusammen mit der niemals zu beseitigenden Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Energiepreise für Öl, Gas und Strom sowie weiteren Faktoren, wie zum Beispiel der Risikoscheue weiter Teile der Bevölkerung, könnte diese Verunsicherung für die massive Installation von rund 0,9 Mio. neuer Gas- und Ölheizungen im Jahr 2023 und den Rekordzubau von über 1,3 Mio. neuer Heizungen gesorgt haben. Diese Zahlen deuten auf einen teilweise vorzeitigen Austausch noch funktionierender Heizungen hin, eine Vorziehreaktion, die bereits vor der Einführung des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes in Baden-Württemberg im Jahr 2010 zu beobachten war.
Die Vorziehreaktion erscheint noch verständlicher angesichts der Tatsache, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung das faktische Verbot von Öl- und Gasheizungen ablehnt. So wurden die im Rahmen des 2021 etablierten Wärme- und Wohnen-Panels rund 15.000 Befragten nach ihrer Einstellung zu einem (faktischen) Einbauverbot neuer Öl- und Gasheizungen ab dem Jahr 2024 gefragt (Frondel et al. 2022). Diese Maßnahme wurde zu dem Zeitpunkt der dritten Panel-Befragung im Jahr 2023 gerade stark diskutiert. Ein Einbauverbot ab dem Jahr 2024 wurde von 58,3 % der Antwortenden abgelehnt (Frondel et al. 2024). Lediglich 25,8 % der Antwortenden befürworteten ein Verbot ab 2024. Nach einer forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv lehnen sogar 78 % der Bundesbürger das Verbot ab, das ab 2024 den Einbau von Öl- und Gasheizungen untersagt (ntv 2023).5 Nur 18 % halten den Schritt für richtig.
Es wäre angesichts der weit überwiegenden Ablehnung der Bevölkerung klüger und darüber hinaus ökonomisch vorteilhafter gewesen, wenn die Regierung das faktische Verbot fossiler Heizungen nicht erlassen und die Wärmewende dem ab dem Jahr 2027 startenden EU-Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr überlassen hätte. Bereits heute ist gesetzlich festgelegt, dass dieser zweite EU-weite Emissionshandel zum bestehenden Emissionshandel für die Sektoren Industrie und Energiewirtschaft hinzukommen soll.
Mit Hilfe dieses zweiten Emissionshandels werden die Emissionen der beiden Sektoren Verkehr und Wärme gedeckelt und können entlang politischer Vorgaben sukzessive und in kosteneffizienter Weise gesenkt werden: Die Emissionen würden dort in Europa vermieden, wo es am kostengünstigsten ist. Die kostengünstigsten CO2-Einsparungen dürften jedoch kaum in der energetischen Sanierung von deutschen Altbauten und in deren Ausstattung mit Wärmepumpen liegen. So schätzte der Umweltökonom Joachim Weimann (2021) die Kosten, die beim Einsatz von Wärmepumpen pro eingesparter Tonne CO2 entstehen, auf rund 600 bis 1300 € – je nachdem, ob eine Öl- oder eine Erdgasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt wird. Zum Vergleich: Der Preis für CO2-Emissionszertifikate im seit 2005 bestehenden EU-Emissionshandel lag bislang nie nennenswert über 100 € je Tonne (Abb. 3).
Maßnahmen, die nicht im Rahmen dieses zweiten Emissionshandels auf kostengünstige Weise ergriffen, sondern zusätzlich auf nationaler Ebene verordnet würden, würden die Treibhausgasvermeidung allenfalls teurer machen, aber im EU-weitem Maßstab nichts zur Verringerung der Emissionen beitragen: Die durch zusätzliche nationale Maßnahmen freiwerdenden Zertifikate werden von den am zweiten Emissionshandel beteiligten Inverkehrbringern fossiler Brenn- und Kraftstoffe erworben, wodurch andernorts in der Europäischen Union die Emissionen höher ausfallen. Ohne die Löschung der durch eine zusätzliche nationale Maßnahme freiwerdenden Zertifikate würden die Emissionen innerhalb der Europäischen Union verlagert, im EU-weiten Maßstab aber nicht verringert (Wasserbetteffekt).
Die Wärmewende in Deutschland über das Knie brechen zu wollen, weil in der Vergangenheit dafür zu wenig getan worden ist, könnte sich durch die Etablierung des zweiten Emissionshandels als ebenso teuer wie nutzlos herausstellen. Die Wärmewende sollte in Deutschland auch vor diesem Hintergrund nicht überstürzt werden. Vielmehr sollte man sich ein Beispiel an der behutsamen Wärmewende Dänemarks nehmen, die bereits nach den Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre eingeleitet wurde und erst in der vergangenen Dekade in ein Verbot fossiler Heizungen mündete, als diese nur noch wenig verbreitet waren.
In Deutschland hingegen gilt das faktische Verbot für den Einbau von konventionellen Heizungen auf Basis fossiler Brennstoffe innerhalb weniger Jahre. Dadurch wird der von der seit 2021 existierenden nationalen CO2-Bepreisung betroffene Gebäudesektor zusätzlich reguliert – und das auf unnötig teure Weise. Zu bedenken gilt dabei: Wenn sich Treibhausgase in anderen Sektoren deutlich kostengünstiger reduzieren lassen als durch den Austausch von Heizungen, ist dies für den Klimaschutz ebenso wertvoll.
Dass die Emissionen im Gebäudesektor nur langsam sinken, liegt an den hohen Kosten von energetischen Modernisierungen und den dadurch bedingten langen Investitionszyklen. Gerade deshalb ist es jedoch der falsche Weg, den Gebäudesektor mit teuren Maßnahmen wie Verboten, die die individuelle Freiheit von Eigentürmen deutlich einschränken, zu belasten – und davon sind Mieter wegen der Möglichkeit der Weitergabe der Kosten ebenso betroffen wie Eigentümer.
Spätestens ab dem Jahr 2030, wenn der separate EU-Emissionshandel ETS II für die Sektoren Verkehr und Wärme erfolgreich etabliert sein dürfte, sollte es idealerweise weder zusätzliche nationale Maßnahmen noch sektorspezifische Ziele für diese beiden Sektoren geben, auch nicht auf europäischer Ebene, um die Kosteneffizienz dieses zweiten Emissionshandels nicht zu unterminieren. Langfristig wäre es aus Effizienzgründen wünschenswert, dass die beiden Emissionshandelssysteme ETS I und ETS II zu einem einzigen Handelssystem zusammengelegt werden, sodass eine separate Emissionsobergrenze für die Sektoren Verkehr und Gebäude, wie sie aus dem ETS II resultiert, obsolet würde.
Danksagung
Ich danke Tim Bergmann, Marielena Krieg und Eva Yang für wertvolle wissenschaftliche Vorarbeiten sowie anonymen Gutachterinnen und Gutachtern für hilfreiche Kommentare und Anregungen. Mein ganz besonderer Dank gilt dem Wirtschaftsrat der CDU e.V., der diesen Beitrag gefördert hat.
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Der Mechanismus reduziert die jährlichen Auktionsmengen, wenn zu viele Zertifikate im Umlauf sind, oder er stockt die Zertifikatsmenge in begrenztem Maße auf, wenn es zu wenige Berechtigungen im Markt gibt. Dies ist der Fall, wenn die Schwelle von 400 Mio. Berechtigungen unterschritten wird. Umgekehrt werden dem Markt Zertifikate entzogen, wenn die im Umlauf befindliche Zertifikatsmenge die Schwelle von 833 Mio. Berechtigungen überschreitet.
Falls die 65-Prozent-Regelung noch nicht greift, dürfen weiterhin Heizungen eingebaut werden, die rein mit fossilem Öl oder Gas betrieben werden. Es besteht jedoch vorab eine verbindliche Informationspflicht – denn mit dieser Entscheidung sind wirtschaftliche Risiken verbunden. Darüber hinaus müssen die Heizungen ab dem Jahr 2029 einen steigenden Anteil an Biomethan oder grünen oder blauen Wasserstoff nutzen.
Während beide Umfragen, sowohl die für RTL und ntv als auch die Panelerhebungen für das Wärme- und Wohnen-Panel, von forsa durchgeführt werden, ergeben sich Unterschiede in den Ergebnissen dadurch, dass das Wärme- und Wohnen-Panel mit rund 10.000 Eigentümern, aber nur 5000 Mietenden absichtlich nicht repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland ist. Die für das Wärme- und Wohnen-Panel Befragten sind im Durchschnitt gebildeter und einkommensstärker als der Durchschnitt der Bevölkerung.