Dass das Steuerrecht nicht nur eine trockene Materie ist, zeigen zum Teil sehr kuriose Fälle deutscher Finanzämter und Gerichte. Um möglichst wenig an den Staat abführen zu müssen, führen manche Steuerpflichtige sogar ein Toilettentagebuch oder wollen Überwinterungskosten in Thailand absetzen.
Die jährliche Steuererklärung ist für Unternehmer und Bürger nur eine lästige Pflicht. Doch wenn es darum geht, dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen, zeigen Steuerzahler plötzlich ungeahnte Kreativität. Schon lange gehören Steuergestaltungen zum Unternehmensalltag - sofern sie legal bleiben. Dabei müssen sich Finanzämter und Gerichte immer wieder mit ungewöhnliche Fragen und merkwürdigen Sachverhalten befassen - in der Vergangenheit wie heute.
Steuern sparen mit dem Toilettentagebuch
Zu diesen gehört unter anderem ein Gerichtsurteil zum sogenannten Toilettentagebuch. Im Zentum des Falles stand ein Betriebsprüfer, der die Renovierungskosten des häuslichen Arbeitszimmers sowie der Gästetoilette als Werbungskosten gelten machen wollte. Die Richter mussten nicht nur entscheiden, ob das Arbeitszimmer der Mittelpunkt seiner betrieblichen und beruflichen Betätigung, sondern auch, ob die Erhaltungsaufwendungen für eine Toilette beruflich veranlasst waren. Um die berufliche Nutzung nachzuweisen, hatte der Kläger sogar buch über die Gänge zum Lokus geführt. Allerdings blieben seine Bemühungen ohne Erfolg. Das Finanzgericht Baden-Württemberg lehnte den Werbungskostenabzug ab (Urteil vom 21. Januar 2013, 9 K 2096/12).
Mit einem besonderen Fall befasste sich unlängst das Finanzgericht Münster (Urteil vom 23. Februar 2022, 7 K 2261/20 E): Es hatte zu entscheiden, ob die Überwinterungskosten in Thailand außergewöhnliche Belastungen des Klägers darstellen. Dieser litt unter einer progredienten Erkrankung und legte eine amtsärztliche Bescheinigung vor, die bestätigte, dass sein Aufenthalt "in den Wintermonaten in tropischem Klima aus gesundheitlichen Gründen" erfolge. Die Richter stellten klar, dass Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typischerweise außergewöhnliche Belastungen darstellen. Im vorliegenden Fall war allerdings nicht eindeutig abgrenzbar, ob diese ihrer Art nach nur der Heilung oder Linderung der Krankheit dienten. Dem Gericht fehlte in diesem Fall aber eine ausreichende Abgrenzung zu einer Erholungsreise.
Urteil über belegte und unbelegte Brötchen
Auch bei der Lohnsteuer gibt es Urteile, die die Unzulänglichkeiten des Steuerrechts offenbaren: So haben Richter klären müssen, wann ein Frühstück tatsächlich ein Frühstück ist. In diesem Zusammenhang stellte zum Beispiel der Bundesfinanzhof klar, dass unbelegte Brötchen mit einem Heißgetränk nicht als Frühstück zu werten sind. Hat das Brötchen allerdings einen Aufstrich oder gibt es dazu einen anderen Belag, sieht der Fall schon wieder anders aus (Urteil vom 3. Juli 2019, VI R 36/17).
Diese Beispiele der jüngeren Steuergeschichte zeigen, dass das Steuerrecht und die Urteilsbegründungen der Gerichte manchmal merkwürdig, oft unverständlich oder einfach unfreiwillig komisch sind.
Steuerrecht im historischen Kontext
Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dies kein neues Phänomen ist. Bereits früher gab es Besonderheiten, die aus heutiger Sicht merkwürdig erscheinen. In dem Buch "Von der Aufruhrsteuer bis zum Zehnten" stellt Springer-Autor Reiner Sahm verschiedene Anekdoten vor.
Zu den obskuren Steuergeschichten der Historie zählen unter anderem
- Das Anzugsgeld: Manch ein Manager würde heute wohl entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn die Bundesregierung das Anzugsgeld einführen würde. Im Mittelalter ging es jedoch nicht um Kleidung. Das Anzugsgeld war laut Sahm eine Lokalabgabe für das Niederlassungsrecht und das Erlangen des Bürgerrechts.
- Die Bartsteuer: Wer 1699 in Russland einen Bart tragen wollte, musste hierfür die sogennnte Bartsteuer bezahlen. Peter I. wollte westliche Lebensformen in Russland heimisch machen. Da viele Männer damals aus religiösen Gründen lange Bärte trugen, bediente sicht der Monarch dieser Steuer - wenn er nicht sogar selbst zur Schere griff und die Bärte seiner Untertanen abschnitt.
- Die Dachsteuer: Nicht nur aktuellen, sondern auch in der Geschichte versuchten Bürger bei der Steuererhebung für Grundbesitz möglichst wenig abzuführen. Dabei griffen sie auch zu rabiaten Maßnahmen: Kaiser Josef II. nahm Ende des 18. Jahrhunderts die Größe der Dachfläche als Grundlage für die Steuerhöhe - mit dem Ergebnis, dass viele Gebäude verfielen, da die Bürger die Dächer abdeckten.
- Die Dummensteuer: Muss man für Dummheit bezahlen? Jein. Der Begriff wurde von Professor Gerd Rose geprägt für Fälle, in denen Laien aufgrund von Unwissenheit steuerliche Privilegien nicht nutzen.
- Die Fahrradsteuer: Wer 1899 in Bremen und Hessen ein Fahrrad besaß, musste eine Fahrradkarte beantragen. Hierauf wurde eine Stempelsteuer, die zum Beispiel in Hessen fünf Mark kostete, erhoben.
Die voliegenden Beispiele machen klar, dass selbst eine Aus- und Fortbildung im Steuerwesen nicht immer zu verlässlichen Aussagen führt. Es gibt unzählige Fragen nicht nur zum deutschen, sondern auch zum europäischen und internationalen Steuerrecht, die Forschung, Politik, Finanzämter und Gerichte noch zu lösen haben.