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05.11.2019 | Steuerrecht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Untaugliche Steuervergünstigungen kosten Milliarden

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Ein Forscherteam hat in einer aktuellen Studie Steuervergünstigungen in Deutschland untersucht. Viele der Maßnahmen, vor allem aus dem Energiebereich, verfehlen ihr Ziel, sind intransparent, nicht nachhaltig – und kosten Milliarden Euro.  

Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verpflichtet die Bundesregierung jährlich einen Wirtschaftsbericht vorzulegen. "Alle zwei Jahre soll zudem ein Subventionsbericht die Entwicklung der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen transparent machen. Dieser Bericht ist den parlamentarischen Gremien gemeinsam mit dem jeweiligen Haushaltsgesetz zuzuleiten", schreibt Christoph Brüssel im Buchkapitel "Vom Magischen Viereck über ein Sechseck zum Vieleck" auf Seite 76.

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Auf die Steuervergünstigungen hat nun die Wissenschaft einen intensiven Blick geworfen. Eine Forschergruppe analysierte insgesamt 33 Maßnahmen aus den Bereichen Energie- und Stromsteuer, Kraftfahrzeug- und Einkommenssteuer im Umfang von rund 7,4 Milliarden Euro. Bewertet wurden die Regelungen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, Relevanz, Nachhaltigkeit, instrumentelle Eignung und Transparenz. Der Befund der Analyse: Nur sechs Regelungen mit einem Gesamtvolumen von rund 2,7 Milliarden Euro erhielten die Schulnote "gut". 

Zehn Steuervergünstigungen durchgefallen

Zehn Maßnahmen in Höhe von zusammen 1,8 Milliarden Euro fielen bei den Wissenschaftlern hingegen durch. Die meisten gehören zum Energiesektor, der größten untersuchten Kategorie. Hier empfiehlt das Expertenteam von FiFo Köln, ZEW Mannheim, Ifo Institut und Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (Fraunhofer FIT), die Regelungen dringend anzupassen oder gleich ganz abzuschaffen.

Moniert wurden zum Beispiel Energiesteuerbegünstigungen für Unternehmen nach § 54 EnergieStG, aber auch für den ÖPNV, den Schienenbahnverkehr sowie Seehäfen. "Die Energiesteuer in Deutschland ist eine wichtige Verbrauchsteuer mit dem Ziel, den Verbrauch von Energieträgern wie Benzin, Öl, Kohle und Gas steuerlich zu regulieren. Mit über 40 Milliarden jährlich füllt sie außerdem die Staatskasse in beachtenswertem Umfang", erklärt Stefan Georg in der Einleitung des Buchkapitels "Energiesteuer". Mithilfe von Steuerbegünstigungen lasse sich der Einsatz umweltfreundlicher Technologien fördern, erläutert der Springer-Autor ein wichtiges Ziel der Maßnahmen. "Diese Steuerbegünstigungen treten entweder in Form einer Steuerbefreiung oder in einer vollständigen oder teilweisen nachträglichen Entlastung von der Energiesteuer auf."

Maßnahmen sind oft nicht nachhaltig

Allerdings stellten die Forscher gerade der Steuervergünstigung für Unternehmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit mit der Note "schwach" ein schlechtes Zeugnis aus. Schlechter bewerten sie nur noch die Regelungen für den Warenumschlag in Seehäfen, der bei Nachhaltigkeit ein "ungenügend" erhielt. Aber auch die Steuervergünstigungen für die Schiene sind mit einem "ausreichend" gerade so akzeptabel.

Ebenfalls schlechte Noten gab es für die Transparenz vieler Maßnahmen. 19, darunter drei aus dem nur fünf Regelungen umfassenden Bereich Wohnungswesen und Städtebau, erhielten ein "ausreichend", "schwach" oder "ungenügend".

Steuermaßnahmen mit unterschiedlichen Zielen

Insgesamt, so betonen die Forscher, sei die Zielsetzung der untersuchten Vergünstigungen sehr heterogen. Hierzu gehören unter anderem Regelungen mit Blick auf

  • Klimaschutz,                                                                          
  • internationale Wettbewerbsfähigkeit,
  • Wohnungsbau,
  • Kultur- und Denkmalschutz,
  • Vermögensteilhabe,
  • Förderung des öffentlichen Verkehrs und Schiffsverkehrs
  • und Agrarförderungen.

Ein einheitliches Scoring-System sowie die Einteilung der Steuerbegünstigungen nach Sachzusammenhängen in insgesamt fünf Teilbereiche machen die einzelnen Ergebnisse der Evaluierungen laut Studie vergleichbar und vor allem quantifizierbar. So hat das Fraunhofer FIT für alle 33 untersuchten Steuervergünstigungen die Einnahmenverluste für die öffentlichen Haushalte ermittelt. Das Ergebnis: Der Staat muss mit Steuermindereinnahmen bei den betrachteten Einzelmaßnahmen zwischen knapp einer Million und deutlich mehr als einer Milliarde Euro im Jahr rechnen. 

"Von ganz klein bis ganz groß – mit teils sehr unterschiedlichen Zahlen an direkt von der Vergünstigung erreichten Personen und Unternehmen: Eine solide Quantifizierung bildet den zentralen Maßstab für die politische Würdigung. Sie erlaubt es allen Bürgerinnen und Bürgern für sich festzuhalten, ob die Ergebnisse auch das aufgewandte Steuergeld wert sind", so Sven Stöwhase, Leiter des Quantifizierungsteams beim Fraunhofer IT.

Viele Vergünstigungen sind unverzichtbar

"Aber Licht und Schatten liegen dicht beieinander", erläutert  FiFo-Chef und Untersuchungsleiter Michael Thöne das Ergebnis der Untersuchung. Gerade bei Abgaben im Energie- und Stromsektor habe man große Vergünstigungen, die weiterhin unverzichtbar sind. So fordert zum Beispiel ZEW-Ökonomin Daniela Steinbrenner, dass die Politik für eine nachhaltig finanzierbare Klimapolitik künftig auf eine zielgenauere Ausgestaltung bei den gewährten Vergünstigungen achten müsse. 

Kritik gab es auch an den Steuervergünstigungen im Bereich der Einkommensteuer für die Gewerbliche Wirtschaft. Hier stünden Ziele und Wirkungen der einzelnen Instrumente "leider nur selten im Einklang", konstatierte Florian Neumeier vom Ifo Institut. "Die meisten der gewährten Vergünstigungen verfehlen ihre Absicht oder führen gar zu Mitnahmeeffekten."

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