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26.04.2021 | Storytelling | Interview | Online-Artikel

"Ohne Daten gibt es keine Geschichten"

verfasst von: Johanna Leitherer

4:30 Min. Lesedauer
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Interviewt wurde:
Dr. Hans-Wilhelm Eckert

ist Inhaber der Kommunikationsberatung Momentum Communication. Sein Fokus liegt auf daten- und technologiegetriebenen Branchen, insbesondere Finance und IT.  

Effektives Storytelling fußt auf einer Datenstrategie, sagt Springer-Autor Hans-Wilhelm Eckert im Interview mit Springer Professional. Er erklärt, warum mangelnde Datenkompetenz und globale Gefahren zu den größten Herausforderungen zählen.

Springer Professional: Herr Dr. Eckert, verraten Sie uns als Springer-Autor des Buchs "Storytelling mit Daten": Warum sind Daten beim Storytelling hilfreich? Oder anders gefragt: Ist es in Zukunft überhaupt noch möglich, ohne Daten wirkungsvolle Geschichten zu erzählen?

Hans-Wilhelm Eckert: Ohne Daten gibt es keine Geschichten. Oder anders ausgedrückt: Storytelling ist Datenverarbeitung für Menschen. Geschichten lösen bei uns die emotionalen Reize aus, durch die wir erst in der Lage sind, uns Dinge zu merken, daraus zu lernen und sie weiterzuverbreiten.

Mit der digitalen Transformation kommt etwas Neues hinzu: Sie liefert uns Daten, die von Maschinen erzeugt, verarbeitet und verbreitet werden. Für diese Daten haben wir keine eigenen Verarbeitungsmechanismen. Wir müssen sie erst übersetzen. Das heißt konkret: Wir müssen sie in einen Kontext setzen, der aus unseren Geschichten besteht und diese Daten dort einbettet. Das ist das Kernthema von Storytelling mit Daten. Dazu brauchen wir entsprechende Kompetenzen, die sich am besten mit dem Begriff Data Literacy, also Datenkompetenz, beschreiben lassen. Das ist eine Schlüsselkompetenz des digitalen Zeitalters.

Empfehlung der Redaktion

2021 | Buch

Storytelling mit Daten

Erkenntnisse gewinnen, Strategie entwickeln und Unternehmenskommunikation auf ein neues Level heben

Dieses Buch zeigt, welche Rolle Daten für Kommunikation und Marketing spielen und wie sie als wichtige Quelle für das Storytelling genutzt werden können. Denn Daten beflügeln als Rohstoff des digitalen Zeitalters die Unternehmensstrategie. Sie ermöglichen – sofern sauber gesammelt, interpretiert und aufbereitet – neue und mitunter überraschende Einblicke in Zusammenhänge und bieten die Chance, daraus spannende Geschichten zu entwickeln.

Datensammeln ist das eine, sie produktiv für das Storytelling zu verwerten das andere. Worauf kommt es dabei an?

Wir haben heute ein Luxusproblem, nämlich eine Unmenge an Daten. Eigentlich ein Paradies für das Storytelling. Aber wie das so ist mit dem Luxus: Er kann auch satt und träge machen. Deshalb ist Fokussierung so wichtig. Wir müssen entscheiden, welche Daten für welche Erkenntnis relevant sein können. Dafür brauchen wir präzise Fragestellungen.

Wichtig ist am Anfang dabei, die richtigen Fragen zu formulieren: Was möchte ich eigentlich wissen? Wie können uns Daten dabei helfen, die Unternehmensziele zu erreichen? Daraus lässt sich dann eine Strategie entwickeln, die im besten Fall in eine Datenstrategie mündet. Oft setzen wir dabei allerdings am falschen Ende an. Wir haben einen Datenpool und fragen uns, was wir denn damit machen können. Dann sind wir im negativen Sinn datengetrieben.

Storytelling lebt auch von der optischen Aufbereitung. Welche Rolle spielen Daten in diesem Zusammenhang?

Der Mensch ist ein visuelles Wesen. Unsere Datenleitung von den Augen zum Gehirn ist die kürzeste und schnellste. Deshalb kommt dem visuellen Storytelling auch so eine große Bedeutung zu. Erstaunlicherweise ist aber das Visualisieren von Daten eine relativ junge Disziplin. Lange Zeit hat man Datenkolonnen in Tabellenform als einzig wahre, weil exakte Form der Aufbereitung betrachtet.

Dabei hilft uns das Visualisieren von Daten beim Erkennen von Mustern. Unser Hirn ist bestens darauf trainiert, solche Muster zu erkennen. Das hat uns im Lauf der Evolution das Überleben gesichert. Heute kann uns eine gut aufbereitete Visualisierung von Daten Erkenntnisse liefern, die wir in den Datenreihen nicht entdeckt hätten. Gerade die Ausbreitung digitaler Kanäle treibt diese Form des Geschichtenerzählens an. Vor allem der Datenjournalismus hat entscheidend dazu beigetragen, spannende Formate und neue Formen der Darstellung zu entwickeln.

Allerdings warnen Sie auch vor falschen Gewissheiten und bewussten Manipulationen durch Daten. Wo lauern die Gefahren?

Eigentlich an jeder Ecke. Gerade weil wir heute den Daten so große Macht zusprechen, sollten wir uns auch der negativen Folgen bewusst sein. Da ist erst einmal die vermeintliche Objektivität von Daten. Wir unterstellen ihnen eine Exaktheit, die oft gar nicht existiert. Das ist riskant. Als Historiker habe ich gelernt, kritisch mit Quellen umzugehen. Das sollten wir auch bei Daten machen, uns also fragen: Welche Qualität haben die Daten, mit welcher Intention wurden sie erhoben und welche Verzerrungen enthalten sie womöglich?

Weitere Gefahren lauern beim Auswerten. Wir sind uns der Fallstricke unserer eigenen Wahrnehmung oft nicht bewusst. Wir Menschen sind ja nicht nur Meister der Mustererkennung, sondern auch großartige Sinnstifter. Wir erkennen sogar Sinn in Dingen, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Wir erliegen vermeintlichen Gewissheiten, weil wir zu schnelle und oftmals falsche Schlussfolgerungen ziehen.

Und dann ist da noch die dunkle Seite: Damit meine ich das, was uns Cambridge Analytica mit dem Hack der Facebook-Daten drastisch vorgeführt hat, nämlich, dass Daten sehr wirksam zur bewussten Manipulation genutzt werden können. Darin sehe ich die größte Bedrohung, gerade weil die größten Datenmengen in den Händen weniger Konzerne sind.

Inwieweit wirkt sich also der Datenschutz auf den Dateneinsatz beim Storytelling aus?

Für das Storytelling sehe ich das Thema Datenschutz positiv. Die Cookie-Welt der Werbung hat uns dazu verführt, das Performance-Marketing überzubetonen, einfach weil wir die Daten haben. Wir haben uns in den vergangenen Jahren dabei zu stark auf den Einfluss des letzten Klicks und damit auf einen sehr kurzen Moment der Customer Journey konzentriert. Wenn wir nun die Post-Cookie Ära einleiten, etwa durch Googles Federated Learning of Cohorts (FLoC), ist das aus meiner Sicht eine echte Chance für das Storytelling. Denn dann können wir den Fokus stärker wieder auf den Kontext und auf eine ganzheitliche Betrachtung der Kundenbeziehung legen. Weniger die Kanäle als vielmehr die Interessen und Bedürfnisse der Kunden rücken damit wieder in den Vordergrund – und bieten beste Ansätze für das Storytelling.

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