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17.04.2019 | Strategieentwicklung | Interview | Online-Artikel

"Jedes Unternehmen sollte seine Transformationsstrategie definieren"

3:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Prof. Dr. Thomas Hess

ist Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der LMU München.

Es fällt Unternehmen schwer, eine Strategie für den digitalen Wandel zu entwickeln. Das liegt teilweise am Management, aber auch an dem Problem, Ideen aus der Belegschaft zu generieren, so der Wirtschaftsinformatiker Thomas Hess. Er empfiehlt drei Dinge.

Springer Professional: Was kennzeichnet die digitale Transformation?

Thomas Hess: Die Nutzung digitaler Technologien durch Unternehmen ist grundsätzlich nicht neu. Schon in den 70er Jahren haben viele Unternehmen digitale Lösungen eingesetzt, um zum Beispiel die Administration effizienter zu machen. Heute sind die von digitalen Technologien ausgehenden Chancen und Risiken aber wesentlich größer. Nun geht es bei der digitalen Transformation weniger um Effizienz im Backoffice als um neue Produkte, digitalisierte Prozesse oder komplett veränderte Geschäftsmodelle. Plastisch sieht man diese Entwicklung etwa bei der Bedeutung digitaler Technologien für Automobilhersteller. Früher ging es dort primär um Prozessoptimierung, heute vorrangig um die Nutzung digitaler Technologien im Auto und neue Mobilitäts-Konzepte.

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Digitale Transformation strategisch steuern

Vom Zufallstreffer zum systematischen Vorgehen

Digitalisierung und digitale Transformation sind nicht nur ein Thema der Medien, sondern finden auch real in den Unter­nehmen statt. Der digitale Wandel tangiert die unterschiedlichsten Felder, von der Beschaffung bis zum Vertrieb und von der Organisation bis zur Strategieentwicklung.


Warum tun sich viele Unternehmen schwer damit, die Transformation gezielt zu steuern?

Bis vor wenigen Jahren hat es in vielen Branchen ausgereicht, dass Thema IT an eine spezialisierte Backoffice-Einheit zu delegieren und kostenorientiert zu steuern. Heute reicht dies aber in der Regel nicht mehr aus. Viele Unternehmen haben aber noch nicht die Managementstrukturen, die vor dem Hintergrund der deutlich gesteigerten Bedeutung digitaler Technologien erforderlich sind. Zudem fehlen in vielen Unternehmen noch, die für die Bewältigung der digitalen Transformation erforderlichen Kompetenzen, oder anders ausgedrückt: Mit dem Outsourcing der IT kennt man sich aus, ebenso mit der Einführung von Standardsoftware. Methoden für die Analyse der Kundenschnittstellen kennt man aber nicht, genauso wenig die Chancen und Risiken des Cloud-Computing für die Flexibilisierung der IT-Landschaft.  

Wie können Unternehmen die nötigen Strukturen aufbauen, um die Digitalisierung systematisch anzugehen?

Erforderlich sind drei Dinge. Als erstes ist es wichtig, dass das Thema von der Unternehmensleitung aktiv und klar vorangetrieben wird – eine Organisation merkt schnell, wie ernst es dem Management mit der digitalen Transformation ist. Daneben sollte jedes Unternehmen seine spezifische Transformationsstrategie definieren und stetig weiterentwickeln. Diese gibt der Organisation Orientierung, hilft bei der Bewertung konkreter Projektideen und gewährleistet, dass unterstützende Faktoren wie etwa die Anpassung der IT-Landschaften oder die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur, nicht vergessen werden. Ebenso muss ein Unternehmen das Thema sichtbar in der Organisation verankern, zum Beispiel - aber nicht immer zwangsläufig - durch die Einsetzung eines Chief Digital Officers oder etwa die Veranstaltung von "Hackathons" zur Ideenfindung.

Wie entwickeln Unternehmen eine Transformationsstrategie?

Typischerweise kombinieren Unternehmen Top-down- als auch Bottom-up-Ansätze bei der Entwicklung einer Transformationsstrategie. Top-Down bedeutet in diesem Kontext, dass die Unternehmensleitung neue Ansätze entwickelt, bei größeren Unternehmen oft unterstützt durch Stabsabteilungen. Bottom-up bedeutet, dass Mitarbeiter aus ihrer täglichen Arbeit Ideen generieren, nicht selten auch geprägt durch Erfahrungen mit digitalen Technologien im privaten Umfeld. Beide Ansätze sind unverzichtbar. Gerade mit den Bottom-up-Ansätzen tun sich viele etablierte Unternehmen schwer, erinnern diese doch zu Unrecht an das mäßig erfolgreiche betriebliche Vorschlagswesen.

Wie gelingt es Unternehmen, Wertschöpfungsstrukturen durch die digitale Transformation zu verändern?

Unternehmen können an den Produkten, der Kundenschnittstelle, den Prozessen oder am Geschäftsmodell ansetzen. Welcher Schwerpunkt am besten passt, das hängt von der spezifischen Situation im Unternehmen ab. So haben sich Medienunternehmen über viele Jahre intensiv mit Online-Services beschäftigt und wenden sich aktuell nun mehr ihren Prozessen zu. Anders sieht es bei den Versicherern aus. Deren Schwerpunkt lag lange auf der Automatisierung wichtiger Prozesse, nun geht es dort aktuell stark um Value-Added-Services und damit um Verbesserungen an der Kundenschnittstelle.

Wie können Unternehmen prüfen, ob sie bei der Digitalisierung strategisch in die richtige Richtung laufen?

Eine Reihe von Unternehmen greifen dafür auf sogenannte Reifegradmodelle zurück. Diese sollen darüber Auskunft geben, wie digital ein Unternehmen insgesamt beziehungsweise in einzelnen Bereichen ist. Mehr als einen allerersten Einstieg können diese Modelle aber nicht liefern. Ein Unternehmen, das die Chancen und Risiken digitaler Technologien systematisch adressieren will, kommt um eine tiefergehende Beschäftigung mit neuen Technologien und deren Potenzialen nicht herum. 

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