Personalabteilungen hatten in den vergangenen Jahren einiges zu stemmen. Sie waren in der Pandemie besonders gefordert und jetzt erhöhen Krisen und Transformationen den Druck weiter. Eine Studie prognostiziert eine HR-Abwanderungswelle.
HR-Manager in Deutschland sind überfordert und gestresst.
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Die Rolle des Human Resources Management (HRM) in Unternehmen wandelt sich stetig. Personalabteilungen sollen strategischer Business Partner der Geschäftsführung sein, Veränderungen begleiten, Personal entwickeln und im Recruiting punkten. Als wären diese betrieblichen Herausforderungen nicht genug, sorgt die aktuelle wirtschaftliche Krise im HR-Bereich weiter für Belastung.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie in Auftrag von Personio, einem Anbieter für HR-Software, unter rund 500 HR-Fachkräften aus Unternehmen mit zehn bis 2.000 Mitarbeitenden in Deutschland. Demnach stehen viele Personalabteilungen hierzulande unter zunehmendem Druck und sind durch zeitfressende Verwaltungsaufgaben stark belastet. Das wirkt sich gesundheitlich auf die HR-Manager aus. Laut Umfrage haben 38 Prozent der Fachkräfte in diesem Bereich in den vergangenen fünf Jahren bereits unter Burnout gelitten.
HR-Abwanderung droht
Die Belastungen im Human Resources Management sind inzwischen so hoch, dass Unternehmen dort mit einer großen Mitarbeiterfluktuation rechnen müssen. Die entstehenden Lücken werden allerdings schwer zu füllen sein. Denn es droht auch eine Abwanderungswelle aus der Branche. So überlegt mehr als ein Drittel (37 Prozent) der HR-Fachkräfte, diesem Sektor innerhalb des nächsten Jahres den Rücken zu kehren.
Denn für rund ein Drittel (29 Prozent) der Mitarbeitenden im Personalbereich hat die Arbeitsbelastung ein übermäßiges Level erreicht. Ein Viertel nennt zudem begrenzte Ressourcen und Budgets als große Schwierigkeit. Gleichzeitig gehören viele monotone Routine- und Verwaltungsaufgaben zum täglichen Repertoire der HR-Manager. Jede zweite HR-Fachkraft (51 Prozent) moniert, sich den Großteil der Arbeitszeit mit To-dos herumschlagen zu müssen, die spielend automatisiert werden könnten.
Dabei würden 85 Prozent der Befragten lieber die Personalentwicklung vorantreiben, jeweils 84 Prozent möchten gerne die Unternehmenskultur verbessern und mit der Unternehmensleitung an HR- und Geschäftsstrategien arbeiten. Doch da die Aufgaben und auch die Arbeitsmenge einfach nicht mehr passen, zudem 28 Prozent der Personaler erwarten, dass ihre Aufgabenliste in den nächsten fünf Jahren noch länger wird, suchen sie lieber das Weite.
HR-Manager fühlen sich nicht gewappnet
Das Überlastungsproblem im HR-Bereich ist nicht neu. Bereits eine dreijährige, vergleichende Untersuchung von Culture Amp, einer Plattform für Employee Experience und dem Thrive Research Hub der Monash Business School, der größten Universität Australiens, förderte Ähnliches zutage. Die Daten, die zwischen Juni 2020 bis Juni 2023 aus rund 9.900 Antworten weltweit befragter HR-Manager ermittelt wurden, darunter auch 296 Fachkräfte aus Deutschland, zeigen, dass sich Personaler hierzulande weniger in der Lage fühlen, Herausforderungen zu bewältigen als ihre internationalen Kollegen.
Während sich zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 etwa 45 Prozent der Personalverantwortlichen weltweit befähigt sahen, ihre persönlichen und beruflichen Herausforderungen zu bewältigen, sank die Zahl 2021 und 2022 auf 40 Prozent. Zwar pendelte sich 2023 der Anteil global wieder bei 44 Prozent ein, doch in Deutschland rutschte die Zahl auf 38 Prozent weiter ab. Personalern hierzulande fällt es im internationalen Vergleich also schwerer, die unterschiedlichen Anforderungen, die beruflich wie privat an sie gestellt werden, zu meistern.
Deutsche Personaler können berufliche Rolle nicht ausfüllen
Auch wenn sich HR-Fachkräfte in Deutschland inzwischen wieder resilienter erleben (2023: 57 Prozent | 2020: 31 Prozent), sehen sich aktuell weniger in der Lage, nämlich 42 Prozent der Befragten, ihrer beruflichen Rolle gerecht zu werden. Mehr als die Hälfte fehlt es am Arbeitsplatz an Unterstützung.
Wohl auch deswegen gelingt es nur mehr als einem Drittel (37 Prozent), von der Arbeit abzuschalten und Erholung zu finden. In Großbritannien stimmen dieser Aussage hingegen fast die Hälfte (49 Prozent) der Personalverantwortlichen zu. Aber die gute Nachricht zum Schluss: 60 Prozent der HR-Fachkräfte in Deutschland haben das Gefühl, dass ihre Arbeit einen positiven Einfluss auf ihr Unternehmen hat.
Entlastung für Personalverantwortliche schaffen
Dennoch sollten Unternehmen diese Umfrageergebnisse ernst nehmen, so Arne Sjöström, Lead People Scientist bei Culture Amp. Denn HR-Manager fühlen sich überlastet, überfordert und gestresst, "Diese Daten sollten ein klarer Aufruf an die Unternehmen sein, sich vermehrt um ihre HR-Teams zu kümmern und ihnen die nötige Unterstützung zu bieten. HR-Fachkräfte sollten sich in Erinnerung rufen, dass sie auf Selbstfürsorge achten müssen, um ihre eigene psychische Gesundheit zu schützen, damit sie ihre Organisation bei der Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen unterstützen können."
Mit dieser Auffassung steht Sjöström nicht alleine da. Auch HR-Expertin Thao Anh Cao wirft in einem Artikel, der in der Zeitschrift "Wissenmanagement" erschienen ist die, Frage auf, ob HR vor dem Burnout steht. Sie verweist auf einen Forbes-Bericht von Workvivo, demzufolge sich 98 Prozent der 520 in Großbritannien und den USA befragten HR-Mitarbeiter ausgebrannt fühlen. Sie rät unter anderem: "Um die HR-Mitarbeiter zu unterstützen, sie zu befähigen und zu binden, sollten ihnen zum einen angemessene Technologien, Werkzeuge, Budgets, Personal und Unterstützung durch Führungskräfte zur Verfügung gestellt werden."
Auch Lenke Taylor, Chief People Officer bei Personio, warnt: "Menschen treten in die HR-Funktion ein, um Unternehmen durch ihre Mitarbeitenden zum Erfolg zu führen. Doch die Realität ihrer täglichen Arbeit konzentriert sich oft mehr auf Papierkram und Prozesse. Diese Unzufriedenheit könnte dazu führen, dass Unternehmen einen Anstieg der Fluktuation im HR-Bereich erleben - gerade zu einem Zeitpunkt, an dem sie ihre Teams auf Höchstleistung sehen möchten."
Rückbesinnung gefordert: HR ist People Management
Es ist also höchste Zeit, sich auf die Potenziale von People Management im Hinblick auf aktuelle HR-Themen zu besinnen, urteilt auch die Wissenschaftlerin Margret Borchert von der Universität Duisburg. Die Professorin mit Schwerpunkt Personal und Unternehmensführung betont, dass People Management und Employee Experience eng miteinander verzahnt sind. Denn die Kernidee von Employee Experience bestehe darin, die Perspektive der Beschäftigten einzunehmen, um herauszufinden, welche Faktoren dazu beitragen, dass sie sich bei ihrem Arbeitgeber wohl fühlen.
Gleichzeitig müsse HR-Arbeit noch stärker strategisch verankert werden, so Personalexpertin Tatjana Zbinden. Nur so könnten die steigenden Ansprüche an den Wertschöpfungsbeitrag von HRM auch erfüllt werden. Es gelte, die HR-Strategie als integrativen Teil der Unternehmensstrategie zu erarbeiten und den Aufbau der notwendigen organisationalen Fähigkeiten ins Zentrum zu stellen. Denn sowohl durch das unabdingbare strategische Workforce Planning als auch durch soziale und ökologische Geschäftsperspektiven, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, wird HRM eine ganze andere Rolle bei der Entwicklung der Organisationswerte und -kultur einnehmen müssen.