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Open Access 2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Studie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht

verfasst von : H. Krcmar, O. Wintermann

Erschienen in: Digitale Transformation

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In einem 10-tägigen Zeitraum Mitte April 2020 nahmen insgesamt 211 Digitalisierungs-, Technologie- und KI-Experten aus Deutschland an der Online-Befragung teil.
Hinweise
im Rahmen der
„MÜNCHNER KREIS Zukunftsstudie VIII: Leben Arbeit Bildung“
Hierbei handelt es sich um den Begleittext im Rahmen der Studie „MÜNCHNER KREIS Zukunftsstudie VIII: Leben Arbeit Bildung“ (Krcmar, Wintermann, 2020), in gemeinsamer Herausgeberschaft mit der Bertelsmann Stiftung, dem MÜNCHNER KREIS e. V. und der TUM Campus Heilbronn gGmbH.

1 Anlass für die Sonderbefragung

Die Corona-Pandemie wird wahrscheinlich auch langfristig zu Veränderungen der Arbeitswelt, der Art des Arbeitens, den Orten des Arbeitens und der Zusammenarbeit von Menschen führen. Auf der betrieblichen Ebene wird dies zu notwendigen Anpassungen führen müssen. Gleichzeitig werden sich aber auch Kundenbeziehungen ändern. Bereits heute ist erkennbar, dass Unternehmen, die in den letzten Jahren die digitale Transformation ihrer Arbeits- und Produktionsweisen sowie ihrer Beziehungen zum Kunden verschleppt haben, durch die Auswirkungen der Pandemie deutlich negativer betroffen sind als Unternehmen, die die digitale Transformation schon aktiv begonnen hatten. Corona wird damit auch ganze Branchen und Geschäftsmodelle auf Dauer ändern. Wie sich dies schließlich volkswirtschaftlich auswirkt, ist im Moment noch nicht absehbar.
All diese Unsicherheiten – auf der individuellen, der betrieblichen und der volkswirtschaftlichen Ebene – waren Anlass genug, die 211 Teilnehmenden nach ihrer Einschätzung dieser Entwicklungspfade zu fragen, um auf diese Weise die Unsicherheit von politischen und wirtschaftlichen Entscheidern ein Stück weit zu adressieren und zu minimieren. Die Ergebnisse, so wie sie jetzt in dieser Sonderstudie zu finden sind, müssen nicht zwangsläufig und sicher eintreten; sie vermitteln dem Leser aber ein eindeutiges Lagebild und eine Ahnung davon, wie sich die Arbeitswelt weiterentwickeln und verändern könnte.

2 Methodensteckbrief

In einem 10-tägigen Zeitraum Mitte April 2020 nahmen insgesamt 211 Digitalisierungs-, Technologie- und KI-Experten aus Deutschland an der Online-Befragung teil.
Diese Expertinnen und Experten waren ursprünglich im Zuge des Delphi-Vorhabens der Zukunftsstudie VIII zur Beurteilung von KI-Technologien und deren Auswirkungen auf Leben, Arbeit und Bildung gewonnen worden. Aus diesem Pool von über 460 ausgewiesenen Expertinnen und Experten, die sich bereits intensiv mit der Frage der Bewertung der lang- und mittelfristigen Auswirkungen der Nutzung von Technologien beschäftigt haben, konnten dankenswerterweise noch einmal 211 Teilnehmer für die vorliegende Sonderbefragung gewonnen werden (Abb. 1).

3 Branchen – Gewinner und Verlierer

Welche der genannten Branchen werden aus Ihrer Sicht nach der Corona-Pandemie langfristig eher Gewinner oder Verlierer sein? (Abb. 2).

3.1 Befund

Auf die Frage nach Branchen, die als Gewinner oder Verlierer aus der Corona-Zeit hervorgehen werden, zeigt sich eine Dreiteilung in den Experteneinschätzungen. Während die Branchen IT und Telekommunikation, Gesundheit und Chemie/Pharmabranche im Wesentlichen und mit überwältigender Mehrheit als Gewinner betrachtet werden, werden die Branchen Kultur/Kulturwirtschaft, Tourismus/Freizeit, Automobil, Gastronomie und Luftfahrt als langfristige Verlierer gesehen.
Das Meinungsbild hinsichtlich der Gruppe Bildung, Transport/Verkehr, Versicherungen und Banken zeigt sich hingegen gemischt. Während im Sektor Bildung 55 % der Befragten die Branche als Gewinner der Krise einschätzen, sehen 11 % sie klar als Verlierer. In den Bereichen Transport und Versicherungen erwarten ein Viertel der Befragten die Branchen als Gewinner, bei den Banken sind es immerhin noch 14 %. Doch auch über 30 % negative Einschätzungen treffen die Sektoren Transport und Banken, während es für die Versicherungen nur 16 % sind.

3.2 Implikationen

Auffällig ist, dass die Automobilbranche weniger als starker Verlierer eingeschätzt wird als die anderen „Verlierer-Branchen“. Grund hierfür könnte sein, dass das Meinungsbild über die Auswirkungen der Corona-Pandemie hinaus auch eine allgemeine Brancheneinschätzung widerspiegelt und bei der Automobilindustrie kein ausgesprochener Effekt vermutet wird.
Überraschend ist die Einigkeit der Expertinnen und Experten bei den außen liegenden Gruppen, die als klare Verlierer oder Gewinner eingeschätzt werden. Zugleich zeigen die Ergebnisse aber auch die Notwendigkeit die weiteren Entwicklungen zu gestalten, insbesondere im Mittelfeld, welches die Experten unentschieden sehen.
In allen Fällen zeigt sich, dass den Einschätzungen der Experten kein Automatismus zugrunde liegt. Es ist davon auszugehen, dass es Gestaltungsaufgabe, wenn auch unterschiedlicher Art, ist in den einzelnen Branchen die Vorteile angemessen zu nutzen oder vermuteten Nachteile in anderer Form auszugleichen.
Es bleibt am Ende aber zu fragen, ob sich diese langfristige Einschätzung aus der derzeitigen Debattenlage ergibt und ob die erwarteten Änderungen tatsächlich auch langfristig Bestand haben werden. Es spricht einiges dafür, dass die „alte“ Branchensituation nicht mehr erreicht werden wird, da sich die Wahrnehmung der Branchen bei den Kunden grundsätzlich auch geändert hat.

4 Veränderungen in der eigenen Organisation

Wo spüren Sie – ausgelöst durch die Corona-Pandemie – aktuell die größten Veränderungen in Ihrer Organisation? (Abb. 3).

4.1 Befund

Auf die Frage wo die Expertinnen und Experten – ausgelöst durch die Corona-Pandemie – aktuell die größten Veränderungen in ihrer Organisation spüren, zeigen sich im Bereich interne Kommunikation (z. B. Webkonferenzen und andere digitale Tools) mit 79 % die stärksten Auswirkungen. Eine zweite Gruppe mit je etwa einem Drittel bezeichnet die Zusammenarbeit und das Verhalten der Mitarbeiter sowie die Kundenkommunikation (z. B. über neue Kanäle) als am stärksten von Veränderung betroffen. Geringere Änderungen zeigen sich in den Bereichen Finanzen/Controlling, Betrieb/Abwicklung, Management/Führung und Vertrieb.

4.2 Implikationen

Im Zusammenhang mit dieser Frage ist besonders der Befragungszeitraum interessant. Die Antworten wurden vom 15. bis 24. April gegeben, das heißt etwa einen Monat nach Beginn der staatlich vorgegebenen Einschränkungen. Die Antworten können deshalb als Hinweis auf die Veränderungsgeschwindigkeit in der Krise gelesen werden. Während die interne Kommunikation durch Webkonferenzen und digitale Tools sofort in virtueller Form umgesetzt wurde, sodass die Zusammenarbeit der Mitarbeiter vom Home-Office aus direkt möglich war, sind jedoch Veränderungen in Bereichen wie Kundenkommunikation, Controlling-Verfahren und Managementaufgaben weniger rasch umzusetzen.
Angesichts der öffentlichen Diskussion überraschend sind die Einschätzungen zur Auflösung der Präsenzkultur im Büro. Zwei Drittel gehen von der Auflösung aus, ein Drittel vermutet, dass dies nicht unbedingt der Fall sein muss. Dementsprechend liegt die Vermutung nahe, dass zukünftig keine einseitige Lösung das Arbeiten bestimmen wird, sondern eine Balance aus virtueller und physisch präsenter Bürokultur gefunden werden muss. Die Diversität der Arbeitsweisen wird als eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Corona-Krise in die „alte“ Arbeitswelt hineinreichen. In gleicher Weise interessant ist die Einschätzung einer doch recht geringen Änderung im Bereich der Wirtschaftsordnung/Wirtschaftsethik.

5 Langfristige Auswirkungen von Corona

Welche der folgenden wirtschaftlichen Entwicklungen werden auch nach der Corona-Pandemie Bestand haben? (Abb. 4).

5.1 Befund

Mit Fokus auf den langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie wurden die Experten nach wirtschaftlichen Entwicklungen befragt, die auch nach der Corona-Situation noch Bestand haben werden. Die Antworten lassen die Einteilung in drei Gruppen zu. Die erste Gruppe – die zu etwa zwei Dritteln von den Experten genannt wurde – umfasst Veränderungen mit Bestandscharakter im Bereich digitale Services, digitale Kundenkommunikation und Auflösung der Präsenzkultur im Büro. Diese wirtschaftlichen Veränderungen werden am stärksten als nach der Krise weiterbestehend eingeschätzt. Die zweite Gruppe – die ungefähr von der Hälfte aller Experten benannt wurde – besteht aus Entwicklungen, die im Bereich bargeldloses Zahlen und digitale Beratung weiter Bestand haben werden. Mit nur einem Viertel schätzen die wenigsten Experten die Veränderungen im staatlichen Eingreifen und der veränderten Wirtschaftsordnung als beständig ein.

5.2 Implikationen

Auch wenn die Zahlen für die erste Gruppe – digitale Services, digitale Kundenkommunikation und Auflösung der Präsenzkultur im Büro – außerordentlich hoch erscheinen, muss berücksichtigt werden, dass ein Drittel der Experten sich dieser Veränderungsmeinung nicht anschließt. Trotzdem kann aber vermutet werden, dass die Veränderungen, die bisher geschehen sind, in ihrem Nachwirken nicht zurückzudrehen sind.
Zudem stützt diese Einschätzung die bisherige Beobachtung, dass v. a. die nicht-produzierenden Unternehmen einen Nachteil durch den Shutdown erlitten haben könnten, die vorab in keiner Weise eine digitale Arbeits- und Vertrauenskultur etabliert hatten.
Welche der folgenden Trends werden auch nach der Corona-Pandemie Bestand haben? (Abb. 5).

6.1 Befund

Das Thema Corona-induzierter Trends wurde mit der Frage aufgegriffen, welche Trends auch nach der Corona-Krise noch Bestand haben werden. Ganz klar vorne sehen die Experten mit über 80 % auch nach der Krise den Fortbestand von neuen Arbeitskonzepten wie Virtual Conferencing und Home-Office. Doch auch gesellschaftliche Veränderungen, wie ein gesteigertes Bewusstsein für Infektionen und Krankheiten, werden von 70 % als bleibender Trend eingeschätzt. Weniger eindeutig ist das Meinungsbild mit jeweils rund 50 % Experten-Zustimmung beim Fortbestand virtueller Bildungsangebote, dem zukünftigen Einsatz von KI-gestützten Vorhersagen für Pandemien und einer zukünftig starken Nutzung neuer Tools für private digitale Kommunikation. Mit je 30 % und weniger Zustimmung wird der Fortbestand von Trends im Bereich Freizeit und Bildung, wie eine geringere Reiseaktivität, Nutzung virtueller Sportangebote, veränderte Tagesroutinen und Homeschooling, als eher unwahrscheinlich gesehen. Ebenso wird das weitere Bestehen von Trends im sozialen und ökologischen Bereich, wie gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung und Nachhaltigkeit, als unwahrscheinlich eingeschätzt.

6.2 Implikationen

An dieser Stelle ist auffällig, dass sowohl eine stärkere Orientierung an Nachhaltigkeit, ein damit verringertes Verkehrsaufkommen als auch die Stadtflucht nicht als fortbestehende Trends eingeschätzt werden. Das durch die Corona-Lage erzeugte Umdenken in der eigenen Alltagsgestaltung, welches beispielsweise Auswirkungen auf Nachhaltigkeit hat, scheint damit nicht als ein fortbestehendes Umdenken wahrgenommen zu werden. Hier muss allerdings insofern relativiert werden, als dass entscheidend sein wird, ob wirtschaftliche und politische Entscheider das Nachhaltigkeitspotenzial des digitalen Arbeitens erkannt haben und entsprechend nach Corona Initiativen, die diese Entwicklung weiter stützen könnten, fördern. Denn: Die starke Befürwortung von virtuellen Konferenzen und Home-Office als fortbestehende Trends zeigt eine Veränderungsbereitschaft auf, die künftig auch in der aktiven Gestaltung des Arbeitslebens genutzt werden kann.
Vor dem Hintergrund der Diskussion um Mobilitätstrends erscheint interessant, dass der Trend zu einem geringeren Verkehrsaufkommen hier als nicht nachhaltig erscheint. Das Verhältnis von öffentlichem Personennahverkehr und Privatverkehr, insbesondere in einzelgenutzten Automobilen, scheint noch nicht in der Einschätzung Eingang gefunden zu haben.
Auch die Einordnung von Stadtflucht als ein nicht fortbestehender Trend wird näher zu beobachten sein. Die Frage wie diese Trends sich auf die Fragestellungen der Bürgerpartizipation auswirken, ist im Gesagten noch nicht untersucht bzw. nicht berücksichtigt.
Dass Virtual Conferencing und Home-Office Bestand haben werden, liegt inzwischen nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit nahe. Das Einsparen betrieblicher Kosten durch Video-Conferencing und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben (jenseits einer in Corona erzwungenen Kombination beider Sphären) durch Home-Office sind eindeutige Vorteile sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.

7 Überwindung der Corona-Pandemie

Wann rechnen Sie mit einer Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie für Ihre Organisation?

7.1 Befund

Befragt nach dem Zeitpunkt der Überwindung von Folgen, die Organisationen aufgrund der Corona-Pandemie spüren, gehen mehr als die Hälfte der Expertinnen und Experten von einer Überwindung im Jahr 2021 aus. 20 % der Befragten rechnen bereits im Jahr 2020 mit der Überwindung der Folgen, weitere 20 % halten erst einen Zeitpunkt nach dem Jahr 2021 für wahrscheinlich.

7.2 Implikationen

Insgesamt rechnen über 70 % der Experten mit einer zeitnahen Überwindung der Corona-Folgen innerhalb der nächsten 18 Monate. Zudem rechnet keiner der Befragten mit einer unmöglichen Überwindung der Corona-Krise, beispielsweise durch Konkurs des Unternehmens. Im Gesamten spiegelt diese Frage damit eine eher optimistische Perspektive auf den wirtschaftlichen Umgang mit der Corona-Situation wider. (Abb. 6).

8 Aussagen zu New Work

Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zur Zukunft der Arbeit im Kontext langfristiger Änderungen durch die Corona-Pandemie zu?

8.1 Befund

Dem Themenkomplex um New Work nähert sich die Studie mit der Frage, inwiefern die Experten ihre Zustimmung zu Aussagen zur Zukunft der Arbeit im Kontext langfristiger Änderungen durch die Corona-Pandemie geben. Mit überwältigender Mehrheit von 92 % sehen die Expertinnen und Experten auch zukünftig Konferenztools als integralen Bestandteil täglicher Arbeitsroutinen. In diesem Zusammenhang gehen die Befragten mit 76 % Zustimmung von einer Virtualisierung von Präsenzformaten aus, was sich wiederum in der starken Zustimmung zu einem zukünftig räumlichen und zeitlich flexibleren Arbeitsleben ausdrückt. Dementsprechend wird die These einer nach Corona an Wichtigkeit gewinnenden Präsenzkultur mit 72 % der Antworten deutlich abgelehnt. Das neue Austarieren von Arbeits- und Privatleben halten die Experten mit 56 % Zustimmung für notwendig und sie erwarten ebenso, wenn auch mit nur 44 % Zustimmung gegenüber 18 % Ablehnung, die Entwicklung einer neuen Führungskultur von Kontrolle zu Vertrauen. Ob die Welt nach Corona wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen wird, beantworten sie unentschieden. (Abb. 7).

8.2 Implikationen

Die Expertinnen und Experten sind sich einig, dass zukünftig virtuelle Arbeitsweisen ein selbstverständlicher Teil des Arbeitsalltags werden. Damit kommt dem neuen Austarieren von Privat- und Arbeitsleben, besonders im Kontext flexibler, zeitlich und räumlich verteilter Arbeitsmodelle, eine besondere Bedeutung zu. Jeder einzelne ist dann in der Gestaltung dieses neuen Zweiklangs gefragt.
Interessant ist auch, dass die Frage nach einem Zurückfallen in alte Gewohnheiten nach der Corona-Zeit die Experten mit 32 % Zustimmung zu 27 % Ablehnung spaltet. Gleichzeitig gehen sie aber mit überwältigender Mehrheit davon aus, dass die Präsenzkultur nach der Corona-Krise nicht an Wichtigkeit gewinnen wird. Dies legt auch an dieser Stelle wieder nahe, dass Konzepte wie virtuelles Arbeiten und Home-Office zukünftig durchaus angenommen und gelebt werden können, allerdings in einer Weise, die das Home-Office als freiwillige Wertschöpfungsmöglichkeit betrachtet und nicht als eine in allen Fällen gewünschte Arbeitsform. Die Frage inwieweit kommunale Co-Working-Spaces und auch Co-Innovationsspaces eingerichtet werden sollen, muss daher gestellt werden und kann als eindeutig positives Ergebnis der derzeitigen Corona-Situation für kommunale und betriebliche Entscheider gesehen werden.

9 Digitale Transformation

Zurzeit können viele Firmen ihre Dienste nur digital anbieten. Glauben Sie, dass diese Krise zu einer Beschleunigung der betrieblichen digitalen Transformation führt?

9.1 Befund

Aktuell können viele Firmen ihre Services nur digital anbieten. Daher zielt die vorliegende Frage darauf ab, den Eindruck der Expertinnen und Experten hinsichtlich einer Beschleunigung der betrieblichen digitalen Transformation aufgrund der Corona-Situation zu untersuchen. Mit einer klaren Mehrheit von 92 % Befürwortung gegenüber 4 % Ablehnung erwarten die Befragten eine Beschleunigung der digitalen Transformation (Abb. 8).

9.2 Implikationen

Trotz der nicht abstreitbaren Schwierigkeiten der Corona-Krise wird in dieser Frage deutlich, dass in der Folge dieser notwendigen, kurzfristigen Umstellung auf digitale Kanäle Unternehmen die Chance haben, neue digitale Tools und Konzepte sowie deren Vorteile kennenzulernen und damit ihre eigene digitale Transformation schneller als zuvor denkbar voranzutreiben.

10 Home/Mobile Office

Sind Sie bzgl. Home/Mobile Office seitens Ihrer Firma entsprechend ausgerüstet?

10.1 Befund

Auf die Frage nach einer entsprechenden Ausstattung für Home/Mobile Office seitens der Firma sehen sich 92 % der Expertinnen und Experten von ihrem Arbeitgeber mit aller relevanter Hardware (z. B. Laptop, Smartphone) ausgerüstet. Zudem geben 88 % der Befragten an, eine Software-seitige Ausstattung mit allen relevanten Tools/Apps/Programmen (z. B. für Tele-/Videokonferenzen) von ihrer Firma erhalten zu haben. Jedoch haben nur 10 % der Expertinnen und Experten einen von ihrem Arbeitgeber ergonomisch eingerichteten Heimarbeitsplatz. Für immerhin 43 % der Befragten existiert eine Betriebsvereinbarung bezüglich einer entsprechenden Einrichtung des Home-Office durch den Arbeitgeber. Obwohl alle der Befragten zum Zeitpunkt der Studie im Home-Office tätig waren, hatten 3 % der Befragten keine der genannten Ausstattungen durch ihren Arbeitgeber erhalten, arbeiteten jedoch trotzdem im Home-Office (Abb. 9).

10.2 Implikationen

Die Frage zeigt, dass im Großteil aller Fälle die notwendigen Geräte und relevanten Tools von Arbeitgeber-Seite wirklich zur Verfügung gestellt werden und Arbeitnehmer von technischer Seite bei ihrer Arbeit im Home-Office nur selten eingeschränkt sind. Dies funktioniert offensichtlich trotz der mit 43 % gering ausfallenden Betriebsvereinbarungen, die eine solche Ausrüstung regeln. Jedoch scheinen ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze eine Seltenheit zu sein, was unter dem Aspekt eines zukünftig vermutlich stärker virtualisierten Arbeitslebens im Privatraum (siehe Frage 7) Fragen bezüglich der Gestaltung eines solchen Arbeitsraums aufwirft.
Es muss jedoch in diesem Fall darauf hingewiesen werden, dass diese Zahlen klar vergleichbaren Studien (s.a. D21 Digital Index1) widersprechen. Dies ist damit zu erklären, dass bei Befragung der Experten natürlich eine positive Selbst-Selektion erfolgt ist. Experten im Bereich der Technologie haben erwartungsgemäß eine zeitgemäße technische Ausstattung. Vergleichbare Studien sehen an dieser Stelle sehr viel größere Handlungsnotwendigkeiten.

11 Mehr-/Minderarbeit

Denken Sie, dass Menschen im Home/Mobile Office über den Tag verteilt tendenziell mehr oder weniger arbeiten als im Büro? (Abb. 10).

11.1 Befund

Auf die Frage, ob Menschen im Home/Mobile Office über den Tag verteilt tendenziell mehr oder weniger arbeiten als im Büro, zeigen sich die Expertinnen und Experten unentschieden. Während 41 % davon ausgehen, dass Menschen im Home-Office tendenziell mehr arbeiten, gehen 37 % von einer eher gleichbleibenden Arbeitsintensität aus und 17 % erwarten, dass im Home-Office weniger gearbeitet wird als im Büro.

11.2 Implikationen

Hier sei darauf hingewiesen, eine mögliche Mehrarbeit im Home-Office nicht mit gesteigerter Produktivität gleichzusetzen, wenngleich auch Studien zu dieser Frage tendenziell eher eine Steigerung der Produktivität – in Nicht-Corona-Zeiten – festgestellt haben. Mehrarbeit im Home-Office kann sich durch höhere Effizienz und Effektivität im Arbeitsergebnis zeigen, kann aber auch ein Ausgleichsmechanismus sein, um mit häufigeren Störungen und Einschnitten, beispielsweise durch Kinder oder Haushalt, umzugehen. Zudem könnte es notwendig gewesen sein, bestehende analoge Arbeitsprozesse zeitintensiv auf digitale Prozesse umstellen zu müssen.
Durch wegfallende Pendelzeiten kann Arbeitszeit gewonnen werden, die für Mehrarbeit im Home-Office genutzt werden kann. Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass hier auch eine Verschiebung des vormaligen Problems die Folge sein kann. Bildlich gesprochen heißt das: wenn zukünftig Montag und Freitag im Home-Office gearbeitet werden, besteht die Gefahr bisherige Pendlerstaus auf Dienstag und Donnerstag zu verlegen.
Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte und damit in der Aufgabe für jeden Einzelnen, aber auch für Wirtschaft und Politik, praktikable und produktive Arbeitsmodelle für die Zukunft zu gestalten, die ein Austarieren persönlicher und wirtschaftlicher Interessen erlauben.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Fußnoten
1
D21-Digital-Index 2019/2020, eine Studie der Initiative D21, durchgeführt von Kantar, ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. Abrufbar auf: https://​initiatived21.​de/​app/​uploads/​2020/​02/​d21_​index2019_​2020.​pdf.
 
Metadaten
Titel
Studie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht
verfasst von
H. Krcmar
O. Wintermann
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37571-3_5