Die deutschen Regierungsparteien haben sich darauf geeinigt, synthetische Kraftstoffe in Reinform für den Betrieb von Verbrennungsmotoren zuzulassen. Wissenschaft, Industrie und Opposition reagieren positiv auf die Entscheidung.
Synthetische Kraftstoffe sollen in Deutschland zugelassen werden.
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Die Nachricht verbreitete sich in der wissenschaftlichen Community wie ein Lauffeuer: Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in der Nacht zum Dienstag, 28. Februar 2023, darauf geeinigt, synthetische Kraftstoffe in Deutschland auch in Reinform für die Nutzung in Verbrennungsmotoren zuzulassen. Zunächst hatte eine parteiinterne Mitteilung von FDP-Chef Christian Lindner, die springerprofessional.de und ATZ/MTZ am Morgen vorlag, für erste Reaktionen gesorgt. Bisher ist es rechtlich nicht möglich, synthetische Kraftstoffe in Reinform in Fahrzeugen zu nutzen, nur die Beimischung ist erlaubt.
Mit der noch gesetzlich oder in einer Verordnung zu beschließenden Änderung der technischen Regelung "können alle Verbrennungsmotoren diese Kraftstoffe (auch solche aus Reststoffen wie Fette) in Reinform tanken", hieß es in der internen Mitteilung von Lindner an Parteikolleginnen und -kollegen. Auch wenn noch keine offizielle Mitteilung der Regierung vorliegt, in Sozialen Medien teilen Lindner & Co. und die Fraktion die Botschaft bereits seit dem Vormittag.
Weg frei für klimaneutrale Kraftstoffe: Künftig dürfen in 🇩🇪 Verbrenner mit #eFuels betankt werden. Diese Technologieoffenheit brauchen wir auf Dauer. Wir setzen uns dafür ein, dass auch nach 2035 Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen, die so CO2-frei betrieben werden. CL
— Christian Lindner (@c_lindner) February 28, 2023
Sensation: #efuels werden zugelassen. Details in Kürze. Die #fdpbt hat sich durchgesetzt. Unser Einsatz hat sich gelohnt. #Verbrenner
— Judith Skudelny (@JudithSkudelny) February 28, 2023
Die @fdp setzt sich durch: Bundesregierung macht den Weg frei für #eFuels. Damit kann das pauschale Verbot des #Verbrennungsmotor verhindert, Klimaneutralität und individuelle Mobilität sichergestellt werden.
— Moritz Promny (@MoritzPromny) February 28, 2023
+++ Wir haben in der Koalition heute den Weg für #eFuels in Deutschland freigemacht. +++
— Fraktion der Freien Demokraten (@fdpbt) February 28, 2023
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Michael Theurer (FDP) gab im Netzwerk LinkedIn eine Stellungnahme ab: "Als Fraktion haben wir unsere Koalitionspartner davon überzeugen können, dass der Einsatz von E-Fuels in Verbrennerfahrzeugen dringend notwendig ist, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Mit dieser Einigung sichern wir auch Arbeitsplätze bei mittelständischen Zulieferern und in der Automobilindustrie."
Diskussion beim Internationalen Motorenkongress
Am Dienstag und Mittwoch, 28. Februar und 1. März 2023, haben in Baden-Baden mehr als 300 Wissenschaftler, Entwickler und Experten aus der Mobilitätsbranche beim 10. Internationalen Motorenkongress von ATZlive und dem VDI Wissensforum getagt und die Möglichkeiten diskutiert, wie angesichts der großen Herausforderungen die Klimaziele auch im Verkehrssektor eingehalten werden können. Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels oder ReFuels) sind dabei aus Sicht vieler Wissenschaftler einer der Haupttreiber, um beispielsweise die Bestandsflotte an Pkw und Nutzfahrzeugen künftig klimaneutral betreiben zu können oder aber für Anwendungen einen CO2-neutralen Weiterbetrieb zu ermöglichen, in denen eine direkte Elektrifizierung von Mobilität nicht realistisch anwendbar ist, beispielsweise im Flugverkehr, bei der Schifffahrt oder auch bei bestimmten Groß- und Agrarmaschinen.
Oppositionspolitiker begrüßt E-Fuels-Zulassung
Dementsprechend positiv waren in Baden-Baden auch die Reaktionen auf die Koalitionsentscheidung. In einer Podiumsdiskussion am ersten Konferenztag wurde die nun erstmals verlässliche politische Klarheit herausgestellt. Neben Podiumsteilnehmern aus der Industrie war auch Carsten Müller, MdB und CDU-Obmann im Rechtsausschuss im Bundestag zur Diskussion zugeschaltet. "Ich freue mich über die Entscheidung", sagte der Oppositionspolitiker. Nun habe man im Verkehrssektor "die Möglichkeit, Klimaschutz sofort umzusetzen", auch für die Bestandsflotte. Eine erste wichtige Hürde sei genommen, sagte Müller, aber weitere Schritte seien jetzt notwendig. Auf die Frage, wie schnell die Politik diese Ankündigung nun umsetze, damit E-Fuels auch im Markt entsprechend verfügbar gemacht werden könnten, antwortete Müller: "In der Vergangenheit haben Entscheidungen nach Ankündigungen aus dem Tagesgeschäft oft unerträglich lange gedauert. Ich hoffe, dass es dieses Mal erheblich schneller gehen wird."
Uli Regenscheit
Im Vorfeld der bekanntgewordenen Koalitionsentscheidung hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) laut Medienberichten mit einem Veto Deutschlands in der EU-Kommission für das geplante Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren gedroht, sollten synthetische Kraftstoffe ebenfalls verboten werden. "Vor dem Hintergrund der enormen Bestandsflotte an Pkw, die wir alleine in Deutschland haben, kann es für die FDP nur einen Kompromiss bei den Flottengrenzwerten geben, wenn auch der Einsatz von eFuels möglich wird", wurde Wissing in Medien zitiert.
Bisherige EU-Pläne sehen vor, dass ab 2035 nur noch Neufahrzeuge verkauft werden dürfen, die im Betrieb emissionsfrei sind.