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2016 | Buch

Systemimmanente Anreize im Pauschalierenden Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP)

Analyse am Beispiel der Behandlung der Alkoholabhängigkeit

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Über dieses Buch

Dieses Fachbuch analysiert die Probleme, Risiken und Anreize des PEPP-Systems (Version 2015) anhand der Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Dafür wurden über 1.300 Fälle des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld aus dem Jahr 2014 verwendet. Zunächst wurden Fallgruppen erstellt für die Gruppen dann Parameter wie Verweildauer (VWD), PEPP-Kodierung, Erlöseinbußen durch Fallzusammenführungen und Fallerlöse ausgewertet. Ergänzend zu diesen Daten wurden Veränderungen der VWD, der Kodierung und zusätzliche Verlegungen zwischen G-DRG- und PEPP-System simuliert. So konnten Anreize zur Verkürzung der VWD bei paralleler Fallzahlsteigerung nachgewiesen werden. Patienten mit einem hohen pflegerischen Betreuungsaufwand sind „unlukrativ“, während stationäre psychotherapeutische Behandlungen positive Deckungsbeiträge ermöglichen. Komplizierte Fälle werden benachteiligt. Daneben konnten Anreize zur gezielten Verlegung zwischen G-DRG- und PEPP-System dargestellt werden.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
2017 müssen nach den jetzigen Regelungen alle psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken nach dem PEPP abrechnen, soweit sie nicht Modellvereinbarungen mit den gesetzlichen Krankenversicherungen getroffen haben. Bislang basierten die Erlöse der psychiatrischen Kliniken auf tagesgleichen Pflegesätzen, die für jede Einrichtung jährlich individuell verhandelt wurden. Im PEPP-System erhalten die Kliniken zwar weiterhin Erlöse pro Behandlungstag, diese werden jedoch für jeden Fall einzeln berechnet und hängen u.a. von den Diagnosen, der Betreuungsintensität und der Verweildauer ab. Dabei sinken die Erlöse pro Tag mit zunehmender Behandlungsdauer. Das neue System steht im Zentrum der Kritik vieler Verbände, da erhebliche Auswirkungen auf die Behandlungspraxis erwartet werden. Im Rahmen dieses Buches sollen die Anreize des PEPP-Systems am Beispiel der Behandlung der Alkoholabhängigkeit analysiert werden. Als primärer Indikator des geförderten Verhaltens sollen die Unterschiede in der Vergütung Verwendung finden.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
2. Abrechnung vollstationärer Suchtbehandlungen
Zusammenfassung
Im Bereich der vollstationären Akutversorgung von Abhängigkeitserkrankungen in Deutschland gibt es aktuell drei verschiedene gültige Abrechnungssysteme. Während in einigen psychiatrischen Kliniken mit dem noch gültigen Abrechnungssystem mit tagesgleichen einrichtungsindividuellen Pflegesätzen gearbeitet wird, nutzen die Optionshäuser schon das PEPP-System. Zusätzlich können in somatischen Kliniken Entgiftungen mit dem GDRG- System abgerechnet werden. Das PEPP ist als lernendes System angelegt. Auf der einen Seite werden jährlich neue Entgeltkataloge herausgegeben, basierend auf den Kalkulationsdaten des Vorvorjahres (2013 für 2015), auf der anderen Seite werden neue Kostentrenner gesucht und Vorschläge von Fachgruppen ausgewertet. Dies hat auch für das Jahr 2015 zu deutlichen Unterschieden zum Vorjahr geführt.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
3. Alkoholabhängigkeit in Deutschland
Zusammenfassung
Die Alkoholabhängigkeit stellt in Deutschland ein erhebliches Problem dar. Aktuellen Schätzungen nach leiden 1,3 bis 1,6 Millionen Deutsche unter einer behandlungsbedürftigen Alkoholabhängigkeit. 2 Millionen betreiben einen Alkoholmissbrauch und weitere 5 Millionen betreiben einen potentiell gesundheitsgefährdenden Alkoholkonsum. Pro Jahr entstehen geschätzt direkte Kosten von 8,4 Milliarden Euro und indirekte Kosten von 16 Milliarden Euro aufgrund von Alkoholismus. Wenn man die geschätzten Daten auf die Bevölkerung von Bielefeld überträgt, würde dies bedeuten, dass ca. 5.285–6.504 Bürger eine behandlungsbedürftige Alkoholabhängigkeit aufweisen, ca. 8.130 einen Alkoholmissbrauch betreiben und 20.325 eine potentiell gesundheitsschädigende Alkoholmenge konsumieren.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
4. Fragestellung und Hypothesen
Zusammenfassung
Durch die Einführung des neuen Entgeltsystems mit den daraus resultierenden Veränderungen der vergütungsrelevanten Parameter werden Anreize zur Veränderung der Behandlungsroutinen gesetzt. Durch die bereits erfolgten Veränderungen des PEPP- Systems, wie zum Beispiel die Anpassung der Erlösdegression im Jahr 2014, wurden einige Kritikpunkte bereits aufgegriffen. Ziel des Buches soll es sein, einige dieser Anreize zu identifizieren und diese am Beispiel des EvKB anhand von Erlösveränderungen zu quantifizieren. Mit den ausgewerteten Daten und den durchgeführten Simulationen sollen verschiedene Hypothesen geprüft werden. Anhand der verifizierten bzw. falsifizierten Hypothesen werden später die möglichen Auswirkungen im ökonomischen Gesamtzusammenhang diskutiert.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
5. Methoden
Zusammenfassung
Zur Darstellung der systemimmanenten Anreize des PEPP-Systems werden verschiedene Methoden und Informationsquellen verwendet. Zunächst werden zur Modellentwicklung Informationen aus der Praxis verwendet, die im Rahmen einer Expertenbefragung erhoben werden. Hieraus werden dann Fallgruppen erstellt und ein Gruppierungsalgorithmus entwickelt, der es ermöglicht die einzelnen Fälle aus den Abrechnungsdaten des EvKBs den Gruppen zuzuordnen. Die so vorbereiteten Daten sind die Grundlage der statistischen Analyse des Datensatzes und der nachfolgenden Simulationen der Auswirkungen verschiedener Veränderungen der Behandlungsroutinen auf die Erlöse der Klinik.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
6. Aufbereitung des Datenmaterials
Zusammenfassung
Im Rahmen der Untersuchung wird mit einem exportierten Datensatz von Patienten mit einer F10.X-Diagnose aus dem Jahr 2014 gearbeitet. Aufgrund der Größe des Datensatzes müssen einige Aufbereitungsschritte automatisiert durchgeführt werden. Es werden dafür selbst programmierte VBA (Visual Basic for Applications)- Programme in Form von so genannten Makros verwendet. Personenbezogene Daten werden pseudonymisiert und nicht benötigte oder redundante Spalten entfernt. Ergänzend zu den Standardparametern des Datensatzes werden zusätzliche Parameter anhand der erfassten OPS-Codes errechnet. Aufgrund der Veränderungen zwischen den PEPP-Versionen der Jahre 2014 und 2015 müssen die Daten teilweise konvertiert werden, anschließend erfolgt die Zuordnung der Falldaten zu den einzelnen Gruppen anhand des zuvor definierten Gruppierungsalgorithmus.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
7. Deskriptive statistische Analyse des Datensatzes und der Fallgruppen
Zusammenfassung
Mit Hilfe der Mittelwerte einiger zentraler Kennzahlen und der relativen Verteilung der nicht metrischen Variablen, soll die Simulation der Auswirkungen von Veränderungen der Behandlungen auf die Erlöse erfolgen. Dabei muss für das Modell mindestens ein Datensatz zusammengestellt werden, der eine Simulation der abrechnungsrelevanten Parameter ermöglicht. Für die regulären Fallgruppen 1 bis 6 sollen die Anzahl der Behandlungstage, die Verteilung der PEPP-Codes, die durchschnittlichen Erlöse je Tag ohne ergänzende Tagesentgelte (eT), die absoluten Erlöse aus eT, die Erlöse aus eT pro Behandlungstag, die Anzahl der Fälle und der Anteil der Behandlungstage an der Gesamtzahl der ausgewerteten Daten erfasst werden. Zusätzlich soll unter Einbeziehung der Fallgruppe 7 der Anteil der Fälle mit einer Fallzusammenführung und deren Auswirkung auf die Erlöse erfasst werden. Weitere Daten, wie zum Beispiel der Aufnahmestatus (z.B. Normalfall oder Notfall) und Entlassungsstatus (u.a. regulär, gegen ärztlichen Rat, Verlegung) werden außerhalb der Simulationen u.a. als mögliche Indikatoren für die Planbarkeit der Behandlung verwendet.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
8. Simulation der Auswirkungen von Veränderungen der Behandlungsparameter auf die Erlöse
Zusammenfassung
Anhand der erstellten Fallgruppen sollen Auswirkungen verschiedener Veränderungen der Behandlung auf die Erlöse simuliert werden. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, die Hypothesen zu prüfen. Zur Überprüfung der ersten Hypothese werden für die einzelnen Fallgruppen die Auswirkungen einer veränderten Verweildauer simuliert. Zur Überprüfung der zweiten Hypothese werden die Auswirkungen mehr geltend gemachter eT und einer höheren PEPP-Einstufung der Fälle ermittelt. Zur Überprüfung der dritten und vierten Hypothese erfolgen keine zusätzlichen Simulationen. Dafür werden in einem späteren Schritt die zusammengetragenen Daten verglichen, um besonders lukrative oder inadäquat vergütete Patientengruppen zu identifizieren. Für die fünfte Hypothese werden die Erlösauswirkungen von gezielten Verlegungen bzw. einer Umverteilung zwischen den Abteilungen simuliert.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
9. Stellungnahmen zu den Hypothesen
Zusammenfassung
Anhand der aufbereiteten Daten des erstellten Behandlungsmodells und der durchgeführten Simulationen können nun fundierte Aussagen zu den im Vorfeld formulierten Hypothesen getroffen werden. Eine Verkürzung der Verweildauer führt zu höheren Erlösen pro Behandlungstag. Es entstehen Anreize zur Mehrdokumentation bzw. Mehrkodierung, da diese zu Mehrerlösen führen können. Steht aber hinter den kodierten Maßnahmen ein entsprechender Aufwand, lohnen sich zwar intensive psychotherapeutische Behandlungen, betreuungsintensive Patienten jedoch nicht. Komplexe Fälle mit intensiven sozialem Klärungsbedarf oder solche, die aufgrund von Wiederaufnahmen zu Fallzusammenführungen führen, werden im System nicht adäquat abgebildet, während unkomplizierte Fälle, die sich für strukturierte psychotherapeutische Behandlungen eignen, besonders „lukrativ“ sind. Durch eine gezielte Aufnahmesteuerung oder Verlegungen zwischen somatischen und psychiatrischen Abteilungen lassen sich deutliche Mehrerlöse bei der Behandlung von Alkoholabhängigen generieren.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
10. Diskussion
Zusammenfassung
Es finden sich im PEPP-System zahlreiche Anreize, die mittel- und langfristig Veränderungen der Behandlung psychischer Krankheiten nach sich ziehen werden. Inwieweit diese Anreize erwünscht sind und in zukünftigen Versionen des PEPP-Systems erhalten bleiben, wird die Zukunft zeigen. Im aktuellen PEPP-System scheinen hoch strukturierte psychotherapeutische Behandlungsangebote für wenig betreuungsintensive Patienten geeignet zu sein, positive Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Dagegen wird der Aufwand von besonders komplexen Fällen, die zu Fallzusammenführungen führen, nicht adäquat abgebildet. Neben den Auswirkungen auf die Behandlungsroutinen und das angebotene Therapieprogramm sind Veränderungen auf die stationäre Versorgungsstruktur zu erwarten.
Hannes Horter, Martin Driessen, Winfried Zapp
Metadaten
Titel
Systemimmanente Anreize im Pauschalierenden Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP)
verfasst von
Hannes Horter
Martin Driessen
Winfried Zapp
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-12658-2
Print ISBN
978-3-658-12657-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12658-2