4. Systemtransformation in Zeiten eines zunehmenden Populismus. Soziale Innovationen als Elemente einer erfolgreichen Gestaltung der umkämpften Energiewende vor Ort
Die Energiewende – verstanden als Systemtransformation der Energiewirtschaft hin zu einer vollständigen Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energiequellen – ist eines der ambitioniertesten Projekte der deutschen Politik der letzten Jahrzehnte. Nach dem anfänglichen Siegeszug der erneuerbaren Energien ist die Dynamik des Ausbaus erneuerbarer Energien in den letzten Jahren deutlich abgebremst worden. Zahlreiche Veränderungen an den regulativen Rahmenbedingungen haben einen raschen Systemwechsel erschwert. Die Energiewende wird zu einem immer härter umkämpften Feld. Insbesondere der Ausbau der Windenergie an Land sorgt für heftige Auseinandersetzungen. Dabei nimmt die Qualität der Auseinandersetzungen an Schärfe zu. Die Art und Weise, wie Konflikte ausgetragen werden, weist zunehmend Parallelen zu Argumentationsmustern und Handlungsstrategien auf, die auch als typisch für die zunehmend erstarkten (rechts-) populistischen Bewegungen analysiert werden. Die Befürworter einer dezentralen Energiewende sind zunehmend gefordert, mit diesen Formen der Konfliktaustragung produktiv umzugehen. Der Beitrag zeigt, am Beispiel der Planung eines Bürgerwindparks im oberbayerischen Pfaffenhofen an der Ilm wie zahlreiche Innovationen in der Kommunikationspolitik, der Partizipation und in der Ausgestaltung von Entscheidungsabläufen zum Tragen kommen, die trotz erheblicher Wiederstände, zu einer positiven Entscheidung der Bürgerschaft für den Bau von Windkraftanlagen beitragen.
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Die Sprecher einer Bürgerinitiative zitierten den Ministerpräsidenten mit den Worten „Ich bin nicht bereit, als bayerischer Ministerpräsident in die Geschichte einzugehen, der für die Landschaftszerstörung unserer schönen Heimat verantwortlich war“ (Mainpost vom 13.06.2013; vgl. Fischer 2013).
Brunngräber zitiert exemplarisch den 2017 wiedergewählten FDP-Landesvorsitzenden in Sachsen, Holger Zastrow: Dieser meint bei einer Konferenz, „die ‚veröffentlichte Meinung‘ sei allzu ‚ökologistisch‘ geprägt, als Liberaler müsse man den ‚Ökobürokraten‘, die ‚Zukunftsängste schüren‘ und ‚mit immer neuen, überzogenen Forderungen aufwarten‘, ‚Fakten, Sachverstand und Vernunft entgegensetzen‘“. (2018, S. 284).
So wurde der Vorläufer der Isar-Amper-Werke, die später mit anderen Überlandwerken in der E.ON ausgegangen sind, in Pfaffenhofen gegründet (vgl. Herker 2016).
Ironischerweise kann auf der Fläche auch ohne einen Bebauungsplanes und damit ohne die Zustimmung der Gemeinde gemäß der 10-H-Regelung auch weiterhin geplant werden. Der Projektierer hat daher bereits wenige Monate später einen Vorbescheidsantrag beim Landratsamt eingereicht für den Bau von zwei Windenergieanlagen in mehr als 2000 m Abstand zur Wohnbebauung, die gemäß der 10 H-Regelung sogar investorenfreundlicher definiert wird. Vgl.: https://www.landkreis-pfaffenhofen.de/HOME/Aktuelles/AlleMeldungen.aspx?rssid=66b9ea06-b0aa-4fe5-9e96-5d3d3ef9d660, abgerufen am 01.02.2018.
Vgl. Onlineversion des Pfaffenhofener Kuriers vom 18.03.2016 Dabei kam es auch zu heftigen Vorwürfen gegenüber den anwesenden Gemeinderäten. Diesen wurden „Gehirnwäsche“ und „vorsätzliche Körperverletzung“ vorgeworfen. Zudem wurde der Gemeinde unterstellt, sie verweigere bei ihrer offiziellen Bürgerinformationsveranstaltung dem Vorsitzenden der Bürgerinitiative das Rederecht, weil dieser im Gegensatz zum Projektierer und zur BEG nicht als Referent vorgesehen war. Vgl. auch: www.donaukurier.de/lokales/pfaffenhofen/Ilmmuenster-energie-Stuermische-Debatten;art600,3195729; zuletzt aufgerufen am 01.02.2018. Bei einer späteren Informationsveranstaltung wurden Befürworter des Projektes gemäß Bericht einiger Gäste, „mit Klatschen und Buh-Rufen mundtot gemacht“. Windkraft-Befürworter seien praktisch nicht zu Wort gekommen. „Die „totale Entgleisung“ … soll sich aber kein geringerer als … der Frontmann der Bürgerinitiative gegen die geplanten Windräder in der Gemeinde Ilmmünster (geleistet haben)“ (vgl. https://pfaffenhofen-today.de/27886-ilmmuenster-windkraft-anzeige-beleidigung-27062016, abgerufen am 01.02.2018) Er soll, als es dann um Fragen aus dem Publikum ging, einem Teilnehmer die Wortmeldung verweigert haben. „Und zwar angeblich mit den Worten: „Sie nicht! Ich kenne Sie. Ich weiß genau, welch hinterfotziger Drecksack Sie sind!““ (a. a. O.).
Systemtransformation in Zeiten eines zunehmenden Populismus. Soziale Innovationen als Elemente einer erfolgreichen Gestaltung der umkämpften Energiewende vor Ort