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2023 | Buch

Szenografie digital

Die integrative Inszenierung raumbildender Prozesse

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Über dieses Buch

Im Buch wird im Kontext individueller Rezipientenpartizipation und Nutzerimmersion erläutert, welche Wahrnehmungsaspekte der performativen Raumbildung immanent sind und warum integratives Inszenieren sie effektiver macht. Integratives Inszenieren erweitert als Bestandteil der Screenografie interaktiv nutzbarer Informations- und Kommunikationssysteme das szenografische Berufsbild und ist für die systematische Entwicklung von grafischen Benutzeroberflächen im Systemischen Design essentiell.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Szenografie als Raumkunst
Zusammenfassung
Einführend wird erläutert, warum Szenografie, ursprünglich als Bildkunst verortet, erst viel später eine Aufwertung als intermediale Raumkunst erfuhr. Die ersten Theateraufführungen fanden auf den Bühnen der Amphitheater in der griechischen Antike statt, die mit Abstand zu ihrem Publikum bewusst auf eine Rahmung des Bühengeschehens abzielten. Gegenwärtige Gestaltungskonzepte sind hingegen bestrebt, den abgeschlossenen Bühnenraum aufzubrechen, um die räumliche Distanz zu den Zuschauern aufzuheben und sie auch dramaturgisch in das inszenierte Handlungsgeschehen mit einzubeziehen. Das szenografische Gestaltungsziel des Bühnenbildners am Theater ist nicht ausschließlich das materialisierte und illusionistisch gestaltete Bühnenbild, sondern auch der inmaterielle und mentale Erlebnisraum, der bei Darstellern und Zuschauern gemeinsame Raumerlebnisse oder performative Raumbildungen initiiert. Seit der Entwicklung von Film und Fernsehen zu Massenmedien und Einführung der Videokunst entwickelte sich die Szenografie zu einem Raumdiskurs, der sich explizit von den gerahmten Bühnenbildern abgrenzt und den medial inszenierten Raum als Mittelpunkt des szenografischen Gestaltens verortet. Im Kontext aktueller Medienumbrüche, wie der medialen Vernetzung im Internet, der digitalen Bildbearbeitung und der virtuellen Realität, wird hier aufgezeigt, wie dieser mediale Raum eine neue szenografische Relevanz erlangt und sich zu einem intermedialen Diskursfeld entwickelt, das nicht nur die Handlungsakteure sondern auch die Rezipienten mit einbezieht und auf deren intellektuelle Reflexion abzielt. Die Vergleiche zwischen dem Theatersspiel und dem klassischen Spielfilm demonstrieren, wie dramaturgisch inszenierte Handlungen und Schauspielkunst dort das narrative Angebot bestimmen und auf welche Art und Weise dabei die Aufmerksamkeit der Zuschauer gelenkt und deren Emotionen geweckt werden. Genauso wie im Theater dramatische Vorgänge dramaturgisch als Bühnenandlung inzeniert werden und der gestaltete Bühnenraum dafür den optischen Rahmen bildet, werden auch die Szenarien der Film- und Fernsehproduktionen dramaturgisch geplant und unter Anwendung gestalterischer Mittel in Bildern auf der Kinoleinwand oder dem Bildschirm gerahmt. Es wird erläutert, wie die Dramaturgie den dramatischen Handlungsablauf regelt und welche Aufgabe dabei dem Szenografen beizumessen ist, der dafür nicht nur die adäquaten Schauplätze entwirft sondern auch Bedingungen schafft, die einen aktionalen Dialog mit den Zuschauern gewährleisten. Im Kontext optimaler Zuschauerpartizipation wird aufgezeigt, wie integrative Inszenierungen darauf abzielen, die Belange der Zuschauer dramaturgisch in das Inszenierungskonzept zu integrieren. Unter dem Aspekt von Integration und Partizipation wird darauf verwiesen, wie sich das szenografische Gestalten im Spannungsfeld zwischen dem Theater und den anderen Medien zunehmend zu einer Metaszenografie entwickelt und Bedingungen schafft, welche die Zuschauer und Darsteller zum Kontextabgleich veranlassen, der zu einer gemeinsamen Raumbildung führt. In Bezug auf mediengerechte Informationsvermittlung im Internet wird dem Storytelling eine besondere Bedeutung beigemessen, das als Erzählmethode dazu dient, die Informationen zu vereinfachen und als Geschichten zu verbildlichen, sodass sie leichter wahrgenommen und besser verstanden werden. Es wird erläutert, warum sich das Storytelling insbesondere zur Informationsvermittlung im Internet eignet und sich die Szenografie im aktuellen Raumdiskurs nicht nur als Gestaltung von materiellen oder inmateriellen Spiel- und Handlungsorten verortet, sondern auch als integrative Inszenierungsmethode raumbildender Prozesse versteht, die dazu beiträgt, das Internet zu einem interaktiv nutzbaren, mentalen Informations- und Handlungsraum zu formieren, der seine Nutzer nicht nur unterhält und bildet, sondern auch zur performativen Raumbildung anregt.
Thomas Moritz
Kapitel 2. Szenotopie als Handlungsraum
Zusammenfassung
Im Gegensatz zum Theater, wo ein dramatischer Vorgang mit dramaturgischen Mitteln als Bühnenhandlung inszeniert und für den Zuschauer visuell nachvollziehbar szenografisch in Szene gesetzt wird, formt der Nutzer im Internet den mentalen Handlungsraum performativ, der erst mit seinen Aktionen entsteht und auch nur von ihm selbst wahrgenommen werden kann. Es wird analysiert, welche szenografischen Gestaltungsmittel die performative Raumbildung begünstigen und dem Nutzer ein Raumgefühl suggerieren, das ihm bereits aus der Realität bekannt ist und daher auch die Navigation im Internet erleichtert. Im Kontext der interaktiven Raumnutzung wird untersucht, auf welche Weise das Internet als mentaler Handlungsraum eine topologische Deutung erfährt, die es berechenbar macht und den Nutzer darüber aufklärt, welche Wege eingeschlagen werden müssen, um zielsicher von einem Ort zum anderen zu gelangen. Im Vergleich zur Geometrie, die sich als Gestaltlehre mit den metrischen Größen des Raumes befasst, setzt sich die Topologie mit dem Beziehungsgeflecht zwischen einzelnen Orten innerhalb des Raumes auseinander, das diesen anschaulich und bei seiner interaktiven Nutzung kalkulierbar macht. Damit auch der mentale Raum des Internets für seine Nutzer berechenbar ist, wird untersucht, welche verinnerlichten Orts- oder Lagebeschreibungen dort realisierbar sind, die nicht nur der eigenen Standortbestimmung dienen, sondern als visuelles Orientierungssystem darüber aufklären, was noch zu erwarten ist und wie man möglichst schnell und unkompliziert an das selbst gesteckte Ziel gelangt. In Bezug auf ein erweitertes Szenografieverständnis, das auch die integrative Inszenierung der interaktiven Nutzung und die performative Raumbildung mit einschließt, erfolgt eine theater- und medienwissenschaftliche Analyse der Szenografie, die ihr eine neue Bedeutung verleiht. Es wird darauf verwiesen, dass es sich dabei meistens um temporäre Raumentwürfe handelt, die sich von allen anderen dauerhaften Raumgattungen, wie Architektur, Stadtplanung und Design funktional-ästhetisch dadurch unterscheiden, dass sie mithilfe geeigneter Materialien, Objekten und technischen Einrichtungen realisiert werden, um dann, anlässlich bestimmter Ereignisse, von Akteuren und deren Zuschauern bespielt und wahrgenommen zu werden. Dabei wird deutlich, dass Szenografie stets einem bestimmten Zweck dient und auch immer mit anderen Berufsfeldern transdisziplinär verbunden ist. Szenografie versteht sich auch als ästhetischer Diskurs über Raumdenken und Raumwahrnehmen bezüglich raumbildender Medien und die Art ihres Erscheinens und Gebrauchs. Besondere Bedeutung wird dabei der integrativen Inszenierungsmetode beigemessen und anschaulich erläutert, wie im Theater ein gemeinsamer mentaler Erlebnisraum entsteht, der das Verhältnis zwischen Akteuren und Zuschauern optimiert, deren Handeln organisiert und den gemeinsamen Prozess der visuellen Wahrnehmung strukturiert. In Bezug auf die Zuschauer- und Besucherpartizipation werden die kybernetisch organisierten Szenografien der beiden amerikanischen Architekten Charles und Ray Eames vorgestellt, deren präzis geplanten und kalkulierten Ausstellungsarchitekturen bereits in den 1950er Jahren einer intelligenten Lernumgebung entsprachen. Abschließend wird anschaulich illustriert, wie sich das Verhältnis zwischen Bühnen- und Zuschauerraum theatergeschichtlich veränderte und weshalb die aktuellen Inszenierungen bemüht sind, den Bühnenraum zu öffnen, um den Aktionsraum mit dem Rezeptionsraum zu vereinen. Während in den historischen Bauformen Bühne und Zuschauer voneinander getrennt sind, sodass nur ein geringer Kontextabgleich erfolgt, denken integrative Inszenierungen Raum genuin und sind bestrebt, gemeinsame Raumerfahrung von Darstellern und Zuschauern zu initiieren. Dabei wird deutlich, dass szenografisches Gestalten, neben den Raumbildern realer, virtueller und mentaler Räume, auch den performativ geformten Raum beinhaltet, der bei der Nutzung des Internets entsteht, wenn der Nutzer dort an systemrelevanten Orten Interaktionen ausübt.
Thomas Moritz
Kapitel 3. Interaktion als Kunstaktion
Zusammenfassung
Es wird demonstriert, wie der künstlerische Ausstieg aus dem gerahmten Bild voranschreitet und welche medialen Kunstprojekte dafür maßgebend sind. Im Rahmen der Entwicklung zu einem „offenen Kunstwerk“, bekommt auch der Rezipient eine neue Funktion, da dieser nun vom passiven Betrachter zu einem aktiven Mitspieler avanciert und als Handlungsträger dem Kunstwerk eine Aussage und Bedeutung verleiht. Im Kontext zunehmender Partizipation des Rezipienten am künstlerischen Entwicklungsprozess gewinnen performative Raumbildungen an Bedeutung und kennzeichnen eine Entwicklung, die dem eigentlichen Akt des Entstehens eine größere Aufmerksamkeit widmet. Exemplarisch für diesen Paradigmenwechsel ist das künstlerische Streben nach integrativen Gestaltungskonzepten, die den Rezipenten als aktiven Part begreifen oder ihm sogar eine führende Rolle beim künstlerischen Enstehungsprozess zuweisen. Im Interesse dieser zeitgenössischen Kunstform steht nicht mehr das künstlerisch gestaltete materialisierte Endprodukt, sondern der performative Akt seiner Entstehung. Am Beispiel der sich entwickelnden Medienkunst wird dargestellt, wie die bessere Verfügbarkeit von digitaler Audio- und Videotechnik den Wandel vom statischen Kunstwerk zur spontanen oder detailiert geplanten Aktion fördert, welche dramaturgischen Anliegen und künstlerischen Äußerungen diesen immanent sind und welche Rolle dabei der Computer als ein digitales und interaktiv nutzbares Gestaltungsmittel spielt. Als Medienkunst werden künstlerische Aktionen und Projekte verstanden, die digitale Techniken für prozessuale und interaktive Erzählformen verwenden, in deren Mittelpunkt der Betrachter bzw. Nutzer als Akteur steht und kollektive Erlebnisse evoziert. Das betrifft insbesondere die Erscheinungsformen, die Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Interaktion zur integrativen Inszenierung der performativen Raumbildung nutzen und den technologischen Entwicklungsstand zur Generierung von virtuellen Szenarien reflektieren. Im Kontext dieser immersiven Raumerfahrungen, als Resultat der performativen Raumbildung, werden Kunstprojekte für Telepräsenz und Teletransformation vorgestellt, die auf die viellfältigen Gestaltungsmöglichkeiten bei der digitalen Bildmanipulation verweisen, welche die Bandbreite der künslerischen Ausdrucksmittel enorm erweitern. Eine tragende Rolle spielen dabei die voranschreitende Digitalisierung und die digitale Datenübertragung über das Internet, die Nutzern nicht nur den gemeinsamen Aufenthalt in einer persistenten computergenerierten Welt ermöglichen, sondern auch völlig neue interaktive Nutzungsformen erschließen, die eine performative Raumbildung fördern. In diesem Kontext wird deutlich, warum insbesondere integrative Inszenierungen den Akteuren und Rezipienten immersive Raumerlebniss gewähren und sie zur performativen Raumbildung motivieren. Exemplarisch für die Simmulation virtueller Raumsituationen wird das Konstruktions- und Funktionsprinzip des Cave (Cave Automatic Virtual Environment) als Vorläufer des Cyberspace vorgestellt, das seinen Nutzern den Aufenthalt in einem imaginären Raum gewährt und ihnen dabei ein immersives Raumerlebniss garantiert. Im Unterschied zum Cyberspace wird dafür auch kein aufwendiges und kostenintensives Equipment benötigt, weil die technische Konstruktion des Cave aus realen Wänden besteht, auf denen computergenierte Bilder als Rückprojektionen zu sehen sind, vor denen sich die Besucher frei bewegen können. Solche medialen Kunstprojekte verdeutlichen, weshalb die Zuschauer in einem Theater bestenfalls auf das dort Dargebotene regieren können und worauf sich statt dessen die Publikumspartizipation bei Kunstaktionen im öffentlichen Raum sowie bei der interaktiven Nutzung virtueller Räume und des Internets begründet, die von performativer Raumbildung und immersivem Raumgefühl geprägt sind. Die Betrachtungen enden mit der Zukunftsversion des Internets als ein globales und interaktiv nutzbares „Universalmedium“, das die Charakteristika und Nutzungsformen aller bisherigen Medienformate in sich vereint.
Thomas Moritz
Kapitel 4. Szenosphäre als Raumbildung
Zusammenfassung
Die Feststellung, dass die transdisziplinären und performativen Rauminszenierungen auch der künstlerischen Profilierung und Selbstdarstellung dienen, erklärt nicht nur das Bestreben der Medienkünstler, die eigenen Aktionen als mediale Selbsterfahrungen über das Internet einem möglichst großen Publikum zugänglich zu machen, sondern verweist auch auf die interaktive Nutzung, bei der performativ ein mentaler Informations- und Handlungsraum geformt wird. Dabei wird dem Nutzer ein dreidimensionaler Raumeindruck vermittelt, der ein Raumgefühl suggeriert, das mit Szenosphäre gleichzusetzen ist, die ihn zur performativen Raumbildung animiert und zum Nutzungserfolg beiträgt. Die darauf aufbauende Definition von Szenografie klärt darüber auf, warum diese, neben dem griechischen Wortstamm für Szene, auch den griechischen Begriff für Schreiben beinhaltet, der definitiv auf einen Prozess verweist, bei dem etwas inszeniert oder beschrieben wird. Demnach hat ein Szenograf die Aufgabe, die Räume zu inszenieren, die sich als Raumbilder in die Köpfe der Darsteller und Rezipienten einschreiben, um ihre Phantasie anzuregen und sie zum Handeln zu animieren. Im Kontext interaktiver Mediennutzung wird erläutert, warum Szenografie als ein schöpferischer Akt zu verstehen ist, der Wahrnehmungsfolgen, raumbildende Prozesse und Handlungen zu einem interaktiven Nutzungsszenario vereint und auf eine Atmosphäre abzielt, die Zuschauern und Nutzern ein Raumempfinden vermittelt, das sie anregt und zum Handeln motiviert. Dabei wird explizit betont, dass aktuelle medientheoretische Raumanalysen auf eine Hybridisierung szenischer Räume und auf die rationale Organisation der unterschiedlichen Realitätsebenen beim Durchdringen von Wirklichkeitssphären verweisen, in deren Mittelpunkt Nutzer und Rezipient als Elemente einer Systematik stehen, die als Metaszenografie zu bezeichnen ist. Es wird erläutert, worin der neue Status eines Szenografen besteht, der außer den visuellen und räumlichen Gestaltungskonzepten auch das integrative Inszenieren performativer Handlungen umfasst, das auf eine immersive Raumerfahrung im mentalen Nutzungsraum des Internets abzielt, der zwar physikalisch nicht vorhanden, aber bei der interaktiven Nutzung physisch erlebbar und performativ formbar ist. Entsprechend der Tatsache, dass das alle Funktionen im Internet ausschließlich über den immersiven Bildraum einer grafischen Benutzeroberfläche interaktiv nutzbar sind, wird in Bezug auf integratives Inszenieren und performative Raumbildung ein erweiterter szenografischer Aufgabenbereich definiert, der als funktional-ästhetische Szenografie auch den mentalen Bildraum der grafischen Benutzeroberfläche als Bestandteil des Systemischen Designs umfasst. Demnach besteht eine elementare Aufgabe des Szenografen auch darin, den verbindlichen Regeln für die systematische Entwicklung von effektiven und effizienten Informations- und Kommunikationsbedingungen zu entsprechen und die didaktisch und gestalterisch fundierten Handlungsanweisungen zu entwickeln, mit denen innovative Gestaltungslösungen zu erzielen sind, die Rezipienten und Nutzer zu Akteuren im partizipatorischen Handlungsgeschehen qualifizieren. Im Zentrum der szenografischen Entwurfsarbeit stehen sowohl der funktional-ästhetisch gebaute, reale oder virtuelle Raum als auch die medialen Raumkategorien bei der interaktiver Nutzung. Demzufolge wird analysiert, weshalb im aktuellen Raumdiskurs der funktional-ästhetische Raum als Kunstraum an Bedeutung gewinnt und warum am sozialen Handeln ausschließlich mehrere Personen beteiligt sind, die mit ihrer Nutzungskompetenz und Kommunikationsfähigkeit den Verlauf und Erfolg der Handlung bestimmen. Im Kontext sozialen Handelns wird erläutert, auf welche Weise das Theater und das Internet als soziale Handlungsräume fungieren und weshalb die Szenosphäre zur performativen Raumbildung der Akteure und damit zum Handlungserfolg beiträgt.
Thomas Moritz
Kapitel 5. Dramaturgie als Raumnutzung
Zusammenfassung
Entsprechend der Tatsache, dass jede integrative Inszenierung, egal für welches Medium, der konzeptionellen Planung und Erarbeitung einer speziellen Dramaturgie bedarf, damit sie ihre Adressaten erreicht, werden dramaturgische Mittel aufgezeigt, mit denen die Botschaft zum tragen kommt. Die Dramaturgie, die sich aus der dramatischen Darstellung ableitet und als eine Lehre vom äußeren Aufbau des Dramas und seiner inneren Struktur das dramatische Handlungsgeschehen lenkt, ist für die Nutzung jedes Raumes relevant, in dem eine Handlung stattfindet. Daher wird analysiert, auf welche Weise auch die Nutzung eines mentalen Raumes dramaturgisch planbar ist und welche dramaturgischen Mittel dieser zugrunde liegen. Es wird insbesondere die Handlungslehre des griechischen Philosophen Aristoteles erläutert, nach der ein Drama dem literarischen Textgefüge entspricht, das als dramatischer Vorgang beim Spiel der Darsteller oder als performativer Akt eigenen Handelns zur Aufführung gelangt. Dem nach basiert ein dramatischer Vorgang auf dem Kompositionsprinzip des dramatischen Spannungsbogens, der von der Exposition, über den Konflikt zur Peripetie, als dem Wendepunkt der Handlung, zum Ergebnis führt und über deren Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Da sich die dramatischen Handlungen nach Handlungsart und -aufbau unterscheiden, wird in Bezug auf die interaktive Nutzung des Internets zwischen einer äußeren und inneren Handlung differenziert, sowie der strukturelle Aufbau der geschlossenen Handlung erläutert, die der Internetnutzung immanent ist und analog dem dramaturgischen Spannungsbogen linear in einzelnen Handlungsstufen verläuft. Dementsprechend wird auch erläutert, warum Dramatik und Dramaturgie auch für die interaktive Internetnutzung relevant sind und welchen Kriterien die Nutzungsdramaturgie entsprechen muss, die den Nutzungsverlauf lenkt und Interaktionspunkte festlegt. Während der Nutzungsverlauf systemimmanent ist, wird der Handlungsablauf vom Nutzer bestimmt, der selbst entscheidet, wann und wo er interagiert. Ein Vergleich mit dem Epischen Theater nach Bertold Brecht, wo das Drama wesentlich mehr bietet als die Darstellung handelnder Personen, zeigt Parallelen zur integrativen Inszenierung interaktiver Nutzungsprozesse auf und verweist auf die von Brecht propagierte Notwendigkeit zum Handeln, die sich auch auf das systematische Gestalten von grafischen Benutzeroberflächen übertragen lässt. Und zwar deshalb, weil deren Systemisches Design die Nutzer zum interaktiven Handeln motiviert und ihnen essentielle Entscheidungen bei der Interaktion mit dem Computersystem hinsichtlich ihrer performativen Raumbildung abverlangt. In diesem Kontext erweist sich die Gegenüberstellung der Erzählform des epischen Theaters mit der interaktiven Internetnutzung als geeignet, da sie darüber aufklärt, ob es sinnvoll ist, dessen Inszenierungspraxis auf die Konzeption grafischer Benutzeroberflächen zu übertragen, die dem Nutzer alle Funktionen zur Verfügung stellen, die er zur interaktiven Nutzung des Internets benötigt. Da die Internetnutzung auf einer Nutzungsdramaturgie basiert, an der sich der systematische Aufbau interaktiv nutzbarer Informations- und Kommunikationssysteme und das Systemische Design deren grafischer Benutzeroberlächen orientiert, sind für eine nutzungs- und nutzeradäquate Entwicklungsarbeit auch Darstellungs- und Gestaltungsweisen traditioneller audio-visueller Medien, insbesondere die des klassischen Spielfilms relevant, die hier beschrieben und erläutert werden. Das Gleiche gilt auch für die Anwendung der hier aufgezeigten dramaturgischen Mittel, die Funktionen und Inhalte verständlich machen und den interaktiven Dialog fördern. Da das Internet einem global nutzbaren Informations- und Kommunikationssystem entspricht, dessen systematischer Aufbau sich in Funktionsbereiche gliedert, ist ihnen auch ein spezieller Teil des mentalen Nutzungsraumes zugeordnet, der hier vorgestellt wird. Abschließend wird aufgezeigt, wie dramaturgische Mittel die performative Raumbildung lenken und damit zu einer effektiven Nutzung des Internetangebotes beitragen.
Thomas Moritz
Kapitel 6. Internet als Nutzungsraum
Zusammenfassung
Das Internet entspricht einem Informations- und Kommunikationsmittel, das seinen Nutzern Zugang zu einer Vielzahl interaktiv nutzbarer Anwendungen gewährt, stellt aber gleichzeitig auch einen Ort dar, an dem man sich mit anderen Nutzen verabredet, um dort mit ihnen zu kooperieren und Wissen auszutauschen. Wie jeder soziale Treffpunkt, ist auch der mentale Informations- und Kommunikationsraum des Internets topologisch gegliedert und verfügt über eine räumliche Struktur, die zwar physikalisch nicht existiert, vom Nutzer aber physisch wahrgenommen wird, so das sie ihn stimuliert und motiviert. Dementsprechend werden die Charakteristika einer solchen mental wahrnehmbaren Raumstruktur definiert und mit denen der real existierenden Räume verglichen, um sie beim systematischen Gestalten grafischer Benutzeroberflächen adäquat auf deren Systemisches Design übertragen zu können. Da die räumliche Wahrnehmungsfähigkeit zum einen aus der räumlichen Vorstellungskraft und den Erfahrungen in realen Räumen resultiert, zum anderen aber auch von der Funktionalität der grafischen Benutzeroberfläche abhängt, werden Gestaltungs- und Nutzungsmodalitäten eines mentalen Raumes analysiert, um das Systemische Design entsprechend anpassen zu können. Das Ergebnis dieser Untersuchungen verweist explizit auf Parallelen zur architektonischen Gestaltungspraxis, deren Parameter auch für den immersiven Bildraum bindend sind. Damit im Internet ein immersives Raumgefühl entsteht, das eine effektive Nutzung gewährleistet, sollte das Systemische Design grafischer Benutzeroberflächen auch über die aus der Realität bekannten architektonischen Merkmale verfügen und so strukturiert sein, dass performative Raumbildungen möglich sind. Für ein Gestaltungsergebnis, das dieser komplexen Aufgabe gerecht wird, sind nicht nur szenografische Einzelleistungen gefragt, sondern die kollektive Leistung eines heterogen Entwicklerteams, das spezielle Anwendungsszenarien erarbeitet und dafür relevante Nutzermodelle konzipiert. Das interdisziplinäre Berufsbild des Szenografen entspricht auch dem des Informationsarchitekten, der visuelle Orientierungshilfen entwickelt und dem Nutzer Wege aufzeigt, auf denen er unterschiedliche Informationstiefen erschließen kann. Da der Prozess des visuellen Wahrnehmens unmittelbar an den Raum gebunden ist und der Mensch seine Umwelt dreidimensional interpretiert, wird auch analysiert, nach welchen räumlichen Mustern visuelle Eindrücke geordnet werden, welche visuellen Gestaltungsmittel die räumliche Interpretation beeinflussen und welche Indikatoren der visuellen Wahrnehmung die performative Raumbildung begünstigen. Damit wird nachgewiesen, dass räumliche Erfahrungswerte aus der Wahrnehmung objektiver Bezugsgrößen resultieren, die Auskunft über den Charakter des Raumes geben, die Stimmung prägen, die von ihm ausgeht und als Gesamtheit den interaktiven Nutzungsverlauf lenken. Weiterhin wird untersucht, inwieweit die traditionellen architektonischen Gestaltungsmittel auch das Nutzerverhalten im Internet beeinflussen und dabei die performative Raumbildung fördern. Da der Prozess des räumlichen Wahrnehmens in unterschiedlichen Dimensionen als Sinneswahrnehmung verläuft, werden diese mit dem Resultat menschlicher Verhaltensweisen abgeglichen und zu den formalen und funktionalen Merkmalen des Raumes in Bezug gesetzt. Abschließend wird untersucht, worauf sich die Leistung eines Raumes bezieht und welche Faktoren dessen funktional-ästhetische Wirkung prägen. Dabei wird deutlich gemacht, wie die Raumleistung von den Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Raumelementen und deren Verhältnis zum Nutzer bestimmt wird. Das trifft insbesondere auf den immersiven Bildraum grafischer Benutzeroberflächen zu, dessen visuelles Gestaltungsraster im Ambiente aus Formen und Farben zur interaktiven Nutzung motiviert und den Nutzer zur performativen Raumbildung anregt.
Thomas Moritz
Kapitel 7. Benutzeroberfläche als Bildraum
Zusammenfassung
Da die wechselseitige Kommunikation zwischen dem Nutzer und einem Computersystem in der Regel über den immersiven Bildraum einer grafischen Benutzeroberfläche erfolgt, die als visuelle Schnittstelle fungiert, wird untersucht, inwieweit auch der zweidimensionale Screen des Computerbildschirms einen Raum interpretiert, der dem Nutzer einen dreidimensionalen Informations- und Kommunikationsraum suggeriert, in dem er sich frei bewegen und mit den anderen Nutzern kommunizieren kann. Die Schwierigkeit besteht dabei explizit darin, die Gestaltungs- und Nutzungsaspekte eines dreidimensionalen Raumes auf die begrenzten und begrenzenden Maße der zweidimensionalen Bildschirmoberfläche zu adaptieren. Daher wird analysiert, mit welchen visuellen Gestaltungsmitteln die Zweidimensionalität des Bildschirms so zu modifizieren ist, dass er bei seinem Nutzer ein immersives Raumgefühl erzeugt, das ihn dazu befähigt, alle Funktionen des Computersystems effizient zu nutzen, um sich zielsicher im mentalen Nutzungsraum des Internets zu bewegen. Dabei ist zu beachten, dass nicht allein das visuelle System der grafischen Benutzeroberfläche immersive Raumeindrücke evoziert, sondern auch die Funktionalität der jeweiligen Computeranwendung. Daher sollten funktionale und informative Elemente systematisch geordnet und eindeutig visualisiert sein, damit sie einem potenziellen Nutzer ihre Anwendungsmöglichkeiten offerieren. In diesem Kontext wird auf die Screenografie der interaktiv nutzbaren Informations- und Kommunikationssysteme, als einem didaktisch strukturierten Regelwerk zur systematischen Gestaltung von grafischen Benutzeroberflächen und auf die Bedeutung deren Systemischen Designs verwiesen. Es wird dargestellt, welchen formalen und funktionalen Anforderungen so ein Systemisches Design genügen muss, um den Vorgaben für Nutzerfreundlichkeit (Usability), intuitivem Zugang zu den Funktionen und Informationen (Acessibility) und funktional-ästhetischer Visualisierung aller Elemente (Visibility) zu entsprechen. Da es sich auch beim Internet um ein räumlich strukturiertes, interaktiv nutzbares Informations- und Kommunikationssystem handelt, sind viele Begriffe, die zur Definition von realen Raumsituationen verwendet werden, auch für die interaktive Internetnutzung relevant. Als Sinnbilder verallgemeinern sie abstrakte Vorgänge und kennzeichnen räumliche Gegebenheiten, sind als Metaphern der Umgangssprache Synonym menschlicher Befindlichkeiten und fördern die räumliche Vorstellungkraft des Nutzers, da er sie bereits als Konvention verinnerlicht hat. Deshalb sind sie auch bei der systematischen Gestaltung von grafischen Benutzeroberflächen aufzugreifen und auf deren Systemisches Design zu adaptieren. Schlussfolgernd wird festgestellt, dass die Herausforderung für die Entwickler darin besteht, die einengende Zweidimensionalität der Bildschirmoberfläche durch die gezielte Anwendung von perspektivischen Hilfsmitteln aufzuheben, so das sie zum immersiven Bildraum erweitert wird. Deshalb wird aufgezeigt, welche raumerweiternden Gestaltungsmittel dazu beitragen, beim Betrachter einen dreidimensionalen Raumeindruck zu erzeugen. In diesem Kontext wird der Farbperspektive eine besondere Bedeutung beigemessen, da sie die Tiefenwirkung der Visualisierung erhöht und deren Kontraste verstärkt, was wesentlich zur räumlichen Wirkung beiträgt. Eine weitere Methode zur Erhöhung der Bildtiefe ist die systematische Gliederung der Bildfläche als visuelles Gestaltungsraster, das sie morphologisch in kleinere geometrische Einheiten unterteilt und dadurch einen mehrdimensionalen Informationsfluss impliziert. Als ein ästhetisches Teilungsprinzip auf Basis mathematischer Reihung gibt das Gestaltungsraster dem Nutzer einen effizienten Nutzungsverlauf vor, motiviert ihn im visuellen Ambiente aus Formen und Farben zur Interaktion mit dem Computersystem und orientiert ihn im mentalen Nutzungsraum des Internets.
Thomas Moritz
Kapitel 8. Fazit
Zusammenfassung
Raumbildende Prozesse ereignen sich dann, wenn der Zuschauer im Theater oder an einem anderen Ort das Bühnengeschehen verfolgt oder der Anwender im mentalen Nutzungsraum des Internets eine Handlung ausübt, indem er mittels der grafischen Benutzeroberfläche mit dem Computersystem interagiert. Die Historie der mentalen Raumbildung reicht weit zurück bis zu den Arenen der Amphitheater in der griechischen und römischen Antike, wo die Bühne kreisförmig von ansteigenden Rängen für die Zuschauer umgeben war, die im gebührendem Abstand das Geschehen auf der Bühne verfolgten. Das ist in den historischen Theaterbauten auch heute noch so, wo der Zuschauerraum lokal vom Bühnenraum getrennt ist, der einem in sich abgeschlossenen Kubus gleicht und lediglich einseitig zu den Zuschauern hin geöffnet ist. Der mentale Nutzungsraum des Internets entspricht einem performativen Informations- und Handlungsraum, der entsteht, wenn der Nutzer mittels der grafischen Benutzeroberfläche gezielt mit dem Computersystem interagiert. Performative Raumbildung impliziert aktives Handeln und ist stets an die Aktionen gebunden, die den mentalen Raum formen, der im Kopf des Protagonisten entsteht. Im Theater oder an anderen Spielorten entsteht ein gemeinsamer Erlebnisraum wenn sich Darstellungs- und Rezeptionsraum im Kontextabgleich als mentaler Gemeinschaftsraum vereinen. Dagegen formt der Internetnutzer den mentalen Nutzungsraum performativ, der auch nur von ihm selbst als solcher wahrgenommen und erlebt werden kann.
Thomas Moritz
Metadaten
Titel
Szenografie digital
verfasst von
Thomas Moritz
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-39809-5
Print ISBN
978-3-658-39808-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39809-5

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