Die junge Führungselite ist offen, agil, lernbereit und achtsam. Doch die Top-Talente schwächeln in punkto Zielfokussierung, so eine Studie. Eine spezifische Führungskräfte-Ausbildung kann helfen.
Die Führungselite von morgen ist weniger konkurrenzorientiert als die jetzige Managergeneration und legt mehr Wert auf das Miteinander.
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Die Zeiten ändern sich: Unternehmen agieren global, Geschäftsmodelle werden digital, Mitarbeiter sind international. Und mit dem Generationswechsel kehrt in den Führungsetagen auch ein anderer Führungsstil ein. Denn die Führungselite von morgen ist weniger konkurrenzorientiert und legt mehr Wert auf das Miteinander als die Vorgängergeneration. Der in den meisten Firmen verbreiteten Fehlervermeidungskultur können junge Top-Nachwuchskräfte ebenfalls wenig abgewinnen. Sie stehen stattdessen zu Fehlern und Kompetenzdefiziten und begreifen Scheitern als positive Herausforderung. Achtsamkeit lautet ihre Devise, die auch zu einer vergleichsweise positiveren Lebenseinstellung führt.
Zu diesen Ergebnissen kommt jedenfalls die Studie "Digital Native Leader - Mit Achtsamkeit und Positivität zum Erfolg von Julian Kawohl und Simon Helmle von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und dem Management-Coach Jan Brecke. Die Forscher haben hierfür die Persönlichkeit und Erfolgsmuster der vom Weltwirtschaftsforum (WEF) zu Global Shapers gekürten Top-Nachwuchskräfte untersucht. Diesem Netzwerk gehören weltweit rund 6.000 junge Top-Talente im Alter von 20 bis 29 Jahren an, denen das Forum künftig einen großen Beitrag zur Weltgemeinschaft und eine Führungsrolle zutraut.
Weniger auf den eigenen Vorteil fixiert
Die zweistufige Untersuchung, die auf elf Interviews sowie der Befragung von 108 aktuellen und gestandenen Global Shapers zwischen 23 und 35 Jahren aus 57 Nationen beruht, deckt zentrale Charakteristika der "Generation Y"-Spitzenkräfte auf. "Während die traditionelle Führungselite eher auf den eigenen Vorteil fixiert war und ist, agieren die Digital Leader von morgen netzwerkorientierter und achtsamer“, erklärt Julian Kawohl.
Als zentrale Schwäche der jungen, digitalen Elite identifiziert die Studie hingegen die mangelnde Fokussierung ihrer Aktivitäten. Durch die Vielfalt an Möglichkeiten und die – dank der Digitalisierung – sofortige Verfügbarkeit aller Optionen fielen dem Führungsnachwuchs die Konzentration auf wesentliche Ziele, aber auch der Bedürfnisaufschub sehr schwer. Zudem könnten Digital Natives, die von ihren Eltern überwiegend uneingeschränkte Bestätigung kennen, kritisches Feedback schwerer annehmen.
Auf die Fähigkeiten dieser künftigen Führungskräfte können Unternehmen im War for Talents jedoch keinesfalls verzichten, wenn ihnen die digitale Transformation und eine zukunftsgerichtete Entwicklung gelingen soll. Insofern führt kein Weg daran vorbei, der neuen Führungskräfte-Generation entgegen zu kommen. Unternehmenskulturen müssen sich ändern und Defizite des Nachwuchses durch gezielte Unterstützung abgebaut werden.
Unternehmenskultur im Fokus
Das Forscherteam um Julian Kawohl leitet aus den Studienerkenntnissen folgende Handlungsempfehlungen ab:
Implikationen für Organisationen | Implikationen für Digital Native Leaders selbst |
Stärkung von Achtsamkeit und Agilität (von "Testosteron-Top-down" zu "Silicon-Valley-bottom-up"): Entwicklung entsprechender Kompetenz- und Kulturmodelle | Implementierung von Weiterentwicklungs- und Weiterbildungsmodellen, entsprechend dem Persönlichkeitsprofil der künftigen Führungselite |
Zusammenarbeit fördern: Verbindung starrer Firmenkulturen mit dynamischen, sich schnell ändernden Einflüssen der künftigen Führungselite | Coaching hinsichtlich
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Stärkung der Partizipation: Etablierung von Möglichkeiten der Mitgestaltung von Strategie, Ausrichtung und Zukunft der Organisation |
Dass Handlungsbedarf bei der Führungskräfte-Entwicklung besteht, sieht auch Anke Lüneburg so. Die Springer-Autorin plädiert für eine explizite "Ausbildung zur Führungskraft im Unternehmen". Zwar würden – gerade auch neue – Führungskräfte von ihren Firmen teilweise Unterstützung erhalten, um ihrer Rolle gerecht zu werden, etwa durch Workshops, Mentoring oder Coaching. Dennoch stellt Lüneburg fest, "dass sich offenbar nur die großen Unternehmen lange 'echte' Ausbildungen leisten können – oder nur diesen Unternehmen ist es das wert". (Seite 235)
Zwei Lehrjahre für die künftige Elite?
Dabei sprechen gute Gründe für eine längere und gezielte Ausbildung, die zukünftigen Führungskräften hilft, umfassendes Wissen und Führungskompetenzen zu entwickeln. Hierfür stellt die Autorin das Modell einer Führungskräfte-Ausbildung vor, das auch von kleinen und mittleren Unternehmen umgesetzt werden könne, wenn sie etwa mit befreundeten Firmen gemeinsam planten. Die zweijährige Ausbildung sollte laut Lüneburg "vor allem aus Grundmodulen zur Wissenserweiterung von Führungs-, Sozial- und Selbstkomponenten bestehen, die der Entwicklung der Führungspersönlichkeit dienen". (Seite 236) Wichtigstes Ziel der Ausbildung sei das Gewinnen der inneren Haltung als Führungskraft.
Anke Lüneburg, Ausbildung zur Führungskraft im Unternehmen, Seite 240