2011 | OriginalPaper | Buchkapitel
Terrorismus und Geschichtswissenschaft
verfasst von : Sylvia Schraut
Erschienen in: Terrorismusforschung in Deutschland
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Der Beitrag setzt sich mit dem aktuellen Stand der geschichtswissenschaftlichen Terrorismusforschung auseinander. Er basiert auf den folgenden Grundüberlegungen: Bislang spielte die Geschichtswissenschaft in der wissenschaftlichen Analyse des bundesdeutschen Terrorismus der 1970er Jahre oder des gegenwärtigen internationalen terroristischen Geschehens nur eine untergeordnete Rolle. Versuche, zeitgeschichtliche terroristische Phänomene zu historisieren, unternahmen dagegen mitunter Vertreter anderer Disziplinen, ohne dass sich bislang ein überzeugender Ansatz herausgebildet hätte, Terrorismus als spezifisches Phänomen nichtstaatlicher politischer Gewalt für die Epoche seit der Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft und der entstehenden Demokratien im Europa (19. – 21. Jh.) analytisch zu fassen. Der Beitrag geht von derzeit relativ konsensfähigen Elementen einer Terrorismusdefinition aus, welche die kommunikativen Funktionen terroristischer Akte in den Mittelpunkt stellen und die verübten Gewaltakte primär als Medium zentraler politischer Botschaften interpretieren. Terrorismus als kommunikative Strategie ist in historischer Perspektive zu verbinden mit bürgerlicher Öffentlichkeit als Austragungsort politischer Debatten und dem Legitimationsdruck, dem staatliche Herrschaft seit dem 19. Jahrhundert unterliegt. Auf der Basis des gewählten definitorischen Zugangs erscheinen öffentliche Debatten über Ausprägungen des Terrorismus als Diskurs, in dem Überlegungen zur Legitimität des Regierungssystems, zu Sicherheitsvorstellungen, Konzepten politischer Partizipation und Regularien des Umgangs mit politischen Minderheiten oder Außenseitern seit dem 19. Jahrhundert „amalgamieren“. Damit geraten Formen der Generierung, Tradierung und Kanonisierung von Wissen und Deutungsmustern im Kontext terroristischen Geschehens in langer Zeitlinie in den Blick. Für einen solchen Ansatz lassen sich Schnittstellen zu zahlreichen historischen Forschungsgebieten aufzeigen: so etwa zur historischen allgemeinen Gewaltforschung, zur Forschung über Erinnerungskultur und zur historischen Genderforschung.