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2009 | Buch

Theatralisierung der Gesellschaft

Band 2: Medientheatralität und Medientheatralisierung

herausgegeben von: Herbert Willems

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

Frontmatter
Zur Einführung: Medientheatralität und Medientheatralisierung
Zusammenfassung
Der vorliegende 2. Band des zweibändigen Sammelwerks „Theatralisierung der Gesellschaft“ schließt an die konzeptuellen, theoretischen und analytischen (Vor-)Arbeiten des 1. Bandes an, der – an dem Leitkonzept der Theatralität und an der Leitthese der Theatralisierung orientiert – vor allem auf interaktionszentrierte Lebenswelt(en) jedermanns, auf spezielle (Gruppen-)Kulturen (Spezialkulturen, Szenen) sowie auf soziale Felder im Sinne von Norbert Elias und Pierre Bourdieu bezogen ist: Politik, Sport, Religion, Wissenschaft, Medizin/Psychotherapie, Kunst, Wirtschaft usw. Vor diesem Hintergrund fokussiert der 2. Band die Massenmedien1 bzw. die verschiedenen massenmedialen Programmbereiche und das Internet3. Hierbei liegen die Bezüge zur Metaphorik des Theaters und zu den ‚Aspekten‛ von Theatralität, wie sie im 1. Band entfaltet wurden, besonders deutlich auf der Hand: Es geht mit und in ‚den Medien‛ ganz offensichtlich und wesentlich um Bühnen, Inszenierungen, Performanzen/(cultural) performances, Events, Korporalität (einschließlich Abwesenheit von Korporalität), Skripts, Images, Rituale, strategische Informationspolitiken, Publika usw.
Herbert Willems
Überblick über das Werk und Zusammenfassungen
Zusammenfassung
In den beiden Bänden des vorliegenden Werks wird Fragen der Theatralität und der (Ent-) Theatralisierung vor dem Hintergrund konzeptueller und theoretischer Vorüberlegungen hauptsächlich empirisch-analytische Aufmerksamkeit geschenkt. Es geht im Rahmen einer Art Bestandsaufnahme, die vor allem im Bezug auf die Gegenwartsgesellschaft im weitesten Sinne differenzierungstheoretisch orientiert ist, um verschiedene sozio-kulturelle Kontexttypen und Ordnungsebenen, auf denen sich die hier gemeinten Tatsachen darstellen und abspielen. Mit der entsprechenden Gliederung des Werks kann und soll aber keine absolute Trennbarkeit der verschiedenen Kontexte und Ebenen von Theatralität und (Ent-)Theatralisierung unterstellt werden. Vielmehr muss es sich hier eher um den Versuch handeln, kategoriale Ordnung auf ein immer komplexer und dynamischer werdendes Gefüge von Beziehungen, Interdependenzen und Wechselwirkungen zu projizieren. Dies gilt nicht zuletzt im Hinblick auf die alle sozio-kulturellen Bereiche aufgreifende und penetrierende Rolle der Massenmedien und des Internets, der der 2. Band gewidmet ist.
Herbert Willems

Massenmedien

Frontmatter
Politikvermittlung als legitimes Theater?
Die Zuwanderungsdebatte im Bundesrat als Bühnenstück für die Medienöffentlichkeit
Zusammenfassung
Im Kontext der vorliegenden Untersuchung war entscheidend, in welcher Form das Thema „Zuwanderung“ behandelt wurde, ob die Problemsichten thematisch behandelt und strukturiert wurden, oder ob politische Realität als verzerrt erschien, weil nur unzureichend informiert wurde, und inwiefern die Themenstruktur der über Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit die relevanten politischen Prozesse angemessen widergespiegelt und eingeordnet hat.
Christian Schicha
Von der Stellvertretung zur Selbstinszenierung
Medienintellektuelle in Frankreich
Zusammenfassung
In den zahlreichen Analysen und Reflexionen der beiden jüngsten Jahrzehnte zum Zerfall oder zur Transformation der kritischen Öffentlichkeit tritt die Frage in den Vordergrund, ob beziehungsweise wie die Intellektuellen als Verursacher oder als Opfer in diesen Vorgang verwickelt sind. Jürgen Habermas hat in seiner Rede zur Verleihung des Bruno-Kreisky- Preises im März 2006 sich eben dieser Frage angenommen: „Vermissen wir nicht die großen Auftritte und Manifeste der Gruppe 47, die Interventionen von Alexander Mitscherlich oder Helmut Gollwitzer, die politischen Stellungnahmen von Michel Foucault, Jacques Derrida und Pierre Bourdieu, die eingreifenden Texte von Erich Fried oder Günter Grass? Liegt es wirklich an Grass, wenn dessen Stimme heute kaum noch Gehör findet? Oder verhält es sich vielleicht so, daß sich in unserer Mediengesellschaft erneut ein Strukturwandel der Öffentlichkeit vollzieht, der der klassischen Gestalt des Intellektuellen schlecht bekommt?“ (Habermas 2006: 553 f.). Die Verbreitung und Nutzung des Fernsehens und des Internets habe zur ungeahnten Ausweitung der Medienöffentlichkeit und zur beispiellosen Verdichtung der Kommunikationsnetze geführt. Die Intellektuellen, deren Medium die Öffentlichkeit ist, seien jedoch aufgrund dieser Expansion und Binnenfragmentierung der Medienöffentlichkeit gleichsam durch den Erstickungstod bedroht. Als Thema der Intellektuellenforschung sind der Siegeszug des Fernsehens und seine Auswirkungen auf die Konstituierung von Öffentlichkeit in der Tat eine vorrangig erörterungsbedürftige Frage. Zu ihrer Beantwortung lohnt es sich – ebenso wie zu Erklärung anderer Aspekte der Intellektuellensoziologie (vgl. Bock 1998) – den Diskussionsstand in Frankreich zur Kenntnis zu nehmen.
Hans Manfred Bock
Krise der Theatralität(stheorie)?
Der Zusammenbruch des Neuen Marktes aus der Sicht von Finanzmarktprofessionellen
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wenden wir die These der Theatralisierung der Gesellschaft auf das Verhältnis zwischen Masseninformationsmedien und Finanzwirtschaft an und bewerten sie vor diesem empirischen Hintergrund neu. Das Passungsverhältnis zwischen diesen beiden gesellschaftlichen Subsystemen wird nicht nur aus einer funktionalistischen, sondern auch aus einer krisentheoretischen Sicht dargestellt. Die Konsequenzen einer krisentheoretischen Sicht auf die Theatralität der Gesellschaft werden dann anhand von Interviewmaterial mit Finanzmarktprofessionellen verdeutlicht, weil die Prekarität einer scheinbar funktionalen Entsprechung von Medien und Finanzwirtschaft auf makroinstitutioneller Ebene bevorzugt aus lebensweltlicher Perspektive der Akteure, die mit ihren Handlungsstrategien Teil beider Systeme sind, zum Ausdruck kommt. Abschließend möchten wir, als Alternative zu der modernisierungstheoretischen Generalisierung des Theatralitätstheorems, zu einer Perspektive einladen, die in stärkerem Maße die Kontingenz und Spezifik makroinstitutioneller Komplementarität auf dem Gebiet der Theatralität in den Mittelpunkt rückt.
Andreas Langenohl, Kerstin Schmidt-Beck
Mediatisierte Religion: Die Mediatisierung des Religiösen am Beispiel des XX. Weltjugendtags
Zusammenfassung
Historisch gesehen ist es sicherlich nicht möglich, Religion jenseits von Medien bzw. Religionswandel jenseits von Medienwandel zu verstehen. Dies macht allein die jüngere europäische Religionsgeschichte deutlich: Der Protestantismus bspw. kann unabhängig von der Etablierung des massenhaften Buchdrucks nicht angemessen eingeschätzt werden. Aber die Bedeutung der Medien für die Religion liegt nicht nur in der Vermittlungs- und Verbreitungsfunktion, sondern deren Auswirkungen sind sehr viel fundamentaler: Das Religiöse selbst ist medial durchdrungen. Denn lange vor dem Aufkommen der Massenmedien etabliert sich eine hoch professionelle und künstlerisch ambitionierte visuelle Religionskultur, von der eine starke suggestive Kraft auch auf weniger religiös-musikalische Menschen, um eine Wendung von Max Weber aufzugreifen, ausgeht. Als gleichsam paradigmatisch sind hier die religiösen Motive in Kirchenfenstern zu betrachten, deren Lichtdurchflutung das Kircheninnere in einen heiligen Raum verwandelt, in den die Anwesenden eintauchen und tiefe Spiritualitätserfahrungen machen können. Allerdings können religiös-visuelle Darstellungen auch entkontextualisiert – und damit entzaubert werden. Das religions- und kunsthistorisch vielleicht berühmteste Beispiel ist Michelangelos Deckenbild ‚Die Erschaffung des Adam‛ in der Sixtinischen Kapelle in Rom, dessen Motiv in der spätmodernen Alltagskultur des Films oder der Werbung allenthalben reproduziert wird. Man hat bisweilen den Eindruck, dass heute die Welt des Säkularen geradezu durchsetzt ist mit Motiven und Versatzstücken aus dem christlichen Bild- und Zeichenkosmos. Insofern ist jede Betrachtung der Geschichte von Religion, Religiosität und Spiritualität auch eine Betrachtung von Medien- und Kommunikationswandel, worauf verschiedene Überblicksdarstellungen dieses Forschungsfelds hinweisen (siehe hierzu exemplarisch für andere Knoblauch 1999).
Andreas Hepp, Veronika Krönert, Waldemar Vogelgesang
Fernsehsport zwischen Repräsentation und Inszenierung – Das Beispiel Fußball
Zusammenfassung
Hinter der Oberfläche der Erscheinungen liegen die harten Fakten verborgen. Besonders Jahre wie 2004 und 2006, in denen Olympische Spiele und eine Fußball-Weltmeisterschaft stattfanden, lassen den Eindruck entstehen, außer Sport habe es im Fernsehen wenig andere Programme gegeben. Doch dieser der selektiven Wahrnehmung geschuldete subjektive Eindruck täuscht.
Lothar Mikos
Vom Bühnenstück zum Mitmach-Theater
Über Theatralisierungen in der Werbung
Zusammenfassung
Es bedarf keiner großen Originalität, um Werbung mit der Metapher des Theaters zu verbinden – sind wir doch jeden Tag Zuschauer diverser Aufführungen, die auf der Werbebühne gespielt werden. Gegeben wird das Stück: „Kauf mich, und du bist glücklich!“ Vorgeführt und inszeniert werden Produkte und Dienstleistungen mit ihren je spezifischen Eigenschaften und Leistungen, gern auch in den moderneren Varianten von Sponsoring, Licensing, Schleichwerbung sowie den virtuellen Lifestyle-Szenarien, in denen die beworbenen Waren nur noch eine vermeintliche Nebenrolle spielen als Garanten der (möglichen) Teilhabe der Zuschauer an diesen Welten.
Ralf Vollbrecht
Werbung mit dem kleinen Unterschied
Zusammenfassung
Plakatwände, Illustrierte, Radio, Fernsehen oder Internet versuchen jeden Tag aufs Neue, unsere Aufmerksamkeit zu binden. Ein hoher Prozentsatz dieser massenmedial verbreiteten Informationen besteht aus Werbung, deren einzige Daseinsberechtigung eben jene Bindung sogenannter ‚folgenreicher Aufmerksamkeit‛ darstellt (vgl. Schmidt 2000: 235).
Cornelia Eck, Michael Jäckel
„Darf ich auch einmal irgendwo nicht reinpassen?“
Darstellung und Wahrnehmung von Frauen in Werbeanzeigen
Zusammenfassung
Die Diskussion über die Überwindung der Geschlechtergrenzen und Geschlechterordnung ist nicht neu. Im Zuge vielfältiger Bemühungen und Initiativen auf den unterschiedlichsten Ebenen, z.B. in der pädagogischen Ausrichtung durch das Anwerben von Mädchen für Männerberufe („Girls Days“) und im Gegenzug durch das Aufzeigen neuer Lebenswege für den männlichen Nachwuchs (Projekt: „Neue Wege für Jungs“1) oder auf politischer Ebene durch die Einführung eines Elterngeldes, um das Aufziehen von Kindern zur Angelegenheit von Frau und Mann zu machen, steht diese Thematik allerdings nach wie vor im Zentrum gesellschaftlicher Fragestellungen.
Julia M. Derra, Michael Jäckel
Werbung für Literatur: das Bestseller-System
Zusammenfassung
Die folgenden Beschreibungen würde ich als die Nebenwirkungen der teilnehmenden Beobachtung eines Hobby-Soziologen bezeichnen. Als solcher sehe ich mich von Richard Sennett, Erving Goffman, Alois Hahn und vor allem Niklas Luhmann beeinflusst. Da ich jedoch auch eine gehörige Ladung vom ethnographischen Skeptizismus von Clifford Geertz und von Nigel Barley abbekommen habe, nehme ich mir vor allem an Barley ein Beispiel und wähle die Form des strukturalen Erzählens, ohne auf die Literatur über Werbung zu verweisen, die ich nicht gelesen habe.
Dietrich Schwanitz
Performativität im Fernsehen am Beispiel der Daily Talks
Selbstdarstellung, Inszenierung von Privatheit und moralischer Konsens
Zusammenfassung
Seit in den 1970er Jahren Dietmar Schönherr im Westdeutschen Rundfunk (WDR) mit seiner Talkshow Je später der Abend auf Sendung gegangen war, herrschte im deutschen Fernsehen der gepflegte Abendtalk vor, in dem zumeist prominente Gäste mit fast ebenso prominenten Moderatoren über Politik, Kultur und andere wesentliche Dinge des Lebens diskutierten. Das wurde erst zu Beginn der 1990er Jahre mit den täglichen Talkshows anders. Hier kamen Menschen wie du und ich zu Wort, die von alltäglichen Problemen und manchmal auch von exotischen Lastern und Tugenden berichteten. Unter Kulturkritikern und Medienwissenschaftlern sorgte das für Irritation. Der Umgang mit dem Phänomen war von oberflächlicher Beobachtung geprägt.
Lothar Mikos
Vom lieben Wort zur großen Fernsehinszenierung
Theatralisierungstendenzen bei der (Re)Präsentation von ‚Liebe‛
Zusammenfassung
Bochum: In der ausverkauften Halle donnert der ‚Starlight-Express‛ wie in vielen Monaten zuvor seinem Sieg und der Liebeserfüllung entgegen. Heute ist das offizielle Ensemble erweitert: Ralf Z. zieht im passenden Outfit (Kostüm und Rollschuhe) mit rudernden Armen und wackligen Beinen einige Bahnen auf dem glatten Parkett, steuert dann Tanja S. an, die nichtsahnend im Publikum sitzt, kniet vor ihr nieder, erklärt dann, dass er sie liebe und zu heiraten wünsche. Liebeserklärung und auch Tanjas Reaktion sind nicht nur für die beiden zu hören, sondern erreichen über die Saallautsprecher auch die etwa 2.000 Zuschauer. Diese folgen dem Geschehen sichtlich wohlwollend – man applaudiert.
Jo Reichertz
„Duell der Formate“ – (Selbst-)Inszenierungsstrategien der deutschen Comedy-Show „TV total“
Zusammenfassung
(Selbst-)Darstellungs- resp. (Selbst-)Inszenierungsprozesse sind Teil der rituellen Ordnung alltaglicher sozialer Austauschprozesse. Insbes. Erving Goffman hat in seinen Untersuchungen gezeigt, dass soziales Handeln nicht nur hinsichtlich instrumenteller (Mittel, Zwecke), normativer ((Rollen.)Konformitat) und kommunikativer (Information, Absicht) Aspekte, sondern immer auch hinsichtlich ritueller Aspekte beobachtbar ist (vgl. insbes. Goffman 1969, 1971a).2 Die Art und Weise, wie etwas getan wird und wie Akteure sich durch die Form ihres Tuns ins Verhaltnis zu gegebenen Situationen setzen, kurz: wie Menschen ihr Tun unter Bezugnahme auf antizipierte Erwartungsstrukturen darstellen oder in Szene setzen, verweist darauf, wie Akteure sich und die Situation interpretiert haben mochten.
Axel Schmidt, Andrea Teuscher, Klaus Neumann-Braun
Kult-Inszenierungen und Vermarktungsstrategien im „mentalen Kapitalismus“: Zum Wandel medialer Theatralität durch Marketingstrategien
Zusammenfassung
Was vor wenigen Jahren noch für die Harald Schmidt Show und Wetten, dass ... galt, scheint sich nun vor allem für die Sendung TV total von Stefan Raab zu bewahrheiten: Auftritte in diesen Formaten ließen und lassen sich als Gradmesser für das Marketingpotenzial und den Kultstatus von jungen Mediensternchen bis hin zu Politikern werten.
Udo Göttlich, Jörg-Uwe Nieland
Markante Persönlichkeiten – Prominente als Marken der Gegenwartsgesellschaft
Zusammenfassung
„Mary-Kate and Ashley“ lautet der Markenname, der bei amerikanischen Jugendlichen unter 14 Jahren bekannter ist als Coca-Cola (vgl. Jensen 2004: 46ff.). Bereits im Kleinkindalter wurden die amerikanischen Zwillinge Mary-Kate und Ashley Olsen systematisch vermarktet und crossmedial inszeniert. Der wirtschaftliche Erfolg von „Mary-Kate and Ashley“ begann mit Auftritten in TV-Serien und Familienfilmen, schnell kamen Bücher, CDs und Videospiele rund um das Leben der Teen-Stars auf den Markt, zudem Modepuppen, Kosmetikprodukte und exklusiv durch Wal-Mart vertriebene Bekleidung. Mittlerweile sind die einstigen Kinder- Stars Mary-Kate und Ashley Olsen erwachsen. Dennoch lassen sich mit dem Image „der niedlichen Zwillingsschwestern“ nach wie vor Milliarden-Umsätze (vgl. ebd.) erzielen. Das Beispiel zeigt, dass Menschen Fixpunkte wie Stars suchen, Symbolfiguren, die sie als vertraute Größen in ihren Alltag integrieren.
Sven Henkel, Benjamin von Walter
Parasoziale Authentizitäten oder Welche Identitäts-Unterschiede Stars in Mediengesellschaften machen
Zusammenfassung
Identität ist eine relationale und bisweilen irrationale Angelegenheit, auch und gerade heute in Zeiten eines medial geprägten und somit hochkontingenten Alltags. In Mediengesellschaften sehen sich Medien-Nutzer mit kulturellen Haltlosigkeiten konfrontiert, zu deren Bewältigung sie auf Anker angewiesen sind, die ihnen Momente relativ stabiler Identitätswahrnehmung ermöglichen.
Katrin Keller

Internet

Frontmatter
Theatrale Aspekte des Internet.
Prolegomena zu einer zeichentheoretischen Analyse theatraler Textualität
Zusammenfassung
In Zeiten des Übergangs haben Metaphern Konjunktur. Und das ist keineswegs verwunderlich.Denn die Metapher, d.h. die Übertragung von einem semantischen Bereich in einen anderen, ist dasjenige sprachliche Instrument, das es uns erlaubt, einen Übergang als Übergang in Worte zu fassen. Die Metapher ist ein Ausdruck, der in sich selbst changiert, d.h. den historischen Übergang als semantischen Übertragungsprozess zur Darstellung bringt. In Zeiten des Übergangs, in denen mit den Phänomenen auch die Begriffe in Bewegung geraten, gibtes kaum exaktere und angemessenere sprachliche Instrumentarien als Metaphern.
Mike Sandbothe
‚Theatralität der Abwesenheit‛
Grundrisse einer dramatologischen Betrachtung der neuen Medien
Zusammenfassung
Die neuen Medien haben in der Zeit ihrer Existenz bereits einen tief greifenden Wandlungsprozess vollzogen, der mindestens zwei zentrale Aspekte aufweist. Zum ersten kann man von der Ausbildung eines weltweit verfügbaren und in Hochgeschwindigkeit operierenden Netzwerkes sprechen, in dem jederzeit Jeder mit Jedem in Verbindung treten kann. Es geht in diesem Zusammenhang um einen Kommunikationsraum, der nach wie vor expandiert und dabei ständig neue Facetten ausbildet: leistungsfähigere Kommunikationsplattformen, innovative Präsentations- und Publikationsmöglichkeiten, multioptionale Handlungsumgebungen mit einer zunehmenden Partizipation der Nutzer etc.
Sebastian Pranz
Homepages und Videoclip-Portale als Schauplätze theatraler Imagearbeit und ritueller Kommunikation von jungen Menschen
Zusammenfassung
In den 2000er Jahren war die Sendung „Big Brother“ in aller Munde: Im Fernsehen wurden junge Leute gezeigt, die sich rund um die Uhr selbst zu präsentieren hatten. Das audiovisuelle Real People-Format trat damit unwiderruflich seinen Siegeszug an. Ähnlich wie beim Medium Kino, wo der professionelle (Breitwand-)Kinofilm vom Laien-Heimkino (zunächst Super 8, heute Digicam-Technik) begleitet wird, versuchten sich innovationsfreudige Amateure auch an der Reality-TV-Idee und nutzten die sog. Homecam-Technik: Sie stellten sich und ihr Leben im Internet auf ihren privaten Homepages dar. Diese neue Webcam-Kommunikation bestimmte fortan die öffentliche Debatte mit und löste das bis dahin prominente Thema Chatten ab (vgl. Neumann-Braun 1999; Marotzki/Neumann-Braun 2001).
Klaus Neumann-Braun
Werbung online: Formen und Funktionen der Internetwerbung in Zeiten von Web 2.0
Zusammenfassung
Schon früh hatte die Werbebranche große Hoffnungen auf den Online-Markt gesetzt, wurde doch die Gruppe der Internetuser als finanziell potente, gebildete und technikinteressierte Zielgruppe angesehen, die sich für neue Trends und Produkte als ansprechbar erweisen sollte. Auch belegten Studien, dass die Internetnutzer eine positive Einstellung zur Werbung auszeichnete, so zeigten 68 % weitest gehendes Verständnis für Werbung in ARD/ZDF-online Angeboten (Ridder/Hofsümmer 2001). Nach dem Platzen der dot.com-Blase schienen diese Erwartungen jedoch nicht mehr erfüllbar, das Internet galt als unsicherer Marktplatz.
Caja Thimm
Les Liaisons dangereuses...
Mimikry der Werbung im Fernsehen, in Zeitungen und im Internet
Zusammenfassung
Obschon Werbetexte in ihrer Vielfalt und hinsichtlich der medialen und kulturellen Adaptierbarkeit ein durchaus heterogenes Bild entstehen lassen, glückt gemeinhin die Identifikation von Werbung – in Abgrenzung gegen andere Medientexttypen – als Genre, als kommunikative Gattung durch verschiedene Kulturtechniken, die mit dem Oberbegriff der Rezeption zusammengefasst werden können. Das Genre ist damit eine holistisch-theoretische Kategorie der Bündelung von Text-Wissen über eine Gruppe von zusammenfassbaren oder durch einen gesellschaftlichen Konsens zusammengefassten Texten, von welchen es typische und weniger typische Exemplare gibt. Dieses Wissen über Werbung wird in einschlägiger Literatur meist in einzelne Aspekte gegliedert dargestellt.
Eva Lia Wyss

Globale Diagnosen

Frontmatter
Vernetzte Zivilisationsumbrüche und Assoziationsspiele
Zusammenfassung
Menschliche Beziehungen involvieren Ängste: bei der Bildung, Aufrechterhaltung, Erweiterung von Gruppenverbänden, Staaten oder sozialen Netzwerken und bei der Regulierung und Regel-Durchbrechung in den Wettkämpfen zwischen ihnen, ebenso wie bei individuellen Entwicklungen als Embryos oder Kleinkinder bis hin zum Sterben. Kaum ein Tag, selten eine Nacht ohne diffuse Ängste oder konkrete Befürchtungen vor existenziellen Herausforderungen und extremen Gefährdungen. Die Hervorrufung von Ängsten ist Teil zahlreicher Erziehungsprozesse und war jahrzehntelang Grundelement der Strategie der Abschreckung zwischen den NATO-Staaten und dem Warschauer Pakt in Zeiten des Kalten Krieges. Terrorismus verbreitet Angst und Schrecken und wird massenhaft über Telekommunikationsmedien frei Haus geliefert.
Peter Ludes
„GAPS“
Über alte und neue Polarisierungstendenzen in Kultur und Gesellschaft
Zusammenfassung
In seinem opus magnum, „Der Mann ohne Eigenschaften“, schreibt Robert Musil mit feiner Ironie: „Dem gegenwärtigen Zeitalter sind eine Anzahl großer Ideen geschenkt worden und zu jeder Idee durch eine besondere Güte des Schicksals gleich auch ihre Gegenidee, so dass Individualismus und Kollektivismus, Nationalismus und Internationalismus, Sozialismus und Kapitalismus, Imperialismus und Pazifismus, Rationalismus und Aberglaube gleich gut darin zu Hause sind, wozu sich noch die unverbrauchten Reste unzähliger anderer Gegensätze von gleichem oder geringerem Gegenwartswert gesellen. Das scheint schon so natürlich zu sein, wie dass es Tag und Nacht, heiß und kalt, Liebe und Haß (...) gibt“ (Musil 1981: 373).
Cornelia Klinger
Backmatter
Metadaten
Titel
Theatralisierung der Gesellschaft
herausgegeben von
Herbert Willems
Copyright-Jahr
2009
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91586-9
Print ISBN
978-3-531-14921-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91586-9