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25.11.2022 | Transformation | Gastbeitrag | Online-Artikel

Insolvenzen von Online-Händlern sind kniffelig

verfasst von: Volker Böhm, Dr. Elske Fehl-Weileder

5 Min. Lesedauer

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Der Black Friday ist für Online-Händler einer der umsatzstärksten Tage. Doch auch E-Commerce-Unternehmen können in eine finanzielle Schieflage geraten. Durch das schlechte Konsumklima droht vielen die Insolvenz. Schnelles Handeln und besondere Sanierungskenntnisse sind gefragt.

 

Lange Zeit kannten die Umsätze im Online-Handel nur eine Richtung: nach oben. Inzwischen bewegt sich der Umsatz im E-Commerce auf Jahressicht in die Gegenrichtung. Bereits im ersten Halbjahr 2022 war er rückläufig, im dritten Quartal sank er im Vergleich zum Vorjahresquartal (2021) weiter. Die Zahlen des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) zeigen, dass der uneingeschränkte Boom des Online-Handels in Deutschland gebremst zu sein scheint. 

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Selbst der weltweit größte Online-Händler Amazon nimmt Kosteneinsparungen vor und streicht Stellen im fünfstelligen Bereich. Fakt ist: So sicher wie die Tatsache, dass das Wachstum im E-Commerce nicht uneingeschränkt weitergeht, ist kein Online-Händler davor gefeit, in eine finanzielle Schieflage zu geraten – gerade in einem herausfordernden Marktumfeld wie dem aktuellen.

Fahrplan für die Krise im E-Commerce

Wichtig ist, dass Geschäftsführer von E-Commerce-Unternehmen in einem solchen Fall einen klaren Plan haben und wissen, welche Faktoren für sie besonders relevant sind. Die wichtigste Maßnahme ist, die Liquidität sicherzustellen: Einerseits, um die weitere Belieferung mit Waren sicherzustellen, andererseits, um insbesondere die fälligen Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen rechtzeitig begleichen zu können – zum Beispiel Löhne und Gehälter oder Sozialabgaben. 

Die Liquidität spielt aber auch im Zusammenhang mit den Lieferanten eine Rolle, die oftmals ihren Sitz im Ausland haben. Es ist nicht unüblich, dass diese in der Krise nur noch gegen Vorkasse liefern wollen. Eine vorausschauende Planung und Absicherung der Zahlungsfähigkeit ist auch in einem saisonalen Geschäft wie zum Beispiel der Textilbranche wichtig, bei dem etwa Sommer- oder Winter-Kollektionen lange im Voraus bestellt und bezahlt werden müssen.

Gelingt es nicht, die Liquidität des Unternehmens sicherzustellen, muss die Geschäftsführung rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen – auch, um eine persönliche Haftung zu vermeiden. Stellt der Geschäftsführer den Antrag zu spät, obwohl er von der Insolvenzreife seines Unternehmens weiß, haftet er persönlich für die Schäden, die den Gläubigern dadurch entstehen. Wichtig und richtig ist: Ein Insolvenzantrag bedeutet nicht automatisch das Ende eines Unternehmens, auch nicht im Online-Handel. Die Sanierung mit Hilfe der Instrumente des Insolvenzrechts kann vielmehr die Chance für einen nachhaltigen Neustart darstellen.

Besonderheiten Insolvenz Online-Händler

Generell gilt: Krisen eines Händlers werden online schnell sichtbar. Denn die Schwierigkeiten im Unternehmen haben direkte Auswirkungen auf die Bewertung des Händlers im Internet. Das wiederum beeinflusst natürlich das Geschäft. Hier muss man in einer Sanierung schnell ansetzen – vor allem, wenn bei einem reinen Online-Handel die Kontaktanbahnung mit den Kunden nahezu ausschließlich über die Homepage oder den Webshop und Internet-Handelsplattformen erfolgt.

Online-Dienstleister von essentieller Bedeutung

Neben den Handelsplattformen sind weitere Online-Dienstleister wie Zahlungsdienste oder Suchmaschinen für das Funktionieren des Geschäftsmodells eines Online-Händlers von essentieller Bedeutung. So kann etwa der Status als sogenannter Power-Seller – mit Sonderkonditionen und hoher Reputation bei den Kunden – entscheidend in zweierlei Hinsicht sein: Zum einen lassen sich damit höhere Umsätze erzielen, zum anderen wirken sich damit verbundene Sonderkonditionen bei den Gebühren unmittelbar auf die Marge aus.

Funktionierende Lieferlogistik sicherstellen

Schnelles Handeln ist auch bei der Logistik gefragt: Die Kunden eines Online-Händlers wollen ihre Ware natürlich so bald wie möglich geliefert bekommen. Bei Rückständen gegenüber dem Versanddienstleister ist also Vorsicht geboten: Stellt dieser seine Transportleistungen ein, kommt es zu Lieferverzögerungen bei den Kunden und in der Folge zu schlechten Bewertungen im Netz.

Durch Vorkassezahlungen oder Sicherheitsleistungen kann die Abholung in der Regel sichergestellt werden, jedoch belastet dies die in der Krisensituation ohnehin knappe Liquidität zusätzlich. Besser ist es daher, an dieser neuralgischen Stelle keine Rückstände auflaufen zu lassen, zumal der Transportdienstleister auch unter Berufung auf das gesetzliche Spediteurspfandrecht die bei ihm befindliche Ware einbehalten kann.  

Bonität in einer finanziellen Krise

In Hinblick auf die Liquidität kommt eine weitere Besonderheit des E-Commerce zum Tragen: Da Kunden von Online-Händlern etwa mit Kreditkarte oder über Zahlungsdienstleister wie Paypal, Amazon Pay oder Klarna ihre Bestellungen in der Regel sofort bezahlen, kann man relativ schnell Zahlungsfähigkeit generieren. Voraussetzung ist allerdings, dass die Lieferfähigkeit des Unternehmens erhalten bleibt und die Zahlungsdienstleister mitmachen.

Die Zahlungsdienstleister haben in ihren Bedingungen häufig weitgehende Rechte zur Bildung von Einbehalten festgelegt, die sie in der Sanierungsphase unter Umständen ausüben können. In diesem Fall kann es sein, dass zunächst über einen bestimmten Zeitraum oder bis zu einem festgelegten Betrag ein Rückbehalt gebildet wird, der insbesondere für die Abwicklung von Retouren über den Zahldienstleister benötigt wird. Hinsichtlich dieses Vorgehens sollte zeitnah eine Abstimmung mit dem Zahldienstleister erfolgen, damit der Online-Händler seine Liquiditätsplanung entsprechend anpassen kann.  

Dabei muss man sich bewusst machen, dass viele Online-Zahlungsdienstleister ihren Sitz im Ausland haben. Wer sich frühzeitig um einen Ansprechpartner kümmert, der idealerweise für den deutschsprachigen Raum zuständig ist und sich insbesondere im deutschen Recht auskennt oder bereits über entsprechende Kontakte verfügt, ist damit klar im Vorteil. Denn das macht es einfacher, in der gebotenen Eile eine tragfähige Lösung für die Zusammenarbeit in der Sanierung abzustimmen.

Eine tragfähige Sanierungslösung

Eine tragfähige Lösung ist das Ziel einer jeden Sanierung. Im Insolvenzverfahren erfolgt dies häufig über eine sogenannte übertragende Sanierung. Dafür wird ein M&A-Prozess initiiert, mit dem ein Erwerber gesucht wird. Dieser erwirbt die wesentlichen Assets des insolventen Unternehmens und übernimmt damit kraft Gesetzes (§ 613 a BGB) auch dessen Mitarbeiter. So  kann der Geschäftsbetrieb auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden, ohne dass die Verbindlichkeiten des insolventen Unternehmens auf den Erwerber übergehen. 

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