Ein wesentlicher Ansatz für ein offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln ist gelebte Transparenz. Insbesondere durch die stetig fortschreitende Digitalisierung in Staat und Verwaltung wird Transparenz immer mehr möglich. Zugleich fordert die Zivilgesellschaft sie zunehmend ein. Im zweiten Kapitel werden ausgehend von Amts-, Dienst- und Staatsgeheimnissen verschiedene Formen von Transparenz 1.0 vorgestellt. Das Konzept der Informationsfreiheit sowie die damit zusammenhängende Gesetzgebung in Bund und Ländern ergänzen dies. Anschließend werden Ansätze zur Weiterentwicklung zu Transparenz 2.0 & Co vorgestellt und auf weiterführende Themen wie Whistleblowing, digitale Gerichtsöffentlichkeit und Transparenzindizes eingegangen.
2.1 Zwischen Geheimhaltung und Öffentlichkeit
Um die Forderung nach Transparenz sowie Diskussionen über ihre Grenzen nachvollziehen zu können, ist es zunächst wichtig, einen Blick auf die etablierte Tradition der Geheimhaltung in Staat und Verwaltung sowie die Konzepte der Öffentlichkeit und Rechenschaft zu werfen.
2.1.1 Amts-, Dienst- und Staatsgeheimnisse
Geheimnisse haben in der öffentlichen Verwaltung einen angestammten Platz. Das zugrundliegende Arkanprinzip, also das bewusst gewollte Verbergen von Erkenntnissen, besitzt in Staat und Verwaltung eine lange Tradition. Dabei geht es nicht um Kultbräuche und Rituale, die wie bei Priestern, Schamanen oder Magiern nur einem Kreis von Eingeweihten zugänglich gemacht werden, um etwa die eigene Person, das Amt oder die Organisation in der Gesellschaft abzusichern. Vielmehr besteht der Wunsch, dass sensible Daten und Informationen aus staatlichen Tätigkeiten anderen Personen oder Personengruppen nicht bekannt werden sollen. Dies gelingt vor allem durch Verschwiegenheit und Vertraulichkeit.
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Mit Amts-, Dienst- und Staatsgeheimnissen wurden Vorgehensweisen in der Verwaltung etabliert, um Verfahrensbeteiligten die erforderliche Verschwiegenheit und Vertraulichkeit zu garantieren. Amtsgeheimnisse sind auf einen bestimmten, nachvollziehbaren Personenkreis von Amtsträgern beschränkt. Diese unterliegen dem Amtsgeheimnis, also einer Schweigepflicht zu Tatsachen und Erkenntnissen aus nicht-öffentlichen Amtstätigkeiten. Jede Verletzung des Amtsgeheimnisses kann dienstrechtliche, arbeitsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bei Dienstgeheimnissen wird das Amtsgeheimnis auf den öffentlichen Dienst, den Polizeidienst und den Justizdienst sowie auf dessen Beschäftigten im Rahmen ihrer Diensterbringung übertragen. Ziel ist auch hier die Vermeidung negativer Auswirkungen durch ein Verbot der Weitergabe sensibler Daten und Informationen an Dritte. Dies könnte etwa die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens betreffen, geheimdiplomatische Taktik offenbaren, militärische Belange der Bundeswehr umfassen, sich um Themen der inneren Sicherheit drehen, Steuerangelegenheiten berühren oder soziale Lebenssituationen ansprechen. Zur weiteren Konkretisierung dieser Überlegungen wurden in § 4 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vier Geheimhaltungsgrade für Verschlusssachen in der Bundesrepublik Deutschland konkretisiert:
1.
STRENG GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann,
2.
GEHEIM, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann,
3.
VS-VERTRAULICH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann,
4.
VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
Staatsgeheimnisse sind in § 93 Strafgesetzbuch definiert als Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit des Staates abzuwenden. Der Verrat von Staatsgeheimnissen wird nach § 94 StGB als Landesverrat, das Offenbaren von Staatsgeheimnissen wird nach § 95 StGB bestraft. Konsequenterweise wird der richtige Umgang mit Amts-, Dienst- und Staatsgeheimnissen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst in der Ausbildung und Einführung vermittelt.
In Staat und Verwaltung gibt es aber auch zahlreiche Daten und Informationen, die öffentlich sind, keinerlei Geheimnisgraden unterliegen und an deren Verbreitung ein großes öffentliches Interesse besteht.
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2.1.2 Öffentlichkeit
Das „öffentlich machen“ von Informationen ist ein wesentlicher Bestandteil von Transparenz in Staat und Verwaltung. Aber was verstehen wir eigentlich unter „Öffentlichkeit“? Laut Duden kann unter „Öffentlichkeit“ der als Gesamtheit gesehene Bereich von Menschen verstanden werden, in dem etwas allgemein bekannt geworden und allen zugänglich ist (Duden, 2021a). Informationen, Produkte, Dienstleistungen oder Orte öffentlich zu machen bedeutet also, sie der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Sie sind dann weder geheim noch privat. Im Konzept Open Government kann Öffentlichkeit aus zwei Dimensionen heraus gesehen werden. In Bezug auf Transparenz bedeutet Öffentlichkeit der konkrete Zugang zu Informationen. Hier wiederum lassen sich besondere Formen erkennen, wie beispielsweise „digitale Gerichtsöffentlichkeit“ Abschn. 2.6. Eine zweite Dimension ist die Einbeziehung der Öffentlichkeit im Sinne von Teilhabe der Zivilgesellschaft am Regierungs- und Verwaltungshandeln Kap. 5.
2.1.3 Rechenschaft und Rechenschaftspflicht
Nach dem allgemeinen Verständnis von demokratischer Regierungsführung sind öffentliche Institutionen regelmäßig dazu angehalten Rechenschaft abzulegen. Sie müssen gegenüber der Öffentlichkeit transparent Auskünfte über Vorgänge und Entscheidungsprozesse geben, die in ihren Verantwortungsbereich fallen. Dazu bedarf es verschiedener Voraussetzungen. Zunächst ist der Zugang zu Informationen elementar, der eröffnet welche Vorgänge von den jeweiligen Verantwortlichen vollzogen wurden. Einzuhaltende Regeln und Standards müssen klar kommuniziert werden. Ebenso sind Mechanismen zur Sanktionierung wichtig, die in der Lage sind, entsprechende Konsequenzen für den jeweiligen Akteur nach sich ziehen zu können.
Über die Pflicht Rechenschaft abzulegen wird besonders unter dem englischen Begriff „Accountability“ in Politik und öffentlicher Verwaltung diskutiert. Rechenschaftspflicht kann als eine Beziehung zwischen einem Akteur und einem Forum definiert werden, in der der Akteur verpflichtet ist, das eigene Verhalten zu erklären und zu rechtfertigen, während das Forum Fragen stellen und ein Urteil fällen kann und der Akteur mit Konsequenzen rechnen muss (Bovens, 2007, S. 450).
Hintergrundinformationen
Bogumil & Jann (2020, S. 166) unterscheiden in diverse Foren von Rechenschaftspflicht in der öffentlichen Verwaltung:
Politische Rechenschaftspflicht gegenüber gewählten Politikern
Administrative oder bürokratische Rechenschaftspflicht gegenüber übergeordneten Einheiten (Ministerien, Behörden oder Abteilungen)
Finanzielle Rechenschaftspflicht gegenüber Rechnungskontrollbehörden, zum Beispiel Rechnungshöfen
Rechtliche Rechenschaftspflicht gegenüber Gerichten
Professionelle Rechenschaftspflicht gegenüber Kollegen und Berufsverbänden (wie im Falle von Medizinern, Juristen oder Angehöriger sozialer Berufe)
Soziale Rechenschaftspflicht gegenüber Klienten, Beteiligten, Interessengruppen oder Kunden, oder auch generell gegenüber Bürgern
Im Kontext eines offenen und transparenten Regierungs- und Verwaltungshandeln werden mehrere Formen der Rechenschaftspflicht angesprochen. Insbesondere geht es um politische, administrative sowie soziale Rechenschaftspflicht.
2.2 Formen der Transparenz 1.0
Im folgenden Abschnitt wird das Konzept von Transparenz erläutert sowie verschiedene Formen von Transparenz in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien vorstellt.
2.2.1 Transparenz
Transparenz wurde bereits im 18. Jahrhundert als ein Kernelement der repräsentativen Demokratie gesehen. Die Abkehr von Herrschaftswissen, hin zu einer offeneren Art der Kommunikation mit Bürgern, stellte einen wesentlichen Meilenstein in europäischen Demokratien dar. Bestärkt wurde der Anspruch an Transparenz von Politik und Verwaltung ab den 1990er-Jahren durch das Aufkommen des Internets, welches die einfache Bereitstellung von Regierungsinformationen versprach. Der Begriff Transparenz kann je nach Definition unterschiedlich ausgelegt werden. Im allgemeinen Sinne kann Transparenz als ein Zustand beschrieben werden, indem wir die Dinge, uns selbst und andere Menschen so erleben, wie sie wirklich sind, also in einem Zustand, in welchem der Schein auch der Wirklichkeit entspricht (Marks, 2001, S. 623). Transparenz wird auch mit dem Lüften des Schleiers der Geheimhaltung verglichen (Davis, 1998, S. 121) oder der Fähigkeit, Einsicht in Institutionen zu erlangen (den Boer, 1998, S. 105). Diese Beschreibungen knüpfen eng an die Definition des Dudens an (2021b), die Transparenz als ein Durchscheinen oder eine Durchsichtigkeit beschreibt und im weiteren Sinne die Durchschaubarkeit und Nachvollziehbarkeit von Geschehnissen thematisiert.
Definition: Transparenz in Staat und Verwaltung
Transparentes Handeln in Politik, Verwaltung und Justiz bedeutet, Vorgänge, Funktionsweisen, Entscheidungen und die erbrachte Leistung für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen.
In einer Demokratie gibt es zahlreiche Beispiele gelebter Transparenz. Diese sind beispielsweise die Veröffentlichung von Wahlergebnissen, öffentliche parlamentarische Debatten, das Recht auf Informationsfreiheit, das Prinzip der Öffentlichkeit bei der Haushaltsplanung, Rechtssicherheit, öffentliche Prozessverhandlungen vor Gericht oder eine freie Presse. Ziel dieser Maßnahmen ist es, Korruption, Machtmissbrauch und Herrschaftswissen zu verhindern. Im Folgenden wird genauer zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Formen der Transparenz unterschieden.
2.2.2 Politische Transparenz
Anhand des sechsstufigen Politikzyklus kann veranschaulicht werden, wie Transparenz in Politik und Verwaltung umgesetzt wird. Dabei setzt die politische Transparenz bei den ersten drei Stufen und somit den Bereichen Problemdefinition, Agenda Setting und Entscheidungsfindung an Abb. 2.1. Am Anfang steht der Beschluss des jeweiligen politischen Gremiums sich mit einem bestimmten Problem zu befassen. Die möglichst detaillierten Informationen, um welches Problem es sich handelt, werden bereits jetzt öffentlich einsehbar gemacht. Hier können Web 2.0-Dienste und offene Daten eingesetzt werden, um Interessierte teilhaben zu lassen. In einem nächsten Schritt wird das definierte Problem auf die politische Tagesordnung gesetzt und diskutiert. Die Debatte darüber, ob das Thema weiterverfolgt wird, wird idealtypisch offen politisch geführt. Dies kann durch die Veröffentlichung von Dokumenten geschehen, aber auch durch Live-Übertragungen der Debatten aus dem Bundestag oder den Landtagen heraus. Nach der Darlegung und Diskussion des Problems kommt es abschließend zu einer politischen Entscheidung darüber, welcher Lösungsweg geeignet ist. Die Entscheidungsfindung wird idealtypisch ebenso transparent an die Öffentlichkeit kommuniziert. Zusammengefasst bedeutet politische Transparenz die Forderung nach frei zugänglichen Informationen und nach stetiger Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben bis hin zu den politischen Entscheidungsprozessen. Dies entspräche einem erstrebenswerten Zustand.
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In der Realität wird politische Transparenz jedoch selten so gelebt. Dies hat mitunter pragmatische Gründe. Die Grenzen politischer Transparenz liegen grundsätzlich dort, wo Konflikte durch intransparentes Verhalten besser gelöst werden können als durch vollkommene Offenlegung. Das betrifft beispielsweise die Klärung strategischer Fragen, die Ausarbeitung von Verhandlungstaktiken und Angeboten sowie gewisse Verfahren der verwaltungsinternen Zusammenarbeit. Teilweise ist es sinnvoller die Lösungsprozesse organisatorischer Probleme nicht von Beginn an transparent zu machen, um einen gesichtswahrenden und für alle Verhandlungsführer zufriedenstellenden Kompromiss zu gewährleisten (Ringel, 2019).
2.2.3 Verwaltungstransparenz
Nachdem die Politik den Lösungsweg zur Bearbeitung eines Problems beschlossen hat, liegt es an der öffentlichen Verwaltung die weiteren Prozesse von Implementation, Monitoring und Evaluation anzugehen Abb. 2.2. Zunächst widmet sich die Verwaltung daher der Aufgabe, sich durch die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen der Lösung des Problems zu nähern. Auch hier sollte idealtypisch eine transparente Offenlegung der Umsetzungsschritte angestrebt werden, um insbesondere die Kontrolle des Verwaltungshandelns durch weitere Akteure etwa aus der Zivilgesellschaft zu gewährleisten. Auch für die abschließende Evaluation der Ergebnisse ist eine vorherige transparente Kommunikation über die durchgeführten Maßnahmen hilfreich.
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In Deutschland wird insgesamt auf eine starke Verwaltungstransparenz gesetzt, die die Prozesse von Implementation, Monitoring und Evaluation weitgehend offenlegt. Insbesondere in der jüngeren Zeit erfuhr die Idee der Verwaltungstransparenz durch die New-Public-Management-Reformen große Aufmerksamkeit. Durch Berichtswesen und Controlling sollen die Leistungen öffentlicher Organisationen transparent und vergleichbar gemacht werden. Diese Wettbewerbssituation soll Behörden und öffentlichen Unternehmen den Ansporn geben, bessere Leistungen zu erzielen, was wiederum das Vertrauen der Bürger in die Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Sektors steigern soll. In Deutschland kam es mitunter zu Diskussionen, ob Benchmarking als Verwaltungsreformansatz sinnvoll ist. Es zeigte sich, dass viele Akteure die direkte Vergleichbarkeit scheuen, weshalb Ansätze dieser Art bislang eher wenig flächendeckend umgesetzt wurden (Ringel & Reischauer, 2019)
2.2.4 Markttransparenz
Im wirtschaftlichen Bereich wird unter Transparenz die Verfügbarkeit von Informationen in und über einen Markt verstanden. Je mehr Informationen über einen Markt, zu den Produktpreisen, den angebotenen Leistungen und der Angebotsvielfalt vorliegen, umso transparenter ist er für die Marktteilnehmer. Durch die Möglichkeiten des Internets und der Digitalisierung ist mehr Transparenz möglich. Damit nähert man sich schrittweise dem Ideal an, eine perfekte Marktransparenz zu erreichen. Die perfekte oder vollkommene Markttransparenz zeichnet sich dadurch aus, dass alle Marktteilnehmer vollständige Informationen über alle gehandelten Güter, deren Preis und Konditionen (Ort, Lieferung) besitzen.
2.2.5 Medientransparenz
Die Transparenz von Medien ist für Politik und Verwaltung ebenso von großem Interesse. Durch Berichterstattung und öffentliche Diskussionen in Presse, Rundfunk und sozialen Netzwerken sind Medien in der Lage das politische Geschehen zu beeinflussen. Nicht umsonst werden sie häufig als „vierte Gewalt“ bezeichnet. In den Kommunikationswissenschaften gelten Medien als transparent, wenn es zahlreiche Informationsquellen gibt, die sich gegenseitig zwar ergänzen, gleichzeitig jedoch unabhängig voneinander sind und in Konkurrenz zueinanderstehen. Vor allem jedoch muss möglichst viel über die Art der Informationsgewinnung, -übertragung, -aufbereitung und -verbreitung bekannt sein sowie die Eigentümerstrukturen und die Finanzierung der Medienproduktion öffentlich einsehbar sein.
Um die Sicherung der Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen zu überprüfen, gibt es in Deutschland die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK, 2021). Diese prüft, ob Unternehmen durch die Erteilung von Fernsehzulassungen oder durch die Veränderung von Beteiligungsverhältnissen vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Hierfür ermittelt sie die den Unternehmen jeweils zurechenbaren Zuschaueranteile.
2.2.6 Transparenter Staat – transparente Bürger?
Was bedeuten nun all diese Überlegungen zu Transparenz und Rechenschaft für Staat und Verwaltung? Im idealtypischen Leitbild eines transparenten Staates stellen Regierung und öffentliche Verwaltung ihren Bürgern frei zugängliche Informationen von Entscheidungs- bis hin zu Umsetzungsprozessen zur Verfügung und legen darüber Rechenschaft ab. Ziel ist es dabei, das Pflichtbewusstsein von Regierungs- und Verwaltungsmitarbeitern zu stärken und Bürger das staatliche Handeln nachvollziehen zu lassen. Umgekehrt jedoch ist es durch moderne Datenverarbeitungssysteme ebenso denkbar, Bürger transparent zu durchleuchten. Durch die Sammlung und Zusammenführung personenbezogener Daten aus verschiedenen Stellen lassen sich schnell und umfangreich Informationen zu Bürgern generieren und aufbereiten. In so einem Falle könnten diese Informationen jedoch vom Staat genutzt werden, um das Handeln laufend zu überwachen und zeitnahe Konsequenzen aus dem Fehlverhalten des Einzelnen zu ziehen. Dies wiederum würde die Freiheit der Bürger in ihrer Lebensweise massiv einschränken. Eine ausufernde und übergriffige Sammlung personenbezogener Daten von öffentlichen und privaten Stellen, insbesondere auf Vorrat, gilt es daher in Deutschland zu vermeiden.
2.3 Informationsfreiheit und Transparenzgesetze
Für die Forderung nach mehr Transparenz in Staat und Verwaltung sind Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze wesentlich. Im folgenden Abschnitt werden die Entwicklungen auf diesen Gebieten thematisiert.
2.3.1 Informationsfreiheit
Ein wesentlicher Bestanteil gelebter Transparenz ist der Zugang zu Informationen. In diesem Zusammenhang wird oft von „Informationsfreiheit“ gesprochen. Dies meint die Gewährung eines Leistungsanspruchs auf und eines freien Zugangs zu bei Behörden vorliegenden Informationen sowie Verbreitung dieser Informationen. Der Anspruch auf Informationsfreiheit basiert auf dem Grundsatz der Verwaltungsöffentlichkeit bei gleichzeitiger Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen. Dies bedeutet, dass die öffentliche Verwaltung immer dann angehalten ist, Informationen bereitzustellen, wenn diese keine Amts-, Dienst- oder Staatsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten enthalten Abschn. 2.1.1. Personenbezogene Daten über sich selbst dürfen jedoch von den Betroffenen eingefordert werden. Um Bürgern die Möglichkeit zu geben, den allgemeinen Anspruch der Informationsfreiheit wahrzunehmen, wurde von der Open Knowledge Foundation e.V. 2011 die Plattform Frag den Staat (2021) ins Leben gerufen. Darüber können auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes sowie weiterer Gesetze Anfragen an Behörden gestellt werden. Die Antworten werden anschließend nicht nur den Anfragestellern, sondern auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
2.3.2 Informationsfreiheitsgesetze
Das Recht auf Informationsfreiheit wird in Deutschland durch das Informationsfreiheitsgesetz (IFG-Bund) definiert. Das IFG des Bundes trat 2006 in Kraft. Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg. Noch im Jahr 1986 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 1986), dass Behördenakten keine allgemein zugänglichen Quellen seien und bestätigte so den Grundsatz von Amts- und Aktengeheimnis. Bürger hatten daher kein Recht auf Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung – insbesondere nicht ohne „berechtigtes Interesse“ vorzuweisen. Mit der Einführung des IFG wurde dieser Grundsatz umgekehrt: Die Herausgabe von amtlichen Informationen sollte von nun an die Regel, nicht mehr die Ausnahme sein. Durch die Umkehr der Beweislast müssen Behörden belegen, warum sie bestimmte Informationen nicht herausgeben können oder dürfen. Damit setzt Deutschland um, was in Schweden seit 1949 und den USA seit 1966 bereits gelebt wird.
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG-Bund) gewährt Bürgern einen grundsätzlich freien Zugang zu allen amtlichen Informationen der Bundesbehörden.
Neben dem IFG auf Bundesebene gibt es unterschiedliche Entwicklungen der Gesetzgebung in den Bundesländern. Zum jetzigen Zeitpunkt haben Bayern, Niedersachsen und Sachsen (noch) keine gesetzlichen Regelungen zur Gewährleistung der Informationsfreiheit. In den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt bestehen IFG in Anlehnung an das IFG-Bund. Informationen müssen also auf Antrag von den zuständigen Behörden herausgegeben werden. Darüber hinaus verpflichten Spezialgesetze wie das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Datenschutzgesetz, das Umwelt- sowie das Verbraucherinformationsgesetz auch Bundesländer ohne IFG, Informationen zu laufenden Verfahren, zu der eigenen Person oder Umwelt- und Verbraucherfragen herauszugeben.
2.3.3 Transparenzgesetze als Weiterentwicklung des IFG
In den Bundesländern Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen finden sich mittlerweile Ansätze, die über das IFG hinausgehen (OKF, 2021, S. 4). Die sogenannten „Transparenzgesetze“, verpflichten Behörden neben der Herausgabe von Informationen auf Antrag zusätzlich auch zur eigenständigen Veröffentlichung von zentralen Datensätzen. Diese werden in den jeweiligen Bundesländern in zentralen, öffentlich-zugänglichen elektronischen Registern, den Transparenzportalen, hinterlegt. Für diese Informationen sind weder Anträge oder Gebühren nötig. Das jeweilige Portal gibt Hilfestellung bei der Beantragung von Akteneinsicht. Die Veröffentlichungspflicht trägt dazu bei, Bürger nicht länger als „Bittsteller“ zu betrachten, sondern vielmehr als Kunden, die für die Zahlung ihrer Steuern auch Auskünfte über die erbrachten Leistungen der Verwaltung bekommen sollten. Zudem kann die proaktive Veröffentlichung von Informationen langfristig gesehen kosteneinsparender sein als die Informationsherausgabe im Einzelfall. Hier ist es zukünftig nötig ein dementsprechendes Wissensmanagementsystem in der Verwaltung aufzubauen.
2.4 Transparenz 2.0 & Co
Was Transparenz in Staat und Verwaltung bedeutet, welche gesellschaftlichen Formen von Transparenz es gibt und wie die Gesetzgebung für mehr Transparenz sorgt, wurde auf den vergangenen Seiten behandelt. Im Sinne eines offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns gilt es nun einen Blick auf moderne Informations- und Kommunikationstechnologien und ihre Möglichkeiten zur Nutzung im öffentlichen Sektor zu werfen.
2.4.1 Transparenz 2.0 dank E-Government, Web 2.0 und Social Media
Mittlerweile lässt sich Transparenz durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien in einer solchen Art und Weise realisieren, an die vor wenigen Jahrzehnten noch nicht zu denken war. Insbesondere ermöglichen Anwendungen des E-Government vollkommen neuartige Ansätze.
Definition: E-Government
Mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien durchgeführte Abwicklung jener geschäftlichen Prozesse über nicht traditionelle elektronische Medien, im Zusammenhang mit dem Regieren und Verwalten (Government) (von Lucke & Reinermann, 2002, S. 1 ff.).
Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik (GI & VDE, 2000, S. 3.).
Durch E-Government werden so die Grundlagen für das Regieren und Verwalten im Informationszeitalter gelegt. „Transparenz durch E-Government“ als eine Vision der Verwaltungsinformatik bedeutet folglich, dass Vorgänge und Entscheidungen durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie beim Regieren und Verwalten von außen sehr viel besser nachvollziehbar gemacht werden können, wodurch eine echte Verwaltungstransparenz ermöglicht wird.
Wesentliche Ausgangsbasis dafür sind zunehmend die Web 2.0-Technologien, mit denen sich Transparenz vielfältig realisieren lässt und über die zugleich auf die kollektive Intelligenz der Bevölkerung zurückgegriffen werden kann. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp, LinkedIn, Xing oder TikTok tragen zur realen Vernetzung von Menschen und Gruppen bei. Mikroblogging, Blogging, Wikis und Podcasts verändern die Öffentlichkeitsarbeit von öffentlichen Organisationen, indem sie interaktive Publikationsformate bieten, die zum Mitmachen aufrufen, ohne technische Vorkenntnisse zu verlangen. Mit Stadt- und Regiowikis werden von den Bürgern selbst neue unabhängige Publikationskanäle geschaffen. Mittlerweile lassen sich über das Internet Verwaltungsinformationen sofort publizieren und weltweit abrufen. Portale ermöglichen die Bündelung und Aufbereitung verteilter Datenbestände in Tabellen, Berichten, Charts und Karten.
Hier kann nun von einer Weiterentwicklung zu „Transparenz 2.0“ gesprochen werden. Diese wird sich zukünftig dadurch auszeichnen, dass zu allen nicht-personenbezogenen sowie zu allen nicht geheimen Daten und Informationen der öffentlichen Verwaltung ein öffentlicher Zugang besteht. Diese Datenbestände werden offen und frei zugänglich sein, ohne dass es Diskriminierungen und Einschränkungen beim Zugriff gibt. Dazu werden Primärquellen bereitgestellt, und zwar vollständig und zeitnah nach ihrer Generierung. Sämtliche Datenbestände werden maschinell lesbar sein, so dass eine manuelle Aufbereitung nicht mehr erforderlich ist. Die Daten müssen zudem für den Laien lesbar und gegebenenfalls durch Visualisierungen verständlich gemacht werden. Ebenso müssen eine Weiterverbreitung und eine Folgenutzung der Daten sichergestellt sein. Diese Art von Transparenz trägt maßgeblich zu einem Wandel hin zu mehr Offenheit von Staat und Verwaltung bei (von Lucke, 2009).
2.4.2 Beispiele und Anwendung von Transparenz 2.0
Transparenzportale um die Legislative und Politik
Beispiele für gelebte Transparenz 2.0 finden sich sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Politik. Transparenzportale können durch die Bereitstellung von offenen Datensätzen oder durch die Veröffentlichung von Dokumenten, Gesetzen und Vorschriften mehr Einblicke in die Gesetzgebung und dessen Entwicklung etwa über Synopsen ermöglichen. Neben den technischen Möglichkeiten braucht es hier eine gesetzliche Fundierung, durch die eine Offenlegungskultur von Politik und Verwaltung eingefordert werden kann.
Vorbild Schweizer Parlamentsportal
Die Schweizer Bundesversammlung (Nationalrat und Ständerat) hat bereits Mitte der neunziger Jahre die Potenziale des Internets für die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments erkannt und aktiv genutzt. Das Portal Parlament.ch (2021) trägt wesentlich zur Transparenz des parlamentarischen Geschehens in der Schweiz bei. Während der Sitzungsperioden werden die laufenden Debatten per Live-Stream übertragen. Das Amtliche Bulletin mit seinen Protokollen informiert die Öffentlichkeit innerhalb von 30 Minuten über das gesprochene Wort der Abgeordneten. Abstimmungen werden auf einem einseitigen Abstimmungsprotokoll so aufbereitet, dass das Abstimmverhalten jedes Abgeordneten genau nachvollziehbar ist. Zu jedem Abgeordneten gibt es zudem eine Übersicht, die über Kontaktadressen, Personalien, politische Ämter und Mandate, Interessensbindungen, eingereichte Vorstöße und das Abstimmverhalten informiert. Für sein Engagement, von dem Medien und die Öffentlichkeit gleichermaßen profitieren, ist das Schweizer Parlament mehrfach ausgezeichnet worden – unter anderem mit dem Preis des Speyerer Qualitätswettbewerbs im Jahr 2000.
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile beeindruckende Ansätze, um den Deutschen Bundestag offener zu gestalten. Das deutsche Parlamentsfernsehen informiert in sehr guter mediendidaktischer Aufbereitung über Sitzungen und Stellungnahmen der Bundestagssitzungen sowie der öffentlichen Ausschüsse. Aktuelle Gesetzgebungsverfahren und Debatten können eingesehen und die Positionen der unterschiedlichen Akteure nachvollzogen werden. Neben den Stellungnahmen der Regierung, der Regierungsfraktionsparteien und der Opposition können auch Expertenmeinungen gehört werden (BT-Mediathek, 2021).
Auf Landes- und kommunaler Ebene gibt es teilweise, wie in der Stadt Friedrichshafen, Ratsinformationssysteme, die nicht nur Ratsmitgliedern und Verwaltungsmitarbeitern, sondern auch den Bürgern den Zugriff auf Dokumente ermöglichen (FN, 2021). Ebenso eignen sich Videopodcasts aus den Gemeinderatssitzungen, datenschutzkonform realisiert in der Stadt Konstanz, um Bürger mehr an politischen Entscheidungen teilhaben zu lassen (KN, 2021). Die Stadt Ludwigsburg geht noch einen Schritt über ein Ratsinformationssystem hinaus und informiert über ein kommunales Steuerungsinformationssystem seine Bürger transparent über die Ziele der Stadt und wie diese strategisch und operativ umgesetzt werden sollen. Bürger können so sehr viel besser nachvollziehen, zu welchem Zwecke Projekte und Maßnahmen durchgeführt werden und auf welche Ziele sie einzahlen (LB, 2021). Auf zivilgesellschaftlicher Seite gab es ebenso Ansätze, die für mehr Offenheit im Parlament sorgen sollten, allerdings mittlerweile wieder eingestellt wurden. Das Portal Offenes Parlament (2021) bereitete in der 18. Wahlperiode Informationen zur Arbeit des Bundestages auf. Dadurch können 245 Plenarprotokolle aus den Jahren 2013 bis 2017 nach Themen oder Schlagwörtern durchsucht werden. Ebenso wird ein Überblick geboten, welche Abgeordneten wie oft und zu welchen Themen sprachen. Ein weiteres Projekt der Open Knowledge Foundation war das Projekt (Kleine Anfragen 2021): Abgeordnete in Parlamenten stellen über Kleine Anfragen ihrer jeweiligen Regierung Fragen, die von dieser zeitnah beantwortet und veröffentlicht werden mussten. Die Seite sammelte die Anfragen der Landesparlamente und des Deutschen Bundestages und versuchte sie möglichst einfach auffind-, durchsuch- und verlinkbar zu machen. Dass das Projekt aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen nicht weitergeführt werden konnte, sollte Anlass sein, darüber nachzudenken, ob und wie künftig gute Ideen der Bürgerschaft staatlich gefördert und durch zivilgesellschaftskonforme Geschäftsmodelle nachhaltig verankert werden können.
Einführung des Lobbyregistergesetzes
Über ein verpflichtendes Lobbyregister wird in Deutschland seit Jahren gestritten. Dabei gibt es einen weitgehenden Konsens darüber, dass Gespräche zwischen Experten, Interessenvertretern und Politikern wichtig für demokratische Entscheidungsprozesse sind. Ein solcher Austausch sollte jedoch transparent und nachvollziehbar sein. Das sogenannte Lobbyregistergesetz nimmt sich dieser Herausforderung seit 2022 an. Professionelle Interessenvertreter werden dazu verpflichtet, sich bei Treffen mit Bundestagsabgeordneten sowie Ministeriumsmitarbeitern bis auf Unterabteilungsebene in ein digitales, öffentlich einsehbares Register einzutragen. Kritik erntete das Gesetz von der Opposition, Organisationen und Verbänden, da ein exekutiver Fußabdruck nicht berücksichtigt wurde. Dieses Instrument soll kenntlich machen, wie Gesetzestexte konkret durch das Eingreifen von Lobbyisten verändert wurden. Ministerien müssen weiterhin nicht angeben, welche Ideen und Wünsche von Interessenvertretungen in ein Gesetz eingeflossen sind.
Transparenzportale um die öffentliche Verwaltung
Beispiele für gelebte Transparenz 2.0 finden sich zahlreich in den Transparenzportalen der öffentlichen Verwaltung. Vorreiter dafür in Deutschland sind Bundesländer wie Hamburg (TH, 2021), Bremen (TB, 2021) und Rheinland-Pfalz (TRP, 2021) Abschn. 2.3.3. Diese Staaten verfügen bereits über Transparenzportale, die nicht nur Dokumente und Unterlagen, sondern auch offene Datensätze frei zur Verfügung stellen.
Vergütungsportal zu öffentlichen Unternehmen
Neben den Parlamenten und dem Verwaltungsbetrieb lohnt es sich ebenso einen Blick auf die Transparenz von öffentlichen Unternehmen zu werfen. Hinsichtlich der Vergütung von Führungspersonen werden vom Lehrstuhl für Public Management an der Zeppelin Universität regelmäßig Studien erstellt und im Vergütungsportal der PCG gGmbH (2021) Interessierten verfügbar gemacht. Diese Studien können Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen dabei helfen, durch einen deutschlandweiten Vergleich der Vorstandsgehälter faire Vergütungen in den Vertragsverhandlungen mit ihren Vorständen, Geschäftsführern und anderen Führungspositionen zu erzielen.
Studien zur Gleichberechtigung der Geschlechter in Führungspositionen
Ebenso wertvoll für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung sind Studien von unabhängigen Medien. Beispielsweise zeigte die Studie „Die Hans-Bremse“ der Wochenzeitung „Die ZEIT“ aus dem Jahr 2018 auf, dass seit 1949 mehr Männer namens Hans die Position eines Staatssekretärs innehatten als Frauen insgesamt. Die Studie macht deutlich, dass ungeachtet des Bundesgleichstellungsgesetzes immer noch massive und systematische Diskriminierungen von Frauen in der Bundesregierung in verschiedenen Bereichen auszumachen sind (Die ZEIT, 2018).
2.4.3 Fortsetzung: Transparenz 3.0, 4.0 und 5.0
Diese Beispiele verdeutlichen, wie Transparenz bereits mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien realisiert werden kann. Doch hier wird noch mehr möglich sein.
Transparenz 3.0
Diese Stufe setzt auf Transparenz durch das Internet der Daten. Als Grundlage dienen offene Datenbestände (Open Data) und offene vernetzte Datenbestände (Linked Open Data) Kap. 3. Dabei lassen sich die Daten über Organisationsgrenzen hinweg nutzen, kombinieren und analysieren. Die Aufbereitung geschieht in Form neuer, transparenter Vergleiche, Visualisierungen, Erkenntnissen und Einschätzungen. Ein Beispiel dafür ist die Umgebungslärmkartierung an Schienenwegen von Eisenbahnen. Durch die Aufbereitung von Geodaten und die Berechnung der Schallweite in unterschiedlichen kartografischen Gegebenheiten ist es möglich zu ermitteln und vorherzusagen, wie hoch die Lärmbelastung durch Bahngleise aktuell ist oder in der Zukunft sein wird (BKG & EBA, 2021).
Transparenz 4.0
Transparenz 4.0 wird durch das Internet der Dinge ermöglicht. Dazu dienen Sensordaten von intelligent vernetzten Objekten und Statusdaten von cyberphysischen Systemen. Ebenso ist Transparenz durch das Internet der Dienste durch Webservices, serviceorientierte Architekturen und Cloud Computing ein wesentlicher Bestandteil dieser Transparenzstufe. Objekte und cyberphysische Systeme tauschen dabei gegenseitig Informationen aus. Ein Beispiel hierfür ist die globale Heatmap von Strava. In dieser können Sportler weltweit sichtbar machen, wo sie aktiv sind, um so andere Sportler auf neue Orte aufmerksam zu machen (Strava, 2021).
Transparenz 5.0
Transparenz über das taktile Internet ist eine weitere Stufe und bereits teilweise im Einsatz. Gigabit-breitbandige Netzwerke und die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) ermöglichen eine Netzwerkkommunikation nahezu in Echtzeit. Die Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit von Daten steigen dadurch weiter an. Eine neue Dimension der Mensch-Maschine-Kommunikation wird erreicht. Dies wird beispielsweise in Verkehrssystemen sichtbar, wie Anbieter wie here.com zeigen. Durch Verkehrsdaten in Echtzeit können Unfälle frühzeitig umfahren, Staus durch eine Anpassung der Geschwindigkeit aller kommenden Autofahrer vermieden oder sogar Verkehrstote verhindert werden, indem Autos mit dem Fahrer als auch untereinander kommunizieren und in gefährlichen Situationen selbst bremsen (Here, 2021).
2.5 Whistleblowing
Transparenz wird nicht immer gerne gesehen. So gibt es gute Gründe, sensible Daten und Informationen nicht zugänglich zu machen. Diese reichen vom Schutz personenbezogener Daten (Datenschutz) über die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und die Gefährdung der eigenen staatlichen Interessen bis zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben. Manchmal trägt aber gerade Intransparenz dazu bei, Missstände zu verbergen. Dies mag ein Grund für sogenannte Whistleblower sein, um im wörtlichen Sinne in eine Trillerpfeife zu blasen und auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Whistleblower sind Hinweisgeber, Enthüller oder Aufdecker, die für die Allgemeinheit brisante Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit tragen. Sie wollen primär uneigennützig auf brisante Missstände oder Verbrechen wie Korruption, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenmissbrauch oder Gefahren hinweisen, um öffentlich Alarm zu schlagen und um das Treiben zu beenden. Whistleblowing betrifft auch Vorgänge in Politik und Behörden. Die von Whistleblowern gelieferte Informationen sind meist sensibler Natur und können zur Rufschädigung von Personen und Institutionen beitragen. Die Informanten begeben sich damit auch selbst in Gefahr und nehmen schwerwiegende Nachteile dafür in Kauf. Zu dieser Gruppe zählen alle Whistleblower-Preisträger der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (2021), zu denen etwa Chelsea Manning (2011), Edward J. Snowden (2013) und Can Dündar (2017) gehören.
In Deutschland gab es lange Zeit keine klare Trennlinie zwischen Geheimnisverrat und Whistleblowing. Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern schreibt seit 2021 einheitliche Standards zum besseren Schutz von Whistleblowern vor. Diese müssen sich auf sichere Kanäle zur Informationsweitergabe gegenüber Behörden verlassen können. Zugleich sollen Whistleblower wirksam vor Entlassung, Belästigung oder anderen Formen von Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden. Erfolgt der Hinweis dagegen zur Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber eines Unternehmens Schaden zuzufügen, so wird dies nach § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen als nicht schützenswert betrachtet und bestraft.
Für investigative Journalisten sind Whistleblower oft die erste und teilweise auch einzige Quelle für Recherchen, um vorhandene Missstände zu erkennen und aufzudecken. Mit anonymen digitalen Briefkästen und Plattformen ermuntern sie potenzielle Hinweisgeber ihnen Tipps zu geben. Eine technisch zugesicherte Anonymität soll dazu beitragen, hochwertige Informationslecks (Leaks) zu erhalten und Nachrichtenquellen vor Vergeltung zu schützen. Dies ist aus verschiedenen Gründen nicht immer leicht. Journalistisch unverantwortlich haben etwa die Akteure hinter Wikileaks es bei den 250.000 Depeschen des US-amerikanischen diplomatischen Dienstes (Cablegate, 2010) größtenteils unterlassen, Hinweise auf Informanten zu schwärzen und diese mit der Veröffentlichung im Internet in Lebensgefahr gebracht.
Investigative Journalisten arbeiten heute sehr viel professioneller, teils eingebettet in internationalen Recherchenetzwerken. Sie schützen sich selbst vor digitalen Angriffen. Publiziert werden nur sehr gut recherchierte und geprüfte Reportagen. Weltweites Aufsehen erregten die Veröffentlichungen zu Offshore Leaks (2013), Luxemburg-Leaks (2014), Swiss-Leaks (2015), die Panama-Papers (2016), die Paradise-Papers (2017) und die Pandora-Papers (2021). Aufdeckung und Veröffentlichung gelten als Coup, stärken den Ruf der Redaktionen und verbessern Umsätze und Gewinnerwartungen der Verleger. Die Presse als vierte Gewalt übernimmt damit die ihr zugesprochene Kontroll- und Kritikfunktion, indem sie gesellschaftlich relevante Skandale aufdeckt, öffentlich macht und erst so den Anstoß für Kontrollen und Veränderungen gibt.
Redaktionen und Medienhäuser dürfen sich allerdings den Umgang mit geleakten Dokumenten nicht zu einfach machen. Bei Wikileaks, die sich seit 2006 als anonyme Enthüllungsplattform für Leaks positioniert, wurde nicht immer ausreichend reflektiert, mit welchen Absichten ihnen Daten, Dokumente, Fotos und Filme zugespielt wurden und ob es sich um Originale oder bewusste Fälschungen handelt. Die weltweite Verfügbarkeit solcher Plattformen über das Internet eröffnet neuartige Möglichkeiten für Desinformation, Zersetzung und Spionage, die für verschiedene Gruppen und ihre Ziele durchaus attraktiv sind. Deswegen werden Enthüllungsplattformen und Leaks durchaus mit Skepsis betrachtet. Die Etablierung von verwaltungsinternen, sicheren anonymen Kanälen für Meldungen wird aber dazu beitragen können, dass Missstände früher erkannt und behoben werden.
2.6 Digitale Gerichtsöffentlichkeit
Im Justizwesen gibt es schützenswerte sensible Daten, Informationen und Vorgänge ebenso wie solche vom öffentlichen Interesse. Im Kontext einer fortschreitenden Digitalisierung und von Open Government stellt sich die Frage, in welchem Umfang eine Öffnung des Justizwesens und die damit verbundene Justiztransparenz Mehrwerte schaffen, wo Grenzen zu ziehen sind und was Kernbestandteile digitaler Gerichtsöffentlichkeit sind. Anne Paschke hat sich im Rahmen ihrer Dissertation mit informationstechnischen Maßnahmen, rechtlichen Grenzen und gesellschaftlichen Aspekten der Öffnungsgewähr in der Justiz auseinandergesetzt (Paschke, 2018). Dabei sind die Möglichkeiten von Informationstechnologie und E-Justice, die gelebte Vermittlung justizieller Informationen und die Open Data-Forderungen eines selbstständig öffentlichkeitsverbreitenden Staates zu berücksichtigen (Paschke, 2018, S. 22–32).
Der Begriff der Öffentlichkeit ist im Justizwesen vielschichtig. Im Verfahrenskontext der Justiz bedeutet er die „Zugänglichkeit zu einem staatlichen Verfahren und dessen Informationen“. So besteht für Bürger mittlerweile unmittelbar auf Grundlage des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips ein voraussetzungsfreier Anspruch auf die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen. Dies dient der Kontrolle staatlichen Handelns, sichert eine informationelle Gleichberechtigung der Bürger und fördert Gerechtigkeit. Ebenso schafft Öffentlichkeit Vertrauen und Akzeptanz bei der Bevölkerung und diszipliniert staatliche Akteure. Gerade die neuen, gesellschaftlichen Medien tragen dazu bei, durch die Herstellung von Öffentlichkeit die gesamte Bevölkerung in staatliches Handeln einzubinden. Inhaltlich muss Öffentlichkeit transparent sein. Hierzu gehört, dass Unterlagen staatlichen Handelns vollständig und strukturiert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (Paschke, 2018, S. 148–150).
Aufgrund der potenziellen Reichweite des Internets zur Informationsverbreitung, der Nutzung dieses Mediums durch staatliche Einrichtungen sowie der hiermit eng verknüpften gesellschaftlichen Erwartungshaltung ist eine Einbindung des Internets bei der Schaffung von Öffentlichkeit geboten. Mit einer digitalisierten Saal- und Sitzungsöffentlichkeit wird die Funktion von Öffentlichkeit durch Verfahrensinformationen und Herstellung von Transparenz gesichert. Mündliche Gerichtsverhandlungen können in Bild und Ton über das Internet öffentlich zugänglich gemacht werden. Zudem lassen sich Verfahrensakte in grundrechtsverträglicher Form über das Internet für jedermann einsehbar machen. Eine Umsetzung des Open-Data-Gedankens in verschiedenen Bereichen der Justiz eröffnet weitere Öffnungsmöglichkeiten. Dabei gilt es aber bestehende rechtliche Grenzen von Gerichtsöffentlichkeit zu berücksichtigen. Auch bei digitalen Möglichkeiten gelten bestehende Gesetze zum Öffentlichkeitsausschluss, die Berücksichtigung des schutzwürdigen Interesses von Verfahrensbeteiligten und die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Schranken durch eine grundrechtsschützende technische Ausgestaltung (Paschke, 2018, S. 427–431).
2.7 Auswirkungen und Transparenz-Indizes
Abschließend sollen sowohl die Auswirkungen von Transparenz in Staat und Verwaltung als auch Transparenz-Indizes als mögliche Messinstrumente von Transparenz vorgestellt werden.
2.7.1 Auswirkungen von Transparenz
Transparenz in Politik, Verwaltung und Justiz verbessert die Nachvollziehbarkeit des Regierungshandelns und damit jede Form der Rechenschaftslegung. Sie vereinfacht Kontrollen und fördert das Pflichtbewusstsein von politischen Amtsinhabern und Beamten. Zwar kann sie zu einer Ausweitung formaler Regeln und zu mehr Bürokratie führen, wenn die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht angemessen genutzt werden. Zu viel Transparenz wird aber auch Gefühle der Überwachung auslösen. Fühlt man sich dadurch als „gläserner Beamte“ wahrgenommen, besteht die Sorge, dass alle eigenen Aktivitäten gegen einen verwendet werden könnten, so dass man Risiken vermeidet, Dienst nur nach Vorschrift macht und innovativen Aktivitäten ausweicht. Dadurch besteht das Risiko, dass sich Entscheidungsprozesse verlangsamen, die gelebten Praktiken der Geheimhaltung an die neuen Transparenzvorgaben angepasst und Angaben bewusst manipuliert werden. Transparenz kann trotzdem zur Reduktion von Korruption beitragen. Presse und Medien können in ihrer Rolle als kritische Instanz und „vierte Gewalt“ gestärkt werden. Durch eine offene Informationspolitik lässt sich zudem das Vertrauen von Bürgern in Politik und Verwaltung weiter stärken und die Legitimation des staatlichen Handelns verbessern. (Ringel & Reischauer, 2019, S. 230–234; Piotrowski, 2007, S. 10; Rose & Pfeiffer, 2019, S. 145 ff.)
2.7.2 Transparenz-Indizes
Wie aber lässt sich der Grad von Transparenz eigentlich messen, wenn Transparenz ganz unterschiedlich wahrgenommen wird? Dazu eignen sich Transparenz-Indizes. Diese führen auf Basis mehrerer Kennzahlen zu einem Indexwert im Rahmen einer vorgegebenen Skala. Mit solchen Indizes wird versucht, etwas schwer Messbares beschreibbar, messbar und vergleichbar zu machen. Gerade anschaulich visualisierte Indizes tragen dazu bei, Entwicklungen verständlich sichtbar zu machen. Sie schaffen so ein echtes Problembewusstsein und tragen dazu bei, Wissen nicht nur in bloßes Handeln, sondern in richtiges Handeln zu überführen.
Tom Schlansky hat etwa einen Index für parlamentarische Transparenz vorgelegt, um die gelebte Offenheit von Parlamenten darzustellen (Schlansky, 2015). Der zivilgesellschaftliche Verein Contas Abertas (Offene Konten) hat einen brasilianischen Transparenzindex präsentiert, der der Verwaltung den Anstoß gab, sich eigene Transparenz-Indizes zu erarbeiten. In Kolumbien wurde ein Open-Government-Index vorgestellt, der die Organisation von Informationen, die Darstellung von Informationen und den Austausch von Informationen im Staat als Grundlage seiner Bewertung nimmt. Der ergänzende staatliche Antikorruptionsindex setzt auf Transparenz, Offenheit und institutionelle Integrität, definiert relevante Komponenten und erfasst über Variablen die Werte des Indizes.
Transparency International setzt mit seinem renommierten Korruptionswahrnehmungsindex CPI jährlich auf einen weltweiten Vergleich in 180 Ländern (CPI, 2021). Gemessen wird vom Internationalen Sekretariat von Transparency International, wie Korruption in Politik und Verwaltung wahrgenommen wird. Zugrunde liegen 13 Einzelindizes von 12 unabhängigen Institutionen. Erfasst werden das Korruptionsgeschehen und die Methoden zur Verhinderung von Korruption. Das Ergebnis wird in Form einer abnehmend sortierten Liste an Staaten und einer Weltkarte publiziert. Die Skala der wahrgenommenen Korruption reicht dabei von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption).
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