Das deutsche Bildungssystem, so lassen sich die politischen Aussagen über die Parteigrenzen hinaus zusammenfassen, soll in besonderem Maße sozialer Gerechtigkeit im Sinne von Chancengleichheit verpflichtet sein. Der Anspruch auf herkunftsunabhängige Partizipation am Bildungssystem lässt sich somit als eine der zentralen politischen Forderungen seit mindestens dreißig Jahren charakterisieren. Entgegen diesem Anspruch weisen nicht zuletzt die Ergebnisse der PISA-Studie (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2001) auf deutliche schichtspezifische Differenzen im Leistungsvermögen von Schülerinnen und Schülern hin. Betrachtet man die Wahrnehmung von Bildungsoptionen, so überrascht dieses Ergebnis nur vordergründig. Die vorliegenden Untersuchungen zur Bildungsbeteiligung weisen zentrale Befunde auf, die in Deutschland bei insgesamt geringer Beteiligung am höheren Bildungssystem eine nach wie vor hohe schichtspezifische Ausprägung belegen.
Die Reform der deutschen Hochschule ist seit nunmehr fast drei Jahrzehnten ein vieldiskutiertes Thema in Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt innerhalb der Universitäten selbst. In den letzten Jahren haben Reformbemühungen, die mit bekannten Schlagworten wie Flexibilisierung, Internationalisierung, Effizienzsteigerung und Wettbewerbsfähigkeit in Verbindung gebracht werden können, deutlich zugenommen. Dieser Modernisierungswille ist nicht unumstritten. Viele hochschulpolitische Akteure kritisieren die Fülle wenig koordinierter Einzelmaßnahmen, von denen jede für sich als das Erfolg versprechende Mittel propagiert wird. Andererseits ist die Notwendigkeit von Reformen angesichts der veränderten Erwartungen und Anforderungen an das (Hochschul-) Bildungssystem offensichtlich. So betont Müller-Böling die wachsende Verquickung von Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Hochschule sei nicht länger als abgeschlossener Raum zubetrachten, vielmehr müsse sie ihren gesellschaftlichen Auftrag im Rahmen einer sich verstärkenden Entwicklung hin zur ‚wissenschaftsbasierten ‘Gesellschaft annehmen (vgl. D. Müller-Böling 2000: 17ff; vgl. auch A. Zimmer 1997: 470).
Unter der Überschrift „Hochschulabsolventen 2002: Weniger Physiker, Chemiker und Ingenieureld veröffentlichte das Statistische Bundesamt am 27. August 2003 eine Pressemeldung, in der ein schon länger anhaltender Trend bei den Absolventenzahlen auch für 2002 bestätigt wird. So wird ausgeführt: „Im Vergleich zum Jahr 2001 nahm die Zahl der Absolventen im Studienbereich Physik um 9,2%, in der Chemie um 5,9%, in der Elektrotechnik um 5,4% und im Maschinenbau/Verfahrenstechnik um 3,2% ab. Hier setzte sich der seit Mitte der neunziger Jahre anhaltende Abwärtstrend weiter fort. Dagegen stieg die Zahl der erfolgreich abgelegten Hochschulprüfungen im Studienbereich Informatik erneut an, und zwar auf 6600 (+8,9%).“1
Die in den vergangenen zwei Jahrzehnten geführte hochschulpolitische Diskussion in Deutschland stellt vor allem den Universitäten ein schlechtes Zeugnis aus. Eine zum Teil deutliche Überschreitung der Regelstudienzeit, hohe Studienabbrecherquoten sowie die fehlende internationale Reputation werden als Indizien für die Diagnose herangezogen, dass die Universitäten durch „pathogene Strukturen“ (L. Huber/ U. Vogel 1984: 140) gekennzeichnet seien und leiten zu der Frage über, ob „die Uni noch zu retten“ (M. Daxner 1996) sei.