Skip to main content
Erschienen in:

01.04.2025 | Invest Zur Zeit gratis

Übernimmt Kollege KI bald die Anlageberatung?

verfasst von: Stefan Terliesner

Erschienen in: Versicherungsmagazin | Ausgabe 4/2025

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …
Auch bei Anlageentscheidungen zeigen Chatbots inzwischen ihr Können. Richtig gemacht, profitieren Kundinnen und Kunden von einer höheren Rendite - sofern die Künstliche Intelligenz (KI) die richtigen Befehle erhält.
Sie heißen Baichuan 2, Solar, Alpaca-7b und Deepseek - die neuesten digitalen Werkzeuge in der Geldanlage. Ihr Job: Auf Befehl in Sekundenschnelle eine geeignete Mischung aus Wertpapieren finden und im Idealfall die Entscheidung begründen. Noch sind diese großen Sprachmodelle (Large Language Model, LLM) nicht in der Breite im Alltag der Menschen angekommen. Aber sie sind auf dem Vormarsch, denn ihre Effizienz wird täglich besser. Schon in wenigen Jahren könnten die Tools unersetzlich sein. Finanzberaterinnen und Finanzberater sollten sie kennen.
LLM ist eine Art Künstliche Intelligenz (KI), genauer: ein Computer-Programm, das insbesondere Texte erkennen und generieren kann. Weithin bekannt ist mittlerweile das LLM ChatGPT von Open AI. Andere Anwendungen sind auf das Interpretieren und Erstellen von Bildern spezialisiert. Beispiele hierfür sind die Bildgeneratoren Dall-E und Midjourney. Weil diese KI-Modelle etwas „Neues“ generieren, spricht man von generativer KI. Die entsprechenden digitalen Werkzeuge werden auf riesigen Datenmengen trainiert, zum Beispiel auf Daten aus dem Internet.
Laut Erklärungen auf Websites von Cloudflare.com „könnte ein generatives KI-Modell zum Beispiel ein Foto eines Kühlschranks erhalten und es mit wahrscheinlichem Inhalt füllen, basierend auf Fotos, die ihm in der Vergangenheit gezeigt wurden“. Der mit dem Modell erzeugte Inhalt könne zwar als „neu“ bezeichnet werden, er basiere aber auf Inhalt, mit dem das Modell zuvor gefüttert wurde. Daraus folgt: Die Leistung eines generativen KI-Modells hängt stark von der Qualität der zugrunde liegenden Daten ab - und vom Nutzer, der dem technischen System in geeigneter Weise sagen muss, was genau es tun soll. Man spricht daher auch von Chatbots.
Immer mehr technikaffine Vermittlerinnen und Vermittler experimentieren mit bekannten Chatbots wie ChatGPT und Gemini (Alphabet/Google). Laut einer Umfrage von Canada Life will fast jeder zweite Makler mehr mit digitalen Tools und Services arbeiten (siehe Grafik auf Seite 44). „Die Technologie wird von unseren Vertriebspartnern lebhaft nachgefragt“, bestätigt Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender des Maklerpools Jung, DMS & Cie. Zugleich sieht er noch reichlich Luft nach oben. „Der durchschnittliche Makler ist 55 Jahre alt und viele Fragen - etwa nach der Haftung - sind noch nicht geklärt.“ Daher kooperiere der Pool mit Dienstleistern, die diese Technologie schulen. So könnten die Partner den Umgang mit der Technologie lernen. Die jeweiligen Zugänge müssten sie dann selbst einrichten. Geschult werde vor allem der Umgang mit ChatGPT, Dall-E, Midjourney, Copy.ai, Make.com, Copilot und Fireflies.ai.
„KI macht überall da Sinn, wo viel Text generiert und Inhalte zusammengefasst werden müssen“, sagt Grabmaier. Das Tool Fireflies.ai beispielsweise fasse Online-Meetings gut zu einem Text zusammen und erstelle sogar für die Teilnehmer eine To-do-Liste. In seinen Backoffice-Prozessen habe der Pool ChatGPT „sehr erfolgreich im Einsatz“. Und weiter: „Mithilfe von KI können bis zu 80 Prozent wiederkehrende Arbeit erledigt werden, allerdings sollte man immer noch drüberschauen“, betont der Vorstandsvorsitzende von Jung, DMS & Cie.

KI wird verstärkt zum „Kollegen“

Die eigentliche Kundenberatung könne KI noch nicht übernehmen, denn diese hänge von den Präferenzen, den Sichtweisen und dem Risikoempfinden des Kunden ab. Dies gelte gerade bei der Geldanlage. „Was dem einen als zu riskant erscheint, bietet anderen attraktive Chancen“, kommentiert Grabmaier. Das könne KI noch nicht automatisch abdecken, dafür brauche es das persönliche Gespräch. Der Pool-Chef verwendet allerdings auch das Wort „noch“ - ein deutlicher Hinweis, wohin seiner Meinung nach die Reise geht.
Bei pma Finanz- und Versicherungsmakler mit Sitz in Münster ist der hauseigene KI-Chatbot pma GPT im Einsatz, „ist allerdings noch nicht speziell für den Bereich Geldanlage trainiert“, sagt Klaus Ummen, der bei dem Pool den Bereich Vermögen verantwortet. Ob die Vertriebspartner eigenständig weiter KI-Tools einsetzen, kann Ummen nicht mit Sicherheit sagen. „In der Vergangenheit haben wir mit Laic eine teilweise KI-gestützte Fondsvermögensverwaltung angeboten, die jedoch nur in geringem Umfang genutzt wurden.“ Seiner Meinung nach nehmen Finanzberater KI aber zunehmend als hilfreiches Werkzeug wahr, vor allem zur Effizienzsteigerung und zur Entwicklung datenbasierter Entscheidungsgrundlagen. KI werde quasi zu einem Kollegen, aber die persönliche Beratung durch einen erfahrenen Experten bleibe ein zentraler Faktor. Generell gilt: Um von einer KI eine gute Antwort zu bekommen, müssen Nutzer die richtigen Fragen stellen und präzise Anweisungen geben. Je genauer und relevanter die Eingabe ist, desto besser. Solche so genannten Prompts dienen als Schnittstelle zwischen Nutzer und KI. Pools können bei der Formulierung helfen. Grabmaier zufolge ist „unser Maklerverwaltungsprogramm iCRM die Grundlage für viele Prompts, weil darin alle relevanten Kunden- und Vertragsdaten enthalten sind, mit denen der Makler dann in Eigenregie KI füttern kann.“ Und der Pools BCA schließlich stellt eigenen Angaben zufolge im Investmentbereich seinen Partnern „mit dem DIVA Portfolio Builder ein System zur Portfoliooptimierung zur Verfügung.“
Makler sind bereit für digitale Tools
Quelle: Makler-Umfrage von Canada Life (n = 345); Mehrfachnennen möglich
Umfrage: Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen, um Ihre Beratungsleistung zu verbessern? (Mehrfachnennungen möglich)
Ich werde mehr mit digitalen Tools und Services arbeiten
49,0 %
Ich werde mehr Fortbildungen und Schulungen besuchen
45,2 %
Ich werde meine Kundinnen und Kunden häufiger kontaktieren
43,2 %
Ich werde meinen Kunden flexiblere Arbeitszeiten bieten
17,4 %
Ich werde meine Kunden mit mehr nachhaltigen Angeboten unterstützen
13,3 %
Die Aussagen der Pools zeigen, dass Geldanlage mit KI noch in den Kinderschuhen steckt. Doch die Entwicklung schreitet rasch voran. Schon bald könnten KI-Modelle auch private Anleger bei ihren Entscheidungen unterstützen. Möglicherweise brauchen sie irgendwann sogar keinen Geldanlageberater aus Fleisch und Blut mehr. Die Forscher um Professor Lars Hornuf von der TU Dresden haben in Kooperation mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt untersucht, ob und inwieweit KI-Tools bei der Anlageentscheidung beitragen können. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Portfoliovorschläge der KI mit denen professioneller Anlageberater vergleichbar sind“, berichtet Hornuf auf Anfrage.
Dabei hätten die im ersten Satz dieses Beitrags genannten LLM am besten abgeschnitten - und zwar in dieser Reihenfolge: Baichuan2, Solar, Alpaca-7b und Deepseek. Dazu wieder Hornuf: „Wir haben 32 LLM untersucht. In einem einfachen Ranking, bei dem wir die Implementierbarkeit, die Breite des Aktienengagements und die historische Performance analysiert haben, schnitten bekannte Modelle wie Llama vom US-Konzern Meta, ChatGPT, Gemini und Mistral vom französischen Unternehmen Mistral AI nur mittelmäßig ab. Ganz oben landete Baichuan2 aus China.“
Hornuf, der an der TU Dresden die Professur für Betriebswirtschaft, insbesondere Finanzwirtschaft und Finanztechnologie leitet, beschreibt seiner Meinung nach einen Vorteil von KI aus Kundensicht: „Finanzberater unterliegen häufig Interessenkonflikten und empfehlen Produkte, an denen sie mehr verdienen. Das sind aber nicht zwangsläufig die besten Produkte für ihre Kundinnen und Kunden.“ Sein Team habe daher untersucht, „inwieweit KI-Tools wie ChatGPT-4 zu einer unverzerrten Finanzberatung beitragen, den Informationsstand von Investierenden erhöhen und das Anlageergebnis verbessern können“. Grundlage der Forscher war die Annahme, dass wenig informierte Anleger eine einfache, passive Anlagestrategie verfolgen sollen.
Bei der Eingabe der Fragen und Anforderungen haben sich die Forscher an den Pflichten echter Finanzberater orientiert: Wie hoch ist die Risikobereitschaft? Was ist der persönliche Anlagehorizont? Werden nachhaltige Investments gewünscht? Den Anlegertyp - ob eine Person ein Faible für Aktien, Anleihen, Gold, Krypto und so weiter hat - haben die Wissenschaftler nicht eingegrenzt. Das Ergebnis habe ihn durchaus überrascht, sagt Hornuf: „Die KI hätte alles Mögliche empfehlen können, hat sich aber oft auf die großen Anbieter und auf Exchange Traded Funds fokussiert.“ Namentlich stammten die ausgewählten ETFs insbesondere von Blackrock und Vanguard. Zudem habe die KI häufig die Aktien von bekannten US-Technologiekonzernen wie Apple, Amazon, Tesla, Microsoft und Nvidia empfohlen. Als Vergleichsmaßstab dienten Portfoliovorschläge aus der automatisierten Finanzberatung - Stichwort: „Robo-Advisor“ - mehrerer etablierter Finanzberatungsunternehmen, berichtet Hornuf.

Wollen Forschung fortsetzen

Seinen Ausführungen zufolge ist zum Beispiel ChatGPT-4 auch fähig, die Risikotoleranz, den Anlagehorizont und das Alter des Investors zu berücksichtigen. Zur Verbesserung der Akzeptanz von ChatGPT-4 als Finanzberater könnte zudem beitragen, dass der Chatbot begründet, warum er eine bestimmte Anlage empfiehlt. Und weil ChatGPT-4 etwas größere Risiken eingegangen sei als der zum Vergleich herangezogene Robo-Advisor, habe das KI-Modell eine leicht höhere Performance generiert. „ChatGPT-4 wurde nicht spezifisch für die Finanzberatung trainiert, liefert aber dennoch sehr vernünftige Ergebnisse für diese Aufgabe ab“, fasst der Wissenschaftler der TU Dresden die Studienergebnisse zusammen. Hornuf und sein Team wollen ihre Forschung zum Thema Geldanlage mit KI fortsetzen. „In Zukunft möchten wir uns anschauen, wie diese LLM funktionieren und welche Ergebnisse sie abliefern, wenn wir sie in humanoiden Robotern implementieren, also in Maschinen, die auch ein menschliches Gesicht zeigen.“ Und weiter: „Wir wollen wissen, ob diese KI-Roboter besser in der Anlageberatung sind als menschliche Vermögensberater.“ Das sei relevant, weil weil auch vom Anleger selbst verzerrende Einflüsse auf das Endergebnis ausgingen.
Hornuf und sein Forscherteam vermuten, dass sich Investierende vor einem Roboter weniger als Experten ausgeben als vor einem menschlichen Finanzberater. „Menschen versuchen oft, ihr Selbstkonzept als erfolgreicher Investor aufrechtzuerhalten. Einem Roboter könne ein Anleger möglicherweise besser seine Unwissenheit oder Inkompetenz eingestehen. „Ein Roboter bewertet die Fähigkeiten eines Menschen nicht. So ist er nicht programmiert.“ Das könnte Anleger ermöglichen, beim Investieren ein geringeres Risiko einzugehen, da sie sich nicht gegenüber einem anderen Menschen beweisen müssen oder weitere Fragen stellen könnten.
Apropos Fragen stellen: Damit eine KI brauchbare Geldanlageempfehlungen gibt, sollten Nutzer beim Prompting vier Regeln beachten: Eine konkrete Wertpapierkennung fordern, klare Präferenzen äußern, den Chatbot mit Zusatz-Informationen füttern und - viertens - mitunter ein richtiges Gespräch führen (siehe Textkasten auf Seite 45). Wird KI den menschlichen Finanzberater eines Tages ersetzen? Dazu sagt Hornuf: „KI wird auch Finanzberater ersetzen. Die Frage ist nur, wie schnell und bei welchen Aufgaben. Bei der Eingabe von Informationen wird das wie bei einem Flughafen-Check-in-Schalter vermutlich schneller kommen. Dass einem der KI-gesteuerte Bankroboter auch noch einen Kaffee bringt, wird noch etwas auf sich warten lassen.“
Das sehen Vermittler naturgemäß anders. Ummen von pma hält es für „unwahrscheinlich, dass KI die persönliche Beratung vollständig ersetzen wird - insbesondere bei größeren Investitionen, die maßgeschneiderte Strategien und individuelle Betreuung erfordern. Bei standardisierten Produkten wie Sparplänen oder kleineren Einmalanlagen könnte KI jedoch eine zunehmend wichtige Rolle spielen. In Zukunft wird sich vermutlich eine hybride Form etablieren: Berater setzen KI zur Informationsaufbereitung, Portfolioanalyse und für Vergleichsrecherchen ein, um fundierte Empfehlungen geben zu können“. Insgesamt also ist es für Finanzberater sinnvoll, sich mit KI-Modellen vertraut zu machen. Sie können ein hilfsbereiter Kollege sein. Die Entwicklung aber schreitet rasch voran. In ein paar Jahren sind die Tools vielleicht auch vollwertige Konkurrenten - sogar in der Geldanlageberatung.

Kompakt

  • Kollege KI ist auch in der Finanzberatung im Kommen.
  • In Tests haben KI-Modelle gute Anlageempfehlungen gegeben.
  • Auf Dauer wird KI auch die meisten Finanzberater ersetzen.

KI bei Anlageentscheidungen: Die richtigen Befehle

Die Eingabe von „Prompts“ hat Einfluss auf die KI-Ausgabe. So gelingt´s:
  • Konkrete Wertpapierkennnummer fordern und ihre Existenz prüfen.
  • Nutzer sollten klar ihre Präferenzen äußern (z. B. nur DAX-Aktien).
  • Sprachroboter mit zusätzlichen Informationen füttern (Soll ich BASF- oder SAP-Aktien kaufen?).
  • Nutzer sollten ein Gespräch mit dem Chatbot führen - und ihn auf Fehler hinweisen.
Quelle: Professor Dr. Lars Hornuf, Wissenschaftler an der Technischen Universität Dresden

Handlungsempfehlung

  • Finanzberater sollten die Nutzung von KI ausprobieren.
  • Schulungsangebote in Sachen KI-Anwendung nutzen.
  • Bei Haftungsfragen Rechtsexperten um Rat suchen.
  • In der Beratung KI allenfalls behutsam und mit Zustimmung einsetzen.

Nutzen Sie Ihre Chance: Dieser Inhalt ist zurzeit gratis verfügbar.

Unsere Produktempfehlungen

Versicherungsmagazin

Versicherungsmagazin ist die führende Fachzeitschrift für Versicherungsvermittler Deutschlands. Unabhängige Journalisten berichten für Sie monatlich über die wichtigsten Themen aus den Bereichen Versicherung und Vertrieb: Branchen-News, akt

Metadaten
Titel
Übernimmt Kollege KI bald die Anlageberatung?
verfasst von
Stefan Terliesner
Publikationsdatum
01.04.2025
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Versicherungsmagazin / Ausgabe 4/2025
Print ISSN: 1616-1963
Elektronische ISSN: 2192-8622
DOI
https://doi.org/10.1007/s35128-025-2614-8