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25.10.2022 | Umformen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Blechbearbeiter müssen technologischen Vorsprung wahren

verfasst von: Thomas Siebel

4:30 Min. Lesedauer

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Die Industrie der Blechbearbeitung in Deutschland ist auf Innovationen angewiesen. Und die Forschung liefert: Technologien für neuartige Hybridplatinen, optimierte Prozesse und leicht integrierbare Überwachungstechnik.

Im Schlepptau der Automobilindustrie hat sich die Blechbearbeitung zu einem wichtigen Industriezweig in Deutschland entwickelt. Mehr als 100.000 Beschäftigte haben im Jahr 2020 allein in der Umformtechnik ein Umsatzvolumen von über 17 Milliarden Euro erwirtschaftet, wie der Industrieverband Blechumformung mitteilt. Doch der Erfolg ist und bleibt an eine Bedingung geknüpft: Die Unternehmen der Branche müssen gegenüber dem Weltmarkt ihren technologischen Vorsprung wahren. Andernfalls könnte die heimische Industrie, die ihre Produktionsstandorte nach den günstigsten Herstellungskosten auswählt, im Wettbewerb mit Unternehmen aus Niedriglohnländern nicht dauerhaft konkurrieren.

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Optimierte Prozesse mithilfe lokaler Erwärmung und KI

Konventionelle Verfahren zur Blechbearbeitung wie das Scherschneiden oder Umformen stoßen bei Hochleistungswerkstoffen häufig an ihre Grenzen. So sind einwandfreie Schneid- und Umformergebnisse bei hochfesten Blechen aus Stahl, Aluminium oder …

Immerhin, die Voraussetzungen, sich einen technologischen Vorsprung zu erarbeiten, sind gegeben. Der Bedarf an Blechbauteilen steigt seit Jahren, wie die Firma Ilariz im Beitrag Tiefziehen von Blechteilen in der maschinenbau 5/21 schreibt. Getrieben wird die Nachfrage unter anderem durch den Mobilitätswandel, da Elektrofahrzeugen mehr Blechbauteile enthalten als Autos mit Verbrennungsmotor. Zudem verlangt die Automobilindustrie verstärkt nach hochfesten, immer komplexer geformten und leichteren Blechwerkstoffen mit lokal angepassten Eigenschaften. Mischbauweisen aus Stahl- und Aluminiumblechen haben sich im automobilen Leichtbau dabei bereits ebenso etabliert wie der Einsatz von Tailor Welded Blanks (TWB); also Bleche, die sich aus Bereichen unterschiedlicher Dicken und Werkstoffgüten zusammensetzten.

Mischbau und Tailor Welded Blanks kombiniert

Doch die Entwicklung ist an diesem Punkt noch nicht zu Ende. Im Beitrag Hochfeste und tiefziehbare Aluminium-Stahl-Hybridplatinen für den Karosserieleichtbau in der ATZproduktion 1/20 beschreiben Martin Werz und Stefan Weihe von der Universität Stuttgart, wie sich Multimaterialbau- und TWB-Technologien kombinieren lassen. Mithilfe des Rührreibschweißens und einer speziellen Wärmebehandlung fügen sie Stahl- und Aluminiumbleche unterschiedlicher Dicke zu Hybridplatinen, deren Tiefziehverhalten herkömmlichen Aluminiumblechen in nichts nachsteht. Der Entwicklung gewichtsoptimierter Karosserien öffnen sich damit neue Perspektiven.

Doch neue hochleistungsfähige Blechprodukte alleine sind nicht hinreichend für eine Blechindustrie, die im internationalen Wettbewerb bestehen will. Auch die Produktion und ihre Herstellprozesse sind gefordert. Höhere Qualität, erweiterte Prozessgrenzen und Ressourceneffizienz lauten die Maßstäbe.

Bessere Ergebnisse durch lokal erwärmte Bleche

Neue Lösungen hierfür entwickelt beispielsweise das Fraunhofer IPT. Im Beitrag Optimierte Prozesse mithilfe lokaler Erwärmung und KI in der maschinenbau 5/22 erläutern Henning Janssen, Florian Schmidt und Tobias Schmid, wie sich hochfeste Bleche aus Stahl, Aluminium oder Titan leichter und mit höherer Qualität umformen lassen. Ihren Ansatz nennen die Wissenschaftler Tailored Heat: Dabei erwärmen sie vor der Verarbeitung – bedarfsabhängig – einzelne Abschnitte eines Blechs und erhöhen damit lokal seine Fließfähigkeit.

Gegenüber konventionellen Verfahren wie dem kalten Scherschneiden erreichen sie am erwärmten Blech erheblich höhere Glattschnittanteile und senken zugleich die Prozesskräfte um bis zu 70 %. Beim Kragenziehen haben die Wissenschaftler mit ihrem Ansatz um bis zu 100 % höhere Aufweitverhältnisse realisiert. Zudem lassen sich Bleche mit dem Ansatz lokal thermisch entfestigten, beispielsweise wenn infolge vorherigen Beschnitts kaltverfestigte Bereiche entstanden sind. Auch für lokales prozessinternes Härten kann die lokale Erwärmung herangezogen werden, beispielsweise bei der Herstellung von Verzahnungen, Flanschen oder an Blechstrukturbauteilen.

Für die lokale Wärmeeinleitung ins Blech schlagen die Wissenschaftler folgende Mittel vor:

  • ein- oder beidseitige Erwärmung durch Laserbestrahlung
  • durch ein- oder doppelseitige Induktoren verursachte Wirbelströme im Blech
  • elektrische Widerstandserwärmung mithilfe zweier am Blech positionierter Elektroden.

Industrie wünscht leicht integrierbare Sensorik

Eines steht dabei fest: Die Anforderungen an das Fachpersonal in der Blechbearbeitung werden weiter steigen. Dabei sind sie bereits heute hoch. Der wirtschaftlich bedeutendste Teil der Wertschöpfungskette besteht für die meisten Unternehmen in mehrstufigen Umformprozessen. Die eingesetzten Folgeverbundwerkzeuge werden über eine Vielzahl von Stellgrößen angesteuert. Groß ist allerdings auch die Zahl an möglichen Prozessstörungen. "Diese Komplexität führt dazu, dass eine Zustandsüberwachung durch das Fachpersonal während der Prozessführung nicht mehr handhabbar ist", schreiben Richard J. Werner, Anre Kokozinski und Peter Groche im Beitrag Überwachung mehrstufiger Blechbearbeitungsprozesse in der maschinenbau 5/21. Abhilfe versprechen zwar im Kraftfluss der Presse integrierte Kraftsensoren, allerdings ist die Auswertung der Sensordaten fachlich anspruchsvoll. Zudem ist die Integration der Sensoren nicht nur aufwendig, sie kann auch die Dynamik und die Steifigkeit des Werkzeugs beeinträchtigen.

Seitens der Industrie besteht deswegen der Wunsch nach leicht integrierbarer Sensorik, die einen niederschwelligen Einstieg in die digitalisierte Prozessüberwachung erlaubt. Zu diesem Zweck schlagen die Wissenschaftler von der TU Darmstadt einen passenden Ansatz vor: Sie setzen Sensoren in Kraftnebenflüssen der Presse ein, denn hier sind sie leicht zu applizieren und robust. Dann fusionieren sie Sensor- und Prozessdaten und werten sie mithilfe eines Machine-Learning-Algorithmus aus.

Überwachung mit Sensorik im Kraftnebenfluss

In einem Versuchsaufbau applizieren die Wissenschaftler zwei piezo-elektrischen Kraftmessdübeln zwischen den einzelnen Umformstufen einer Schnellläuferpresse und ergänzen den Messaufbau mit einem Vertikalbeschleunigungssensor an der stößelseitigen Grundplatte.

Aus den Messdaten generieren sie verschiedene Kennwerte, mit denen sie den ML-Algorithmus zunächst trainieren und anschließend testen. Damit gelang es den Wissenschaftlern Schäden wie Schneidkantenverrundungen und Abrasion am Scherschneidstempel mit einer Genauigkeit von mindestens 97 % detektieren. Als Referenz diente dabei eine direkt in den Kraftfluss integrierte Sensorik. In dem robusten und einfachen Aufbau sehen die Wissenschaftler eine ernst zu nehmende Alternative zu den bekannten Überwachungsansätzen, die auf aufwendiger Sensorik im direkten Kraftfluss der Presse basieren.

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