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Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 5-6/2017

Open Access 11.04.2017 | Originalarbeit

Umgang mit Störfällen in der Steiermärkischen Wasserversorgung – Ist-Stand Erhebung und Leitfadenerstellung

verfasst von: DI Sandra Nicolics, DI Ernest Mayr, DI Alexander Salamon, Priv.-Doz. DI Dr. Reinhard Perfler

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Ausgabe 5-6/2017

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Zusammenfassung

„Wie gut sind die steirischen Wasserversorger eigentlich auf gröbere Störungen, Not- oder Krisenfällen vorbereitet? Was wird benötigt, um eine durchgehend hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten?“
Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Referat für Siedlungswasserwirtschaft des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung gemeinsam mit dem Institut für Siedlungswasserbau der Universität für Bodenkultur Wien. Hintergrund dieser Initiative ist der Wasserversorgungsplan der Steiermark 2015, der unter anderem das Ziel hat, Versorgungsunterbrechungen sukzessive zu minimieren und Störfällen gezielter und systematischer als bisher vorzubeugen. Das zugehörige Projekt lief Ende 2015 bis Anfang 2017 und umfasste eine Befragung aller steirischen Wasserversorger sowie die Erstellung eines Leitfadens zur Umsetzung von Störfallvorsorgeplanung. In der mehrteiligen Befragung wurden der generelle Umsetzungsstand sowie der Unterstützungsbedarf und Ansatzpunkte zur Störfallvorsorgeplanung und zum Umgang mit Störfällen erhoben. Insgesamt wurden 22 Wasserverbände und 287 Gemeinden in einem ersten Teil und 573 Wassergenossenschaften sowie 420 Wassergemeinschaften in der Steiermark in einem zweiten Teil in der Steiermark befragt. Darauf aufbauend wurde ein Leitfaden verfasst, der die Wasserversorger dabei unterstützen soll, Störfälle in ihrem Betrieb zu verhindern, aber auch gut auf den Ernstfall vorbereitet zu sein.
Bei der Befragung zeigte sich für die steirischen Wasserversorger folgendes Bild: Etwa 9 % der Gemeinden haben Stör-, Not- und Krisenmanagement bereits vorbildlich umgesetzt. Weitere ca. 11 % erfüllen durchaus ausreichend alle definierten Mindestanforderungen. Somit sind ca. 20% der steirischen Gemeinden in der Wasserversorgung auf einen möglichen Störfall sehr gut vorbereitet. Allerdings erfüllen 63 % der Gemeinden grundlegende Bestandteile für eine umfassende Umsetzung von Stör-, Not- und Krisenmanagement nicht.
Bei den Wasserverbänden ist das Ergebnis mit ca. 41% insgesamt deutlich besser. So haben ca. 18 % Stör-, Not- und Krisenmanagement bereits vorbildlich und weitere ca. 23 % bereits ausreichend umgesetzt. Fast 28 % der Verbände erfüllen eine ausreichende Umsetzung bisher nicht. Bei den Verbänden zeigen sich also zwei Gruppen: diejenigen, die bereits eine sehr weitreichende Umsetzung vollzogen haben und solche, denen grundlegende Bestandteile fehlen.
Dagegen dürften sich die kleineren Einheiten wie Wassergenossenschaften und Wassergemeinschaften mit diesem Thema noch nicht wirklich beschäftigt haben. Nur etwa 2 % der Wassergenossenschaften haben Stör-, Not- und Krisenmanagement bereits vorbildlich und 4 % ausreichend umgesetzt. Das sind gerade 6% der steirischen Wassergenossenschaften. Aber ganze 85 % erfüllen grundlegende Bestandteile für eine umfassende Umsetzung von Stör-, Not- und Krisenmanagement nicht. Bei den Wassergemeinschaften ist dieser Anteil mit 95% noch größer.
Auf den Befragungsergebnissen aufbauend wurde ein Leitfaden entwickelt, der eine zielgerichtete und praxisorientierte Umsetzungshilfe für alle Wasserversorgungstypen und -größen in der Steiermark sein soll und die Wasserversorger entlang folgender Arbeitsbereiche an eine systematischen Umsetzung von Störfallvorsorgeplanung heranführt:
– Teambildung und Grundlagenaufbereitung aus dem Normalbetrieb,
– Störfallminimierung (Identifizierung, Elimination und Minimierung von Gefährdungen) durchführen,
– Störfallszenarien festlegen,
– Störfallabwicklung planen und Arbeitsanweisungen formulieren,
– Training der Störfallabwicklung,
– kontinuierliche Verbesserung sowie Dokumentation
– Abwicklung der Arbeitsanweisungen im Störfall (Notfall, Krise)
– Definition der Schnittstellen und Übergang zum Katastrophenmanagement planen.
Der Leitfaden enthält neben kurzen thematischen Einführungen, Beispiele aus der Praxis und Arbeitsbehelfe sowie Literaturverweise.

1 Einführung und Zielsetzung

1.1 Vom Störfall zur Katastrophe

Oberstes Ziel eines Wasserversorgers ist die Sicherung der öffentlichen Gesundheit bzw. Hygiene durch die Bereitstellung von Trinkwasser in einwandfreier Qualität und stets ausreichender Menge. Betriebliche Stör-, Not- und Krisenfälle, wie Versorgungsausfälle oder auch wasserbedingte Krankheitsausbrüche im Versorgungsgebiet, beschreiben Betriebssituationen, in denen die Trinkwasserversorgung qualitativ oder quantitativ gefährdet bzw. eingeschränkt ist. Mögliche Ursachen für solche Ereignisse können beispielsweise mit dem unzureichenden Schutz der Wasserressourcen, stofflichen und mikrobiellen Belastungen in Wassereinzugsgebieten, Störungen der Aufbereitung und Desinfektion, Ab- und Fremdwassereinträgen in das Leitungsnetz (Undichtheiten) sowie der Komplexität weitläufiger Hausinstallationen verbunden sein.
Für einzelne Wasserversorger kann es aufgrund von Störungen zur Abweichung vom Normalbetrieb, mit, aber auch ohne Auswirkung auf den Kunden kommen. Im betrieblichen Alltag von Wasserversorgungen werden Störungen zumeist effektiv und effizient von den MitarbeiterInnen innerhalb regulärer Betriebs- und Entscheidungsstrukturen (auch „Aufbau- und Ablauforganisation“ genannt) beherrscht (siehe grüne Anteile in Abb. 1). Es kann jedoch durch die Eskalation einer Störung, durch das zeitliche Zusammentreffen mehrerer Störungen oder durch Verkettung ungünstiger Umstände eine Situation eintreten, in der die vorhandenen Mittel auf Versorgerebene nicht ausreichen. Das kann zu einem Notfall und gegebenenfalls im weiteren Verlauf zu einer Krise bishin zur Katastrophe führen und die Einbindung von externen Stellen (z. B. Servicetechniker, Reparaturdienste, Feuerwehr, Behörden) oder gar den Umstieg auf eine Trinkwassernotversorgung erforderlich machen (siehe rote Anteile in Abb. 1). Unabhängig davon kann es auch durch eine regionale oder überregionale Katastrophe zu einer Beeinträchtigung der Versorgung kommen.
Zur besseren Darstellung der Eskalationsstufen und der jeweiligen Handlungsbereiche des Wasserversorgers, der Gemeinden und der Landesstellen wurden im Wasserversorgungsplan Steiermark 2015 dabei folgende Eskalationsstufen unterschieden (siehe Abb. 1):
  • eingeschränkte Netzversorgung (Teilausfall),
  • Versorgungsunterbrechung,
  • Notfall,
  • Krise und
  • Katastrophe.
Der hier präsentierte Vorschlag für die Umsetzung einer Störfallplanung wurde auf Basis von DVWG W 399 (2014), Kanton AR (2011), ONR 49000 (2014) und ÖNORM EN 15975 (2016) zusammengestellt.

1.2 Störfallvorsorgeplanung

Störfallvorsorgeplanung beschäftigt sich mit betrieblichen Stör-, Not- und Krisenfällen und hat das Ziel eine zentrale Versorgung so lange wie möglich und so weit wie möglich aufrecht zu erhalten.
Störfallplanung umfasst sowohl vorbeugendes und proaktives Handeln, als auch das Setzen von Sofortmaßnahmen im Ernstfall. Die Störfallplanung ist ein Instrument zur langfristigen Erhöhung der Versorgungssicherheit (Vorsorge) und um Ernstfälle effizient, mit so geringen Auswirkungen wie möglich abwickeln zu können (Abwicklung).

1.3 Warum Störfallvorsorgeplanung?

Effiziente Störfallvorsorgeplanung soll dabei helfen
  • das Auftreten von Störfällen (= Störfall, Notfall, Krise) nach Möglichkeit systematisch zu verhindern,
  • sich auf das Eintreten von Störfällen bestmöglich vorzubereiten, um diese schnellstmöglich zu erkennen, richtig einzuschätzen und zielgerichtet zu reagieren – und damit deren Auswirkung zu minimieren,
  • den Übergang zwischen den Eskalationsstufen Störfall – Notfall – Krisenfall sowie zum Katastrophenmanagement festzulegen, wobei der Themenkomplex Katastrophenmanagement selbst nicht Teil der Störfallplanung ist,
  • erforderliche interne und externe Kommunikationskanäle vorzubereiten um sich z. B. im Krisenfall den Umstieg auf eine Notversorgung vorzubereiten und mit entsprechenden Stellen auf Gemeinde- und Bezirksebene Kontakt herzustellen,
  • entsprechende Maßnahmen bei Bedarf umzusetzen und die Öffentlichkeit zu informieren,
  • sich auf die Rückkehr zum Normalbetrieb vorzubereiten und
  • geschehene Ereignisse zu dokumentieren, um deren Ursachen zu verstehen und daraus für die Zukunft zu lernen.

1.4 Ausgangslage

Tatsächlich waren bisher in der Steiermark die Wasserversorger in Hinblick auf eine systematische Störfallplanung und -vorsorge weitgehend auf sich gestellt. Dementsprechend groß sind auch die Unterschiede, inwieweit sich die Versorger bereits mit dem Thema auseinandergesetzt haben und wie im Ernstfall mit Stör-, Not- und Krisenfällen betrieblich umgegangen wird.
Auch hinsichtlich eines geregelten regionalen bzw. überregionalen Katastrophenmanagements zur Wasserversorgung gibt es in der Steiermark, wie auch in ganz Österreich, derzeit keine systematischen Aktivitäten, Strategien oder verbindlich vorgeschriebenen Maßnahmen. Im tatsächlichen Katastrophenfall ist damit weitestgehend offen, aus welchen intakten und geschützten Trinkwasserressourcen die Trinkwassernotversorgung der Bevölkerung (bzw. von Gewerbe/Industrie) tatsächlich erfolgen kann, wenn die herkömmlichen Wasserspender lokal, regional, überregional oder gar landesweit nicht mehr zur Trinkwassergewinnung herangezogen werden können.
2015 beauftragte daher das Referat für Siedlungswasserwirtschaft des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung das Institut für Siedlungswasserbau der Universität für Bodenkultur Wien damit, in einer umfassenden Befragung den Stand der Dinge bei den Wasserversorgern zu erheben und darauf aufbauend in weiterer Folge einen Leitfaden mit praxisnahen Umsetzungshilfen zu entwickeln. Übergeordnete Ziele des Projektes war es eine fundierte Einschätzung des Status quo in der Steiermark zu erlangen und in Form eines Leitfadens zu dem im Wasserversorgungsplan 2015 vorgesehenen Ausbau von Störfallmanagement bei Wasserversorgern aller Größen und Typen beizutragen.

2 Methode

Nachfolgend wird die Herangehensweise für die Befragung sowie die Leitfadenerstellung beschrieben.

2.1 Fragebogenerstellung und -aussendung

Der erste Projektteil widmete sich der Erstellung und Durchführung der Befragung aller Wasserversorger in der Steiermark, die in zwei Phasen erfolgte: Zunächst wurden Gemeindewasserversorger und Wasserversorgungsverbände befragt. In einer zweiten Phase dann mit einem leicht angepassten Fragebogen Wassergenossenschaften und -gemeinschaften. Ziel der Befragung war es, einerseits den Umsetzungsstand von Störfallmanagement in den steirischen Wasserversorgungen darzustellen und andererseits auch Ansatzpunkte für zielgerichtete Unterstützungen zu identifizieren – z. B.: Wo werden thematisch noch unterstützende Unterlagen für Versorger benötigt? Gibt es dabei größen- bzw. typabhängige Unterschiede?
Nach einer allgemeinen Fragensammlung wurden die zwei Fragebögen unter Beachtung folgender methodischer Aspekte ausformuliert:
1.
fachlich fundierter Inhalt durch Stützung auf aktuelle Gesetze und Normen,
 
2.
strukturiertes Layout in Bezug auf logische Anwendungsschritte bei der Umsetzung eines Stör-, Notfall- und Krisenmanagements,
 
3.
an die Zielgruppe angepasster Umfang (z. B. durch reduzierte Fragenlänge und gekürzte allgemeine Datenabfrage für Wassergenossenschaften und Wassergemeinschaften im Vergleich zum Fragebogen für Gemeinden und Verbände),
 
4.
Anwenderfreundlichkeit durch einfachere Fragenformulierung und Bezugnahme auf vorhandene Betriebsdaten sowie
 
5.
möglichst einfache Auswertungsmöglichkeiten für die wissenschaftliche digitale Auswertung.
 
Der Frageninhalt wurde so gewählt, dass dieser eine Bewertung der Wasserversorgung zulässt, die abgefragten Daten aber auch für kleinere Wasserversorger leicht verständlich und vor allen Dingen verfügbar sind. Deshalb war bei der Fragebogenerstellung ein Mittelweg aus fachlich begründeter Tiefe der Datenerfassung und einer breiten Akzeptanz zu finden, um Reliabilität und Validität sicherstellen zu können. Da es sich bei den erhobenen Daten teilweise um sensible Themen handelt, sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Fragebögen zwar über eine interne Identifikationsnummer jederzeit zuordenbar, aber in den Auswertungen namentlich anonymisiert wurden.
Die Fragebögen sind in drei Teile gegliedert. Der erste Teil des Fragebogens diente der inhaltlichen Einführung und Informationsgewinnung betreffend Häufigkeiten von Vorkommnissen bzw. Störungen. Dabei wurden die drei Eskalationsstufen Störfall, Notfall und Krise unterschieden. Im zweiten Teil wurde der Umsetzungsstand von Störfall-, Notfall- oder Krisenmanagementplanung abgefragt. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie ein Störfall-, Notfall- oder Krisenmanagement in einem Betrieb aussehen kann, fundamentale theoretische Grundlagen sollten jedoch zumindest in Art und Weise in jedem System abgebildet sein. Um den Stand der Dinge unabhängig von der Umsetzungsart zu erfragen, wurden daher fünf „Schritte“ formuliert, die auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche jenen Umsetzungsschritten entsprechen, die eingehalten werden sollten, um von einem funktionellen Störfallmanagement sprechen zu können. Konkret umfasste das Fragen zur Gefährdungsidentifikation, zur Vorsorgeplanung und Umsetzung der Vorsorgeplanung sowie zur Vorbereitung von Sofortmaßnahmen und der Alarmierung. Ebenso wurde auf die Dokumentation von Zwischenfällen und wie diese durchgeführt wird eingegangen. Im dritten Teil wurden Betriebsdaten erhoben. Durch die Abfrage von Systemeinspeisung, Informationen zu Wasserbezugsvereinbarungen oder auch die Anzahl der versorgten Einwohnerinnen und Einwohner sollten Gruppierungen für die Auswertung ermöglicht werden.
Die Fragenstruktur wurde so gewählt, dass in jedem Kapitel zuerst allgemeinere Fragen gestellt wurden, die dann im Zuge der folgenden Fragen präzisiert wurden. Dadurch sollten die Studienteilnehmer an den jeweiligen Themenblock herangeführt und es konnte dadurch eine gleichmäßige Bearbeitungstiefe erreicht werden. Ebenso wurden Kontrollfragen eingebaut, mit denen die Konsistenz der Beantwortung überprüft werden konnte.
Der Fragebogen wurde als digital ausfüllbares PDF-Formular in Adobe Acrobat XI erstellt und für jede Frage eigens zwischen Multiple-Choice-Frage (Darstellung: Kästchen) und Single-Choice-Frage (Darstellung: rundes Feld) unterschieden. Die Wahl fiel auf dieses Programm aufgrund der Möglichkeit einer digitalen Aussendung und Auswertung und weil durch diese einfache Möglichkeit zur Teilnahme mit einer höheren Beteiligung an der Umfrage zu rechnen war. Durch die digitale Aufbereitung sollte das Einlesen der Daten in das Statistikprogramm vereinfacht werden. Bei einem gewissenhaften Testdurchlauf dauerte es etwa zwanzig Minuten, den Fragebogen auszufüllen. Dem digitalen Fragebogen wurde ein Informationsschreiben des Landes Steiermark beigefügt, das allgemeine Projektinformationen und terminliche Daten beinhaltete. Dem Fragebogen für Wassergenossenschaften und -gemeinschaften wurde zusätzlich das Merkblatt „Ausfüllhilfe“ beigelegt, der Personen mit weniger Erfahrung im Bereich digitaler Medien anhand einer Schritt-für-Schritt-Anleitung die Scheu vor der Teilnahme nehmen sollte.
Der Fragebogen wurde nicht nur per E-Mail, sondern auch über andere Verteilwege wie über den Postweg, bei Informationsveranstaltungen und, wenn nötig persönlich durch die Abteilung 14 verteilt. Nach vorher festgelegten Fristen wurden Erinnerungsmails ausgeschickt. Nach einer weiteren Frist wurden erneut alle jene, die bis dahin keine Antwort geschickt hatten zur Teilnahme aufgefordert. Im Falle der Gemeinden und Wasserversorgungsverbände aber auch einem Teil der Wassergenossenschaften und -gemeinschaften wurde die Erinnerung schließlich telefonisch abgewickelt. Dabei stellten die nicht immer aktuellen Kontaktdaten der Betriebsverantwortlichen eine große Herausforderung dar. Daher wurde versucht aus mehreren bestehenden Kontaktdatenbanken eine möglichst aktuelle Kontaktliste zu erstellen. Dies war allerdings vor allem im Bereich der Wassergenossenschaften und -gemeinschaften nur eingeschränkt möglich.

2.2 Rücklaufverwaltung und Auswertungskonzept

Im Zuge der Rücklaufverwaltung wurden den Antwortfragebögen fortlaufende interne Nummernzugeordnet und die unterschiedlichen Versorgungstypen (Verbände, Gemeinde etc.) berücksichtigt. Nicht digitale Rücksendungen wurden manuell digitalisiert. Bemerkungen zu durchgeführten inhaltlichen Änderungen im Sinne des Verständnisses der Fragebogenersteller wurden in einem Begleitdokument gesammelt. Die Auswertung der Rückläufe erfolgte mit der Statistik-Software R und umfasste zwei Auswertungsteile. Der erste Teil der Auswertung befasste sich mit der Bewertung des Umsetzungsstandes auf Basis von vordefinierten Mindestanforderungen. Der zweite Teil der Auswertung beschäftigte sich mit der allgemeinen quantitativen Auswertung des Fragenbogens hinsichtlich möglicher Ansatzpunkte für Umsetzungshilfen. Auf die Herangehensweise bzw. Ergebnisse des zweiten Auswertungsteils wird in dem vorliegenden Artikel nicht näher eingegangen.

2.2.1 Bewertung des Umsetzungsstandes auf Basis von vordefinierten Mindestanforderungen

Auf Basis einer Literaturrecherche wurden Mindestanforderungen für die fünf Umsetzungsschritte definiert, die als „kleinster gemeinsamer Nenner“ eines funktionellen Störfallmanagements gesehen werden (siehe Abb. 2). Auf Basis dieser Mindestanforderungen wurden die Antworten der Wasserversorger wie folgt ausgewertet. Das Vorhandensein der Mindestanforderungen wurde über festgelegte Antwortmuster für einzelne Fragen geprüft. So konnte für jede Mindestanforderung bewertet werden, ob diese im Betrieb
  • Kategorie „ROT“ - noch gar nicht ausreichend umgesetzt ist,
  • Kategorie „ORANGE“ - bereits teilweise umgesetzt ist,
  • Kategorie „GRÜN“ - schon ausreichend umgesetzt ist oder
  • Kategorie „GRÜN+“ - schon vorbildhaft umgesetzt ist
Darüber hinaus wurden sogenannte „K.O.-Kriterien“ festgelegt, welche als wirklich elementare Anforderungen für eine erfolgreiche Umsetzung erachtet werden. Wird ein K.O.-Kriterium in einem Schritt nicht erfüllt, ist davon auszugehen, dass die Umsetzung des gesamten Schrittes nicht möglich ist – selbst wenn andere Mindestanforderungen erfüllt sind.
Zum o.a. Bewertungsschema ist anzumerken, dass zwecks Vergleichbarkeit der Ergebnisse das Bewertungsschema für die „großen“ und „kleinen“ Versorger weitgehend gleich belassen wurde. Einen wesentlichen Unterschied gibt es insofern, dass bei den größeren kommunalen Versorgern, wie Gemeinden und Verbänden, wenn im Fragebogen eine Frage nicht beantwortet wurde, diese als „falsch“ beantwortet gewertet wurde. Dies vor dem Hintergrund, dass jene Versorger diese Anforderungen erfüllen und auch anführen müssen. Bei der Auswertung der Wassergenossenschaften und -gemeinschaften wurden nicht beantwortete Fragen lediglich als „nicht beantwortet“ in der Auswertung angeführt.
Zur Beurteilung, inwieweit ein Betrieb nun die fünf festgelegten Schritte umgesetzt hat, wurde ein Bewertungsschema entwickelt (siehe Abb. 3), das auf den Häufigkeiten der einzelnen Bewertungskategorien für Mindestanforderungen aufbaut. So wird beispielsweise ein Betrieb, der das K.O.-Kriterium - „identifizierte Gefährdungen schriftlich dokumentieren“ - nicht erfüllt, der gesamte Schritt 1 mit „K.O.“ bewertet. Erfüllt ein Betrieb zwar diverse „K.O.-Kriterien“, hat aber bei mehr als der Hälfte der Mindestanforderungen, die für einen Schritt definiert wurden, eine negative Bewertung (Kategorie „Rot“), wird der gesamte Schritt mit der Kategorie „Rot“ bewertet. Parallel dazu wurde ein ergänzendes Bewertungsschema entwickelt, dass auf Basis der Resultate für die einzelnen Schritte, eine vereinfachte und übergeordnete Gesamtbewertung für jeden Betreiber ermöglicht.

2.3 Leitfadenerstellung

Die Fragebogenergebnisse, Literaturrecherche sowie ExpertInnendiskussionen bilden die Grundlage für die Erstellung des Leitfadens. Die Leitfadenerstellung erfolgte daher in enger Zusammenarbeit der Mitarbeiter der BOKU und des Referats für Siedlungswasserwirtschaft des Landes Steiermark. Dabei wurde versucht, einer großen Bandbreite an Rahmenbedingungen und Bedürfnissen mit einem einzelnen, sehr praxisnahen Planungswerkzeug gerecht zu werden. Das Dokument sollte neben kurzen theoretischen Erläuterungen vor allem Umsetzungsanweisungen bieten, welche einen klaren Bezug zur Praxis und gleichzeitig einen überschaubaren Umfang haben und in weiterer Folge auch gut lesbar sind.

3 Ergebnisse

Aufgrund des hohen Rücklaufs bei größeren kommunalen Versorgern, Gemeinden (77 %) und Verbänden (86 %), sind die Ergebnisse der Bewertung als repräsentativ für alle steirischen Gemeinden und Verbände zu sehen. Bei den kleineren Versorgern konnten leider also keine Schlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen werden, da nur 32 % der Wassergenossenschaften und überhaupt nur 19 % der Wassergemeinschaften Informationen abgegeben haben. In diesem Fall sind die Ergebnisse daher jeweils nur auf die teilnehmenden Betriebe bezogen. Grundsätzliche Erkenntnisse konnten trotz geringer Teilnahme allerdings auch in diesem Bereich gewonnen werden.

3.1 Der Umsetzungsstand gesamt

Bei der gesamtheitlichen Auswertung aller Schritte zeigt sich folgendes Bild:
9 % der Gemeinden haben Stör-, Not- und Krisenmanagement bereits vorbildlich umgesetzt (Grün+). Weitere ca. 11 % erfüllen durchaus ausreichend alle definierten Mindestanforderungen (Grün). 4 % der Gemeinden sind „auf einem guten Weg“ zur Umsetzung – und erfüllen zwar weitgehend alle K.O.-Kriterien, aber vereinzelte Mindestanforderungen noch nicht. Fast 13 % der Gemeinden wurden mit „Rot“ bewertet. Sie erfüllen also in zwei von drei Schritten mehr als die Hälfte der Mindestanforderungen nicht, sehr wohl aber die K.O.-Kriterien. Spezifische Hilfestellungen für eine umfassende Umsetzung werden für diese Betriebe also essenziell werden. Weitere 63 % der Gemeinden erfüllen sogar 2 oder mehr K.O.-Kriterien nicht. Bei ihnen ist also davon auszugehen, dass sie momentan grundlegende Bestandteile für eine umfassende Umsetzung von Stör-, Not- und Krisenmanagement nicht vorweisen können. Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich, dass über Verbände versorgte Gemeinden insgesamt besser abschneiden. Der Anteil von Gemeinden, die hier K.O.-Kriterien nicht erfüllen oder auch mit „Rot“ bewertet werden, ist wesentlich niedriger.
Bei den Verbänden selbst ist das Ergebnis insgesamt deutlich besser. So haben ca. 18 % Stör-, Not- und Krisenmanagement bereits vorbildlich und weitere ca. 23 % bereits ausreichend umgesetzt. Der Anteil von Verbänden, die Orange bzw. Rot beurteilt wurden, liegt bei jeweils 4,5 %. Fast 28 % der Verbände erfüllen allerdings auch vereinzelte K.O.-Kriterien nicht – was davon ausgehen lässt, dass bei diesen Verbänden eine ausreichende Umsetzung bisher nicht vorhanden ist. Bei den Verbänden zeigen sich also zwei Gruppen: diejenigen, die bereits eine sehr weitreichende Umsetzung vollzogen haben und solche, denen grundlegende Bestandteile fehlen.
Etwa 2 % der Wassergenossenschaften, die geantwortet haben, haben Stör-, Not- und Krisenmanagement bereits (vorbildlich) umgesetzt (grün und grün+). 4 % der Wassergenossenschaften sind „auf einem guten Weg“ zur Umsetzung – und erfüllen zwar weitgehend alle K.O.-Kriterien, aber vereinzelte Mindestanforderungen noch nicht. Fast 12 % der Genossenschaften wurden mit „Rot“ bewertet. Sie erfüllen also in zwei von drei Schritten mehr als die Hälfte der Mindestanforderungen nicht, sehr wohl aber die K.O.-Kriterien. Spezifische Hilfestellungen für eine umfassende Umsetzung werden für diese Betriebe also essenziell werden. Weitere 85 % erfüllen sogar 2 oder mehr K.O.-Kriterien nicht. Bei ihnen ist also davon auszugehen, dass sie momentan grundlegende Bestandteilen für eine umfassende Umsetzung von Stör-, Not- und Krisenmanagement nicht vorweisen können. Bei den Wassergemeinschaften ist der Anteil sogar noch etwas größer (95 %).

3.2 Welche Schritte sind bereits gut umgesetzt und welche nicht?

Betrachtet man die Ergebnisse für die fünf Schritte, zeigen sich folgende Ergebnisse:
Bei den Gemeindeversorgern (Abb. 4) ist die Gefährdungsidentifizierung (Schritt 1) von nicht ganz 30 % bereits umgesetzt, aber der wesentlich größere Teil (67 %) der befragten Betriebe haben bei diesem Schritt zumindest eine elementare Mindesterfordernis nicht erfüllt. Die Präventionsmaßnahmenplanung- und Umsetzung (Schritt 2) haben mehr der befragten Betriebe (40 %) bereits ausreichend bzw. vorbildlich umgesetzt. Allerdings erfüllen auch hier fast die Hälfte der Betriebe (46 %) einzelne K.O.-Kriterien für eine ausreichende Umsetzung nicht. Bei der Planung für Sofortmaßnahmen (Schritt 3) halten sich der Anteil derjenigen, die zumindest einige elementare Mindestanforderungen noch nicht erfüllen (37 %) und derjenigen, die diesen Schritt bereits weitgehend umgesetzt haben (37 %), annähernd die Waage. Bei der systematischen Sofortmaßnahmeneinleitung (Schritt 4) ist der Anteil derjenigen, die diesen Schritt noch nicht umgesetzt haben mit fast 70 % am deutlichsten ausgeprägt. Die Dokumentation von Stör-, Not- und Krisenfällen (Schritt 5) haben fast ein Drittel (31 %) der Befragten bereits ausreichend bzw. sogar vorbildlich umgesetzt, gute zwei Drittel (65 %) haben wichtige Aktivitäten in ihrem Betrieb noch nicht umgesetzt. Gesamt gesehen scheinen die Schritte 2 und 3 daher die höchste Umsetzung gefunden zu haben.
Bei den Wasserversorgungsverbänden ist die Gefährdungsidentifizierung (Schritt 1) bei fast der Hälfte (47 %) der Betreiber bereits sehr gut umgesetzt (35 % Grün, 12 % Grün+). Die Präventionsmaßnahmenplanung und -umsetzung (Schritt 2) und die Planung für Sofortmaßnahmen (Schritt 3) haben sogar fast 60 % der Verbände bereits umgesetzt. Bei der systematischen Sofortmaßnahmeneinleitung (Schritt 4) ist der Anteil derjenigen, die elementare Mindestanforderungen nicht erfüllen, mit 53 % sehr ausgeprägt. Dafür hat über ein gutes Drittel der Verbände (35 %) diesen Schritt sogar schon vorbildlich umgesetzt. Die Voraussetzungen für die Umsetzung der Dokumentation von Stör-, Not- und Krisenfällen (Schritt 5) haben über 70 % der Betriebe bereits umgesetzt. Zusammenfassend betrachtet, erfüllen bereits ca. die Hälfte der Wasserverbände die Mindestanforderungen, wobei im Vergleich zu den anderen Schritten die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Sofortmaßnahmeneinleitung (Schritt 4) zu liegen scheinen.
Bei Wassergenossenschaften ist die Gefährdungsidentifizierung (Schritt 1) bei ca. 25 % der teilnehmenden Betriebe bereits umgesetzt, aber der wesentlich größere Teil (75 %) der befragten Wassergenossenschaften haben bei diesem Schritt zumindest eine elementare Mindesterfordernis nicht erfüllt. Die Präventionsmaßnahmenplanung- und Umsetzung (Schritt 2) haben nur einzelne der befragten Wassergenossenschaften bereits ausreichend bzw. vorbildlich umgesetzt. Fast alle erfüllen hier einzelne K.O.-Kriterien für eine ausreichende Umsetzung nicht. Die Planung von Sofortmaßnahmen (Schritt 3) haben ca. 10 % der Wassergenossenschaften weitgehend umgesetzt, 90 % erfüllen allerdings zumindest einige elementare Mindestanforderungen noch nicht. Bei der systematischen Sofortmaßnahmeneinleitung (Schritt 4) ist der Anteil derjenigen, die diesen Schritt noch nicht umgesetzt haben mit ca. 85 % auch sehr deutlich ausgeprägt. Die Dokumentation von Stör-, Not- und Krisenfällen (Schritt 5) haben wiederum nur ca. 15 % der Befragten Wassergenossenschaften bereits ausreichend bzw. sogar vorbildlich umgesetzt, 85 % haben wichtige Aktivitäten in ihrem Betrieb noch nicht umgesetzt. Gesamt gesehen scheinen ca. 15 % der Wassergenossenschaften die einzelnen Schritte ausreichend umgesetzt zu haben. Die restlichen ca. 85 % haben großteils die Mindestanforderungen der einzelnen Schritte noch nicht umgesetzt und brauchen bei diesen eine weiterführende Unterstützung.
Bei den Wassergemeinschaften ergibt sich im Prinzip ein sehr ähnliches Bild der Gesamtsituation wie bei den Wassergenossenschaften, wobei die einzelnen Anteile der Umsetzung in den Schritten zum Teil noch etwas geringer sind. Zusammenfassend betrachtet erfüllen daher bei den Wassergemeinschaften nur ca. 5 % die Mindestanforderungen. Eine weiterführende Unterstützung bei der Umsetzung erscheint auch hier unbedingt notwendig.

3.3 Wo liegen die größten Barrieren?

Abb. 5 und Abb. 6 geben eine Übersicht darüber, wie viele der an der Befragung teilnehmenden Versorger die einzelnen Mindestanforderungen vorbildlich, ausreichend, teilweise oder unzureichend erfüllen. Ebenso wird der Anteil der Betriebe dargestellt, die aufgrund ihrer Nichterfüllung mit dem K.O.-Kriterium beurteilt wurden. In Abb. 5 werden dabei die Ergebnisse von Gemeindewasserversorgern und Verbänden gemeinsam betrachtet, in Abb. 6 die für Wassergenossenschaften und Gemeinschaften.
So wird beispielsweise deutlich, dass in Schritt 1 die meisten kommunalen Versorger und Verbände die Dokumentation von Gefährdungen nicht erfüllen, während es in Schritt 2 die Einbindung der Präventionsmaßnahmen in die betrieblichen Routinen ist. In Schritt 3 ergibt sich die Mehrzahl der K.O.-Bewertungen durch das Nichtvorhandensein von technischen Maßnahmen für eine Notversorgung. In Schritt 4 wiederum zeigt sich, dass zwar eine Vielzahl an Betrieben Störungen bereits systematisch erkennen oder aber auch Verantwortlichkeiten für die Einleitung von Sofortmaßnahmen klar definiert hat. Es fehlt dabei aber bei einem beachtlichen Teil der Befragten ein dezidierter Alarmierungsplan bzw. Verantwortlichkeiten für Information/Kommunikation mit der Öffentlichkeit und Behörden sind unzureichend definiert. Die Betriebe, die bei Schritt 5 Mindestanforderungen nicht erfüllen und mit der Kategorie „Rot“ beurteilt wurden, tun dies vorwiegend nur deshalb, weil ihnen eine entsprechende Dokumentation von Ereignissen fehlt.
Bei den „kleineren Versorgern“, also den Wassergenossenschaften und Wassergemeinschaften, zeigt sich folgendes Bild: Es wird deutlich, dass in Schritt 1 zwei Drittel der kleinen Wasserversorger die Dokumentation von Gefährdungen nicht erfüllen und ca. die Hälfte noch keine Gefährdungsereignisse für Störfälle identifiziert hat. In den Schritten 2 und 3 wurden die Präventionsmaßnahmen und Maßnahmenplanung sowie die Planung der Sofortmaßnahmen und das Vorhandensein von Notfallanweisungen nur zum Teil umgesetzt. Bei den Schritten 4 und 5 fehlen großteils noch die Erstellung eines Notfallplans sowie die regelmäßige Übung von Notfallabläufen.

3.4 Leitfaden zur Störfallvorsorgeplanung

Der entstandene Leitfaden zur Störfallvorsorge und zum Umgang mit Störfällen ist wie folgt gegliedert:
  • Einführung
  • Störfallplanung und -vorsorge: Was ist damit gemeint? Warum machen wir das? Wie wird das gemacht?
  • Abgrenzung der Störfallplanung und -vorsorge
  • Abgrenzung der Störfallvorsorgeplanung
Für die Umsetzung von Störfallvorsorgeplanung wurden die in der Fragebogenerhebung genutzten Mindestanforderungen weiter spezifiziert und logisch verknüpft, um so logische Umsetzungsschritte zu erarbeiten. Daher werden in dem Leitfaden grob acht Arbeitsbereiche beschrieben, die in Abb. 7 in einem Flussdiagramm dargestellt sind:
  • Teambildung und Grundlagenaufbereitung aus dem Normalbetrieb,
  • Störfallminimierung (Identifizierung, Elimination und Minimierung von Gefährdungen) durchführen,
  • Störfallszenarien festlegen,
  • Störfallabwicklung planen und Arbeitsanweisungen formulieren,
  • Training der Störfallabwicklung,
  • kontinuierliche Verbesserung und Dokumentation,
  • Abwicklung der Arbeitsanweisungen im Störfall (Notfall, Krise) und
  • Definition der Schnittstellen und Übergang zum Katastrophenmanagement planen.
Störfallplanung (Abbildung 7, gelber Bereich) baut auf den Betriebserfahrungen im Normalbetrieb (grüner Bereich) auf. Die Störfallplanung bereitet weiterführend die Störfallvorsorge und den Umgang mit Störfällen (oranger Bereich) samt möglicher Überleitung auf eine Notversorgung vor, und kümmert sich um die Schnittstellen zum übergeordneten Katastrophenmanagement (roter Bereich).
Gestartet wird die Störfallvorsorgeplanung im Normalbetrieb mit der Teambildung und Grundlagenaufbereitung aus dem Normalbetrieb (Unterlagen zu den Anlagen und der Betriebsorganisation, Betriebs- und Überwachungsdaten) um eine gezielte Störfallminimierung vorzubereiten und durchzuführen zu können. Diese umfasst eine Gefährdungsidentifizierung und Gefährdungsminimierung durch Setzen von einmaligen und wiederkehrenden Tätigkeiten. Auf Basis der nicht eliminierbaren Gefährdungen werden für mögliche Abweichungen vom Normalbetrieb unterschiedliche Störfallszenarien festgelegt, für die in weiterer Folge eine Störfallabwicklung konkret geplant werden. Die geplanten Abläufe werden in entsprechenden Störfalltrainings geübt und verinnerlicht. Die Ergebnisse dieser Vorbereitung können dann im Störfall effizient umgesetzt werden und auch die Rückkehr zum Normalbetrieb vereinfachen. Sämtliche Erkenntnisse aus Störfällen und Störfalltrainings werden verarbeitet, um so eine kontinuierliche Verbesserung der Planung bzw. der Abläufe zu ermöglichen und den Planungskreislauf fortlaufend zu verbessern. In der Störfallabwicklung (Notfall, Krise) wird die geplante Störfallabwicklung (Einleitung, Umsetzung, Rückführung) anhand der formulierten Arbeitsanweisungen im Ernstfall angewendet und angepasst.
Die Schnittstellen zum übergeordneten Katastrophenmanagement werden im Rahmen der Störfallplanung festgelegt und mit den zuständigen Stellen abgestimmt.
Jeder dieser Arbeitsbereiche umfasst einzelne Arbeitsschritte, die in Abb. 8 detailliert dargestellt sind. Zugeordnet zu den übergeordneten Arbeitsbereichen werden folgende 18 Arbeitsschritte definiert:

3.4.1 Planungsteam und Grundlagenbearbeitung aus dem Normalbetrieb

1.
Planungsteam zusammenstellen,
 
2.
Anlagen- und Organisationsbeschreibung aktualisieren,
 
3.
Betriebsdaten und Überwachung aktualisieren und auswerten,
 
4.
Selbstbeurteilung des aktuellen Umsetzungsstandes durchführen.
 

3.4.2 Störfallminimierung (Identifizierung, Elimination und Minimierung von Gefährdungen)

5.
Gefährdungen (Gefahren und deren Wirkung) für Anlagen und Betriebsprozesse identifizieren (bei größeren Wasserversorgern auch evtl. Risikoanalyse und Priorisierung notwendig),
 
6.
Gefährdungen durch einmalige und wiederkehrende Tätigkeiten (technische und betriebliche Vorbeugemaßnahmen) eliminieren und minimieren. Identifizieren von nicht eliminierbaren Gefährdungen
 

3.4.3 Festlegung von Störfallszenarien

7.
Festlegung von Störfallszenarien für jene Gefährdungen, die nicht eliminiert werden können.
 

3.4.4 Planung der Störfallabwicklung

8.
Störfallerkennung festlegen,
 
9.
Einleitung der Sofortmaßnahmen bzw. Notwasserversorgung planen,
 
10.
Durchführung der Sofortmaßnahmen planen und Übergang zwischen Störfall, Notfall und Krisen festlegen. Berücksichtigung von: technisch-betrieblichen Notwendigkeiten, Organisation und Kommunikation (interne und externe)
 
11.
Rückführung der Sofortmaßnahmen planen
 
12.
Arbeitsanweisungen für Störfallszenarien und Eskalationsstufen (Notfall, Krise) formulieren
 

3.4.5 Störfalltraining

13.
Definierte Störfallszenarien und die Abwicklung zu deren Beherrschung trainieren
 

3.4.6 Kontinuierliche Verbesserung der Störfallplanung

14.
Erkenntnisse aus Störfalltraining verarbeiten,
 
15.
Erkenntnisse aus Störfallabwicklung (Ernstfall) verarbeiten.
 

3.4.7 Störfallabwicklung (Notfall, Krise) und Störfalldokumentation Einleitung Störfall (Notfall, Krise)

16.
Auslöseereignis für Störfalleintritt erkennen
 
17.
Störfallabwicklung (Einleitung, Durchführung, Rückführung),
 

3.4.8 Schnittstelle zum übergeordneten Katastrophenmanagement

18.
Schnittstellen zum übergeordneten Katastrophenmanagement definieren
 
In acht Kapiteln werden die 8 Arbeitsbereiche im Leitfaden anhand der folgenden Leitfragen beschrieben. Alle 18 Arbeitsschritte werden anhand einfacher Beispiele veranschaulicht. Ebenso wird auf Arbeitsbehelfe bzw. weiterführende Literatur und Hilfestellungen verwiesen bzw. werden diese in den Leitfaden direkt einbezogen.
  • Was ist zu tun? → Grobe Beschreibung, worum es in diesem Arbeitsbereich geht.
  • Warum tun wir das? → Kurzübersicht der Zielsetzung dieses Arbeitsbereiches.
  • Wie tun wir das? → Beschreibung der Arbeitsschritte, die der Arbeitsbereich umfasst.
  • Was kommt dabei raus? → Kurzbeschreibung der angestrebten Ergebnisse.
Alle Arbeitsschritte werden anhand von einfachen Beispielen veranschaulicht. Auf Arbeitsbehelfe und weiterführende Literatur bzw. Hilfestellungen wird ebenso verwiesen. Dieser Leitfaden dient als vereinfachte und praxisnahe Hilfestellung für die Umsetzung einer umfassenden Störfallplanung. Dieser ist für unterschiedliche Versorgungstypen (Gemeindewasserversorger, Wassergenossenschaft etc.) anwendbar, jedoch an die jeweiligen Strukturen und Rahmenbedingungen anzupassen.

3.4.9 Wassersicherheitsplanung, Störfallplanung, Trinkwassernotversorgung – wie hängt das alles zusammen?

Wassersicherheitsplanung (in Abbildung 3 blau dargestellt) ist ein kontinuierlicher Planungsprozess, der sich ganz allgemein mit den Fragen „Was kann in unserer Versorgung schief gehen“, „Welche Risiken sind damit verbunden“, „Wie beherrschen wir die Risiken?“ und „Woher wissen wir, dass wir sie im Griff haben“ beschäftigt. Übergeordnetes Ziel ist es, die Trinkwasserversorgung im Hinblick auf Qualität, Quantität und Kontinuität sicherzustellen und zu verbessern. Die Wassersicherheitsplanung unterstützt in Verbindung mit der Produktkontrolle (Wasseruntersuchungen) die Qualitätssicherung des Endprodukts sowie die Struktur- und Prozessqualität der Versorgung. Es werden alle Teile der Wasserversorgung, vom Einzugsgebiet bis zum Zapfhahn des Verbrauchers inklusive der Betriebsorganisation und Verwaltung umfasst. Nachfolgende Aktivitäten sind Teil einer Wassersicherheitsplanung:
die Bildung eines Planungsteams
die Beschreibung der Wasserversorgung (Anlagen und Betrieb)
eine Gefährdungsbeurteilung bzw. Risikobeurteilung und Priorisierung
Maßnahmen zur Risikobeherrschung (Elimination bzw. Minimierung)
die Abschätzung des Restrisikos und die Vorbereitung auf den Ernstfall. In Form von sogenannten „Korrekturmaßnamen“ werden im Rahmen der Wassersicherheitsplanung Maßnahmen für den Fall festgelegt, dass bei der betrieblichen Überwachung festgestellt wird, dass ein „Sollzustand“ der Versorgung nicht (mehr) gewährleistet ist.
die Überwachung der Maßnahmen und Anpassung im Bedarfsfall. Die Inhalte der Wassersicherheitsplanung sind im Detail in der ÖVGW Richtlinie W88 beschrieben.
Idealerweise baut die Störfallplanung (in Abbildung 3 gelb dargestellt) auf einer bestehenden Wassersicherheitsplanung auf und setzt dort an, wo ein definierter „Sollzustand“ verlassen werden kann. Sie bietet eine detaillierte praktische Anleitung für die Vorbeugung und Abwicklung des Ernstfalls. Für den Fall, dass ein Betrieb allerdings noch keine systematische Wassersicherheitsplanung eingeführt hat, sind in diesem Leitfaden für den Umgang mit Störfällen auch die wesentlichen Bestandteile der Wassersicherheitsplanung abgebildet (in Abbildung 3 in blau hinterlegt). Diese Bestandteile stellen auch einen wesentlichen Teil der Störfallvorsorgeplanung dar.
Je nachdem wie ein Ernstfall verläuft, kann die Einleitung einer Notversorgung notwendig werden (in Abbildung 3 orange dargestellt). Die vier Modellszenarien, die in der Trinkwassernotversorgung (ÖVGW Richtlinie W74) skizziert sind, beschäftigen sich mit Einschränkungen der Wassermenge und/oder Wasserqualität. Im Folgenden sind jene Versorgungsarten nach ÖVGW Richtlinie W74 zusammengestellt, die unter eine Notwasserversorgung fallen bzw. welche Eskalationsstufen hier zuordbar sind. Die ersten beiden Punkte sind Teil der Normalversorgung oder des betrieblichen Störfallmanagement. Die drei letzten Punkte sind Teil des überbetrieblichen Krisen- und Katastrophenmanagements und stellen damit eine klassische Trinkwassernotversorgung dar.
Normale Versorgung (Normalbetrieb inkl. Störfälle)
Eingeschränkte zentrale Versorgung (Störfall, Notfall, Krise)
Holversorgung (Krise, Katastrophe)
Eigenbevorratung (Krise, Katastrophe)
Versorgung mit Nutzwasser über das Rohrnetz (Krise, Katastrophe) detailliertere Informationen bzw. Beschreibungen zur Trinkwassernotversorgung finden sich in der ÖVGW Richtlinie W74.
Open access funding provided by University of Natural Resources and Life Sciences Vienna (BOKU).
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Literatur
Zurück zum Zitat DVWG W 399 (M) (2014): Ungeplante Versorgungsunterbrechungen/-störungen; Erfassung und Berechnung. Technischer Hinweis – Merkblatt des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches. Bonn. ISBN 978-3-8348-9805-0 DVWG W 399 (M) (2014): Ungeplante Versorgungsunterbrechungen/-störungen; Erfassung und Berechnung. Technischer Hinweis – Merkblatt des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches. Bonn. ISBN 978-3-8348-9805-0
Zurück zum Zitat ONR 49000 (2014): Risikomanagement für Organisationen und Systeme. Serie des Österreichischen Normungsinstituts ÖNORM. ONR 49000:2014 01 01. ONR 49000 (2014): Risikomanagement für Organisationen und Systeme. Serie des Österreichischen Normungsinstituts ÖNORM. ONR 49000:2014 01 01.
Zurück zum Zitat ÖNORM EN 15975 (2016): Sicherheit der Trinkwasserversorgung - Leitlinien für das Risiko- und Krisenmanagement; Teil 1: Krisenmanagement ÖNORM EN 15975 (2016): Sicherheit der Trinkwasserversorgung - Leitlinien für das Risiko- und Krisenmanagement; Teil 1: Krisenmanagement
Zurück zum Zitat Wasserversorgungsplan Steiermark (2015): Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Herausgeber: Abteilung 14 – Wasserwirtschaft, Ressourcen und Nachhaltigkeit Wasserversorgungsplan Steiermark (2015): Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Herausgeber: Abteilung 14 – Wasserwirtschaft, Ressourcen und Nachhaltigkeit
Metadaten
Titel
Umgang mit Störfällen in der Steiermärkischen Wasserversorgung – Ist-Stand Erhebung und Leitfadenerstellung
verfasst von
DI Sandra Nicolics
DI Ernest Mayr
DI Alexander Salamon
Priv.-Doz. DI Dr. Reinhard Perfler
Publikationsdatum
11.04.2017
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Ausgabe 5-6/2017
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-017-0391-2

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