Digitale Plattformen als Vermittler zwischen Anbietern und Verbrauchern sind ein zentraler Baustein im globalen Handel. Neben vielen Chancen bergen sie allerdings umsatzsteuerliche Herausforderungen - ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.
Schätzungen zufolge generiert die EU-Plattformwirtschaft jährlich beachtliche 25,7 Milliarden Euro an Umsatzsteuereinnahmen, wobei der Großteil (15,2 Milliarden Euro) aus dem E-Commerce-Sektor stammt. Es verwundert daher nicht, dass die EU zahlreiche Vorschriften erlassen hat, um die Steuererhebung für Transaktionen im E-Commerce-Bereich zu verbessern.
Umfangreiche Regelungen für den E-Commerce
Gemäß den E-Commerce-Regelungen, die am 1. Juli 2021 in Kraft getreten sind, wurde eine Umsatzsteuer-Vereinfachungsregelung im E-Commerce eingeführt. Diese Regelung beinhaltet eine Annahme einer Lieferkettenfiktion die besagt, dass die Plattform die Ware vom Online-Händler erhält und eine Lieferung an den Endkunden vornimmt, wenn Waren von außerhalb der EU ansässigen Online-Händlern in der EU verkauft werden. Zudem wird eine Lieferkettenfiktion angenommen, unabhängig von der Ansässigkeit der Online-Händler, wenn über eine elektronische Plattform Fernverkäufe von Waren mit einem Wert von maximal 150 Euro aus Drittländern unterstützt werden.
Diese Vorschriften wurden durch Aufzeichnungs- und Meldepflichten für die Plattformen gemäß der DAC-7-Richtlinie ergänzt. Seit dem 1. Januar 2023 müssen die E-Commerce-Plattformen umfangreiche Informationen zu den über sie abgewickelten Transaktionen aufzeichnen und diese einmal pro Jahr an die nationalen Finanzbehörden melden.
Ausdehnung der Lieferkettenfiktion
Trotz dieser Maßnahmen ist die EU-Kommission der Ansicht, dass der bisherige Rechtsrahmen nicht ausreicht, um eine angemessene Erhebung der Umsatzsteuer im E-Commerce zu gewährleisten. Daher umfasst die EU-Umsatzsteuerreform "Umsatzsteuer im digitalen Zeitalter" (VAT in the Digital Age, ViDA) weitere Regelungen für den E-Commerce-Sektor.
Der ViDA-Reformvorschlag zielt darauf ab, die Lieferkettenfiktion auf sämtliche Lieferungen innerhalb der EU auszudehnen. Ausnahmen bestehen lediglich für Plattformen, die ausschließlich in einem EU-Land ansässig sind und den Verkauf von Waren ausschließlich in diesem Land unterstützen.
Das bedeutet, dass E-Commerce-Plattformen künftig Umsatzsteuer auf alle Lieferungen von Waren innerhalb der EU erheben müssen - unabhängig vom Status des Kunden oder der Ansässigkeit des Online-Händlers. Des Weiteren soll auch beim innergemeinschaftlichen Verbringen von Waren eine Lieferkettenfiktion angewendet werden, sodass der Online-Händler nicht für die umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsland der Waren verpflichtet wird.
Einführung digitaler Meldepflichten
Ein anderer zentraler Aspekt des ViDA-Richtlinienentwurfs ist die Einführung digitaler Meldepflichten gegenüber den Finanzbehörden sowie die Verpflichtung zur Ausstellung elektronischer Rechnungen für innergemeinschaftliche Lieferungen und sonstige grenzüberschreitende B2B-Umsätze, die der Umkehr der Steuerschuldnerschaft unterliegen. Diese Verpflichtungen werden auch für Plattformen gelten, die B2B-Verkäufe innerhalb der EU unterstützen. Das bedeutet, dass E-Commerce-Plattformen elektronische Rechnungen innerhalb eines äußerst knappen Zeitrahmens ausstellen und an die Steuerverwaltung übermitteln müssen.
Da nach den vorgeschlagenen Maßnahmen E-Commerce-Plattformen mehr umsatzsteuerliche Pflichten übernehmen werden, werden ihre Compliance-Kosten erheblich steigen. Es ist jedoch fraglich, ob die vorgeschlagene Ausweitung der Lieferkettenfiktion auf alle Warenlieferungen innerhalb der EU unbedingt erforderlich ist.
Angesichts der Einführung der Meldepflichten gemäß DAC-7-Richtlinie haben die Steuerbehörden Zugang zu aggregierten Daten über Plattformtransaktionen. Daher wäre es ratsam, die Auswirkungen dieser Maßnahmen zu bewerten, bevor zusätzliche steuerliche Meldepflichten eingeführt werden.
Steuervorschriften steigern Kosten
Die Erweiterung der Steuererhebungsverpflichtungen für Plattformen beschränkt sich nicht allein auf die EU-Mitgliedstaaten. Mit der steigenden Beliebtheit des Plattform-Geschäftsmodells begannen auch andere Länder, Plattformen in den Steuererhebungsprozess einzubeziehen.
Ein Hauptaspekt der umsatzsteuerlichen Herausforderungen für digitale Plattformen liegt in der Vielfalt der steuerlichen Vorschriften in verschiedenen Ländern. Jedes Land hat seine eigenen Umsatzsteuerregelungen, Registrierungspflichten und Meldeverfahren, die Plattformen beachten müssen, wenn sie grenzüberschreitend tätig sind.
Automatisierung für effizientere Prozesse
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und die Kosten zu optimieren, müssen Plattformen strategisch vorgehen. Investitionen in automatisierte Systeme zur Berechnung der Umsatzsteuer können die Effizienz steigern und Fehler reduzieren. Die Implementierung von Software-Lösungen, die die Einhaltung der Steuervorschriften überwachen und unterstützen, kann helfen, die Komplexität zu bewältigen.
Alles in allem stehen Plattformen vor erheblichen Herausforderungen im Bereich der umsatzsteuerlichen Compliance. Der Anstieg der Compliance-Kosten ist eine Realität, der sie sich stellen müssen. Durch den gezielten Einsatz von Technologie und eine proaktive Herangehensweise können sie jedoch die Auswirkungen mindern und eine effiziente umsatzsteuerliche Compliance sicherstellen.