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09.09.2013 | Umwelt | Interview | Online-Artikel

16.000 THW-Kräfte über sechs Wochen lang im Hochwasser-Einsatz

verfasst von: Günter Knackfuß

4:30 Min. Lesedauer

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Beim letzten Flusshochwasser in Deutschland leisteten die Helferinnen und Helfer des Technischen Hilfswerks insgesamt rund 1,6 Millionen Einsatzstunden. Damit trugen sie erfolgreich dazu bei, dass die Gesamtschäden von geschätzten 12 Mrd. Euro nicht noch höher liegen. Das THW hat damit seine anerkannte Position in der Gesellschaft und bei den Bürgern weiter gestärkt. Im Experteninterview Albrecht Broemme, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW).

Springer für Professionals: Wie lautet die Gesamtbilanz der THW-Einsätze während der Flusshochwassers im Mai und Juni 2013?

Albrecht Broemme: Das Flusshochwasser in diesem Jahr folgte auf ähnliche „Jahrhundert“-Ereignisse in den Jahren 2002 (Elbe) und 1998 (Oder). Den Handlungsbedarf, den das THW aus diesen Einsätzen erkannt hatte, wurden inzwischen größtenteils umgesetzt, so dass der Hochwassereinsatz in 2013 besser durchgeführt werden konnte. Leider konnten nicht überall erforderliche Maßnahmen, vor allem im präventiven Bereich, vollzogen werden. Die vorläufige Bilanz der THW-Einsätze ist also positiv, eine ausführliche Einsatzauswertung ist allerdings noch in Arbeit.

Wo befanden sich die örtlichen Einsatzschwerpunkte?

Anders als in den Vorjahren betraf das Hochwasser in diesem Jahr sieben Länder, nämlich Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Einsatzschwerpunkte waren nicht nur Städte wie Deggendorf oder Rosenheim, Weimar oder Magdeburg sondern auch das riesige Überflutungsgebiet im Jerichower Land. Unabhängig von diesen örtlichen Schwerpunkten waren nahezu alle der knapp 700 Ortsverbände im Laufe dieses Hochwassers im Einsatz.

Welche technischen Geräte kamen zum Einsatz?

Die THW-einheiten bestehen aus Führungsgruppen, technischen Zügen und diversen Fachgruppen. Das Hochwasser erforderte den Einsatz diverser Fachgruppen: so zum Beispiel Logistik (Verpflegung und Transportaufgaben), Wassergefahren (Boote), Pumpen, Beleuchtung und Sprengen. Wir konnten feststellen, dass wir prinzipiell über alle Geräte verfügen, die bei solchen Einsatzlagen erforderlich sind. Allerdings wird das THW – je nach Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln – das eine oder andere Gerät noch öfter beschaffen.

Mit "Hannibal" besitzen sie eine Typ großer Schmutzwasserpumpe. War die auch unterwegs?

Selbstverständlich war die Pumpenleistung von 15 m³ pro Minute an vielen Stellen gefragt, so dass die Großpumpen des THW, aber auch andere leistungsfähige Elektropumpen im Einsatz waren.

Diesmal wurden ihre Experten für Sprengungen angefordert. Welche Aufgaben standen vor ihnen?

Auch bei diesem Hochwasser konnten Sprenggruppen des THW ihr Können unter Beweis stellen. Am spektakulärsten waren die Sprengungen bei Fischbeck, wo mit Hilfe versenkter Schuten ein gebrochener Deich wieder geschlossen werden konnte.

Für Aktionen während der Dunkelheit verfügen sie auch über "Beleuchtungsmeister". Wie gestaltet sich ein solcher Einsatz?

Abends wird es dunkel, und manche Arbeiten müssen dann eingeschränkt oder eingestellt werden, wie z.B. der Einsatz von Hubschraubern. An vielen Stellen konnte das THW mit seinen leuchtenden kleineren oder großen „Ballons“ für eine blendfreie, gleichmäßige Ausleuchtung sorgen, so dass z.B. bei Magdeburg rund-um-die-Uhr Sandsäcke gefüllt werden konnten.

Es gibt keinen Einsatz ohne ihre Logistik-Trupps Verpflegung. Was müssen diese Kräfte leisten?

Die Verpflegungsgruppen des THW (und anderer Organisationen) mussten, wie immer bei Katastrophen, Höchstleistungen erbringen, um z.B. „aus dem Stand heraus“ 1.000 Einsatzkräfte zu verpflegen, auch wenn nur 500 angemeldet waren. Das kann man keineswegs dadurch leisten, indem man in die Erbsensuppe mehr Wasser dazu kippt.

Immer öfter kommt auch das THW an personelle und technische Grenzen. Was sollte diesbezüglich für die Zukunft getan werden?

Beim Hochwasser 2013 kam das THW im Allgemeinen noch nicht an seine personellen oder andere Grenzen. Wir müssen uns aber darum kümmern, dass es auch zukünftig genügend viele motivierte, gut ausgebildete und hinreichend ausgestattete Einsatzkräfte gibt. Dies ist in Anbetracht der demographischen Entwicklung und anderer Veränderungen in einigen Regionen Deutschlands nicht einfach. Auch wird sich das THW darum kümmern, genügend Haushaltsmittel zu bekommen, um anstehende Ersatzbeschaffungen oder Neubeschaffungen durchführen zu können. Argumente liefert das jüngste Hochwasser...

Nach den kräftezehrenden Einsätzen soll auch die Anerkennung für die Besten nicht fehlen. Welche Möglichkeiten gibt es dafür beim THW und generell?

Die Anerkennung guter Leistungen ist ganz wichtig, insbesondere wenn sie ehrenamtlich erbracht wurden. Hierfür gab es bereits verschiedene Veranstaltungen der Länder, auch der Bund hat eine Flut-Medaille kreiert, die den im Einsatz beteiligten Haupt- und Ehrenamtlichen des THW, der Polizei, der Feuerwehr, der Hilfsorganisationen sowie engagierten Privatleuten verliehen wird. Wichtig ist auch die Anerkennung der vielen Unternehmer, die den Einsatz der Freiwilligen unterstützt haben.

Das THW unterstützt bei Katastrophen auch im weltweiten Maßstab. Bei welchen Einsätzen waren sie persönlich vor Ort?

Der THW-Präsident muss sich bei Einsätzen oder Projekten im Ausland vorrangig darum kümmern, dass alles optimal abläuft. Dazu gehören z.B. Gespräche bei den jeweiligen Botschaften oder im Krisenstab des Auswärtigen Amtes. Bei längeren Einsätzen oder vor Abschluss von Projekten lege ich Wert darauf, einmal selber "vor Ort" zu sein. So war ich u.a. in Sierra Leone (Peace Keeping Mission), in Indonesien (Aufbau nach Tsunami), auf Haiti (Wasserversorgung nach Erdbeben), in China (Erdbeben), in Japan (Konferenz nach Erdbeben), in New York (Hurrikan) und in Jordanien (Flüchtlingslager). Die Eindrücke, die ich dabei gewonnen habe, sind durch keine Berichte zu ersetzen. Außerdem freuen sich unsere Einsatzkräfte im Ausland, wenn sie ihrem Chef auch einmal selber zeigen können, was sie alles unter welchen Bedingungen leisten.

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