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10.09.2018 | Umwelt | Interview | Online-Artikel

"Schiffsverkehr - Klimaneutrales Mobilitätskonzept gesucht"

verfasst von: Nico Andritschke

4 Min. Lesedauer

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Bei der Diskussion um klimarelevante Emissionen steht der Schiffsverkehr meist hinten an. Thomas Vogt beschreibt ein Projekt, das umweltfreundliche Schiffsantriebe für Fähren entwickelt und erforscht.

Springer Professional: Herr Dr. Vogt, das DLR ist einer von acht internationalen Partnern, die im EU-Projekt HySeas III verschiedene Aspekte der Entwicklung hochseefähiger Fähren mit Brennstoffzellen-Antrieb erforschen. Was sind die herausragenden Besonderheiten des Projekts?

Thomas Vogt: Das Projekt HySeas III hat sich zum Ziel gesetzt, die weltweit erste wasserstoffbetriebene Hochseefähre mit Brennstoffzelle für den Personen- und Fahrzeugtransport zu entwickeln. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern wollen wir damit den Weg für ein klimaneutrales Mobilitätskonzept ebnen, das auf Fährverbindungen in ganz Europa übertragen werden könnte. In technologischer Hinsicht liegt die Besonderheit im elektrischen Antrieb: Direkt an Bord wird Wasserstoff, der ausschließlich mit Energie aus erneuerbaren Quellen produziert wird, per Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt. Für die Schiffbauer stellt die Integration des Brennstoffzellenantriebs und der Wasserstoffspeicher durchaus eine Herausforderung dar, weil der schwere Schiffsmotor oder auch der Schornstein entfallen. Entsprechend muss die Ausgewichtung der Fähre völlig neu konzipiert werden. Eine weitere Besonderheit im Projekt: Begleitend zum Bau der Fähre werden umfangreiche Markt- und Umweltanalysen vorgenommen. So betrachtet das DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme die notwendige Infrastruktur sowie die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere europäische Regionen. Dafür nehmen wir umfangreiche ökonomische und ökologische Analysen vor und ermitteln das Marktpotenzial im europäischen Raum.

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Bei seiner Fahrt durch das Wasser muss das Schiff gegen Wind und Wellen arbeiten. Das Wasser am Unterwasserschiff sowie die Luft am Überwasserschiff bewirken durch ihr Strömungsverhalten Reibungswiderstände am Schiffskörper, die letztlich durch  die Antriebsanlage zu überbrücken sind. 


Geht es um das Thema Emissionen, steht meist der Straßen- und Luftverkehr als Hauptverursacher im Fokus. Welche Lösungsansätze verfolgt die Wissenschaft, um den Ausstoß von Treibhausgasen im gesamten Mobilitätssektor – also auch im Schiffsverkehr – zu verringern?

Es ist tatsächlich so, dass Emissionen auf hoher See weit weniger im öffentlichen Fokus stehen. Wir werden nicht umhin kommen, die Energieversorgung auch im gesamten Schiffsverkehr inklusive der Stromanbindung in den Häfen umzugestalten. Die Einbindung von Solarstrom und Windenergie bietet besonders in den Küstengebieten enormes Potenzial, das eine Nutzung für den Schiffsverkehr nahelegt. Letztlich müssen wir aber sektorenübergreifend denken, also die Brücke von der Mobilität bis hin zur Strom- und Wärmeversorgung schlagen. Nur so werden wir ein wirtschaftlich attraktives und klimafreundliches Gesamtenergiesystem auf Basis erneuerbarer Energien gestalten können.

Was ist die Motivation auf Seiten der Forschung, sich umweltfreundlichen Antriebsarten für Schiffe mehr anzunehmen?

Wir gehen unsere Analysen grundsätzlich ergebnisoffen an. Auch wenn es scheinbar auf der Hand liegt: Ob die Wasserstoff-Fähre im Vergleich zu anderen Antriebskonzepten und der hierfür relevanten Infrastruktur tatsächlich umweltfreundlicher ist, können wir erst anhand unserer Ergebnisse bewerten. Zwar werden bei der Wasserstoffherstellung und während des Fährenbetriebs keine direkten Schadstoffe und Emissionen freigesetzt, allerdings könnten zahlreiche weitere Faktoren die Bilanz trüben. So könnten für den Herstellungsprozess möglicherweise Rohstoffe mit geringer Verfügbarkeit benötigt werden. Abbau, Transport und Verarbeitung sind zum Teil energieintensiv und können die CO2-Bilanz beeinflussen. Auch die Entsorgung kann zu Umweltbelastungen führen. Sie sehen: Ein Konzept muss wirklich zu Ende gedacht werden, ehe es das Attribut "umweltfreundlich" verdient.  

Neue umweltfreundliche Antriebe bedingen nicht nur Umbauten an Bord, sondern auch entsprechende Infrastruktur an Land, woran es meist in den Häfen hapert. Was sind wirtschaftliche Vorteile vom Konzept HySeas III und unter welchen Voraussetzungen ist es auf andere Schiffe und Häfen übertragbar?

Langfristig könnte HySeas III auf weitere Fährverbindungen in ganz Europa übertragbar sein und somit die Blaupause für Reeder und Hafenbetreiber liefern. Das Potenzial dafür möchten wir in einer Marktanalyse ermitteln. Wesentliche Faktoren dafür sind unter anderem die Streckenlänge, der Bedarf, die Aufnahmekapazität für Personen und Fahrzeuge, die Akzeptanz bei Betreibern und Bevölkerung sowie die Möglichkeit zur Bereitstellung von Wasserstoff mittels Erneuerbarer Energien in der Region.

Laut NABU verursachen die 15 größten Schiffe jährlich weltweit Schwefeldioxid-Emissionen wie 750 Millionen Autos. Das Pilotprojekt HySeas III hat eher bescheidene Ausmaße. Wie lange wird es dauern, bis für die größten Umweltverschmutzer auf See praxistaugliche technologische Lösungen für umweltfreundliche Schiffsantriebe verfügbar sind?

Wann und in welchem Umfang die Schadstoff-Emissionen auf See signifikant gesenkt werden, hängt nicht nur von der Verfügbarkeit technologischer Alternativen ab, sondern auch von Parametern wie Wirtschaftlichkeit, gesellschaftlicher Akzeptanz oder politischem Willen. Als Forscher haben wir die Aufgabe, attraktive Alternativen zu entwickeln. Deshalb wollen wir mit HySeas III ein vielversprechendes Konzept aufzeigen, das die Nutzung erneuerbarer Energien auch im maritimen Sektor ermöglicht. Sollten unsere Analysen einen wirtschaftlich erfolgreichen und ökologisch vorteilhaften Betrieb bestätigen, wäre der Weg auch für technologische Lösungen für größere Schiffstypen geebnet. 

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