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07.05.2013 | Umwelt | Schwerpunkt | Online-Artikel

Biodiversität als weltweiter Gesundheitsfaktor

verfasst von: Matthias Schwincke

5:30 Min. Lesedauer

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Inwieweit stehen die menschliche Gesundheit und die biologische Vielfalt miteinander im Zusammenhang? Diese interdisziplinäre Fragestellung stand vom 16. bis 18. April 2013 im Zentrum der zweiten "International Conference on Biodiversity and the UN Millennium Development Goals" in Berlin.

Zum Überblick über die von rund 150 internationalen Teilnehmern besuchte Gemeinschaftsveranstaltung des Leibniz-Verbunds Biodiversität und des französischen Institut Ecologie et Environnement-Centre National de la Recherche Scientifique (InEE-CNRS) hat "Springer für Professionals" die Vorsitzenden von fünf Konferenzbereichen um eine erste Einschätzung zu den wichtigsten Erkenntnissen und die damit verbundenen praktischen Konsequenzen gebeten.

Plenary Session 2 - Biodiversity and Emerging Infectious Diseases

Statement: Dr. Gudrun Wibbelt, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin

"Die Konferenz hat gezeigt, dass Biodiversität nicht nur Flora und Fauna in Naturräumen beinhaltet, sondern ein grandios komplexes Netzwerk von Organismen umfasst, die in gegenseitiger Wechselwirkung stehen. Angefangen bei mikroskopisch-kleinen Lebensgemeinschaften wie Biofilmen in aquatischen Systemen, über die Breite von Pathogenen und ihren unterschiedlichen Wirten bis zum Einfluss artenreicher strukturierter Umwelt im städtischen Leben zum Wohlbefinden der dort lebenden Menschen. Je vielfältiger Lebensräume ausgestattet sind, desto eher lassen sich Katastrophen vermindern. Zeitgleich wurde jedoch auch deutlich, dass mehr Wissen notwendig ist, um die vielschichtigen Prozesse und Interaktionen in belebter Materie zu verstehen, nutzen und schützen zu können.

Persönliches Highlight: Vortrag von Lai Choo Malone-Lee (Centre for Sustainable Asian Cities, School of Design and Environment, National University of Singapore) - Biodiversität kann auf eindrucksvolle Weise in Stadtplanung integriert werden - ein Beispiel, dem gefolgt werden sollte bzw. muss."

Plenary Session 3: Biodiversity and Natural Products

Dr. Christian Jogler, Leibniz-Institut - DSMZ Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, Braunschweig

"In der Plenary Session 3 wurde deutlich, dass Mikroorganismen zum einen als Pathogene mit einer enormen Diversität, gerade im Bereich multiresistenter Bakterien, die Gesundheit von Menschen bedrohen. Demgegenüber steht eine noch nicht final erfasste Diversität von Mikroorganismen, die nützliche Naturstoffe produzieren. Über zwei Drittel der heutigen lebenswichtigen Medikamente basieren auf derartigen Naturstoffen. In den Vorträgen wurde deutlich, dass sowohl die Untersuchung bereits bekannter Wirkstoffproduzenten, wie beispielsweise Streptomyceten, als auch die Untersuchung der bakteriellen und pilzlichen Diversität als Quelle neuer Leitstrukturen und potentiellen Medikamenten der Zukunft dienen kann. Dabei kommen vielfältige chemische und molekularbiologische Methoden zum Einsatz, wobei der Entschlüsselung der Erbinformation von Wirkstoffproduzenten eine zunehmende Bedeutung zukommt."

Plenary Session 4 - Novel Biodiversity and Ecosystem Health

PD Dr. Hans- Peter Grossart, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Berlin

"Die Leibniz Konferenz zu Biodiversität und Gesundheit hat aus verschiedensten Blickwinkeln gezeigt, wie eng Biodiversität und menschliche Gesundheit miteinander verknüpft sind. Sowohl der Wegfall von Arten als auch die Einwanderung neuer Arten (Invasoren) haben vielfältige Auswirkungen auf das natürliche Gefüge von Organismengemeinschaften und ihrer Funktion und haben damit enorme Auswirkungen auf Entstehung, Ausbreitung und Infektion durch neue und ortsferne Krankheitserreger. Die Konferenz hat zudem gezeigt, dass wir uns auch darum kümmern sollten, dass humane und hygienisch vernünftige Lebensbedingungen auch in abgelegenen Orten gegeben sein sollten, um auch unsere Gesundheit zu schützen. Daher ist eine Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen sowie weitreichende Aufklärung auch innerhalb von Gesellschaften in der 3. Welt die beste Grundlage für Artenschutz und eine präventive Gesundheitsfürsorge."

Plenary Session 5 (Urban Biodiversity and Public Health)

Statement: Prof. Dr. Wolfgang Wende, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden

"Angesichts einer weltweit wachsenden Zahl an Menschen, die in Städten wohnen, werden gesunde Lebensbedingungen und der gerechte Zugang zu Umweltgütern, wie öffentliche Grünflächen es sind, immer wichtiger. Dies zeigte die Session "Urban Biodiversity and Public Health" des Leibniz-Institutes für ökologische Raumentwicklung Dresden.
Städte stellen einerseits durch Flächen -und Ressourcenverbrauch eine Gefahr für die biologische Vielfalt dar - andererseits beherbergen Siedlungsräume eine große Vielfalt an Arten und teilweise auch neuartigen Lebensräumen. Diese Vielfalt gilt es zu erhalten, auch im Bewusstsein der vielseitigen Leistungen, die diese "grüne Infrastruktur" für die Stadtbewohner erbringt: Stadtparks bieten Raum für Bewegung und Naturerleben; Straßenbäume, aber auch grüne Brachflächen oder Dachbegrünung, helfen das Mikroklima zu regulieren; in Gärten können gesunde Nahrungsmittel erzeugt werden. 
Grüne Infrastruktur und damit auch ihre Leistungen für eine umfassende Gesundheitsvorsorge in der Stadt ist nicht selbstverständlich. Es bedarf übergreifender, aber auch kleinräumig wirksamer stadtplanerischer Strategien, politischer Unterstützung und sektorübergreifender Ansätze um Grün und damit biologische Vielfalt in Städten zu einem gleichberechtigten Bestandteil zukunftsfähiger, gesunder und lebenswerter Städte zu machen."

Plenary Session 6 - Ecosystem Diversity and Diseases Regulation

Statement Prof. Dr. Arthur Geßler, Institutsleiter, Institut für Landschaftsbiogeochemie, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg

"Die Vorträge zeigten das enorme Potential dieser Forschungsrichtung auf. Es zeigte sich aber auch klar, dass noch ein großes Defizit in unserem Wissen über die komplexen Interaktionen zwischen Biodiversität, Krankheitserregern, und weiterer Modifikationen durch biotische und abiotische Umweltfaktoren besteht. Dieses Wissen ist aber eine Bedingung dafür über ein Management der Biodiversität und Landnutzung Pathogene in der Landschaft „zu managen". Durch eine solche natürliche Pathogenkontrolle können wir möglicherweise auch den Einsatz von Pestiziden verringern."

Plenary Session 7 - Closing Session

Chair: Prof. Dr. Heribert Hofer, Direktor, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin

"Die Konferenz hat überdeutlich gemacht, wie sehr menschliches Wohlbefinden, Gesundheit und Lebensumstände einerseits und die natürliche Vielfalt (Biodiversität) andererseits existenziell miteinander verknüpft sind. Alle Teilnehmer fanden die Erweiterung ihrer fachspezifischen Horizonte bereichernd, erhellend und zum Teil auch bestürzend. Enorm hilfreich war die Zwei-Länder-Perspektive Frankreich und Deutschland, die sich bei vielen Themen gut ergänzten. Die Closing Session zeigte darüber hinaus, dass Europa von anderen Weltteilen gut lernen kann. Ein Beispiel dafür ist der Stadtstaat Singapur, der eine im Vergleich zu den dichtesten Ballungsräumen Europas noch einmal zehnfach höhere Bevölkerungsdichte aufweist und dennoch den Schutz natürlicher Lebensräume zum Wohle seiner Bevölkerung zu einer Priorität gesetzt hat. Damit ist es aber nicht getan – die Wissenschaftler sollten nicht nur interdisziplinär arbeiten, sondern auch ihre Ergebnisse der weiteren Öffentlichkeit inklusive der Politik in einem Beratungsprozess zur Verfügung zu stellen, der langfristig und professionell ausgelegt sein muss.“

Zweite International Conference on Biodiversity and the UN Millennium Development Goals.

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