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21.01.2015 | Umwelt | Interview | Online-Artikel

Für mehr Vernetzung von Naturschutz und Fischerei im Meer

verfasst von: Matthias Schwincke

4 Min. Lesedauer

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Meeresnaturschutz begegnet in Deutschland noch vielen Problemen. Über Hindernisse und Entwicklungschancen sprach Springer für Professionals mit Henning von Nordheim, Fachgebietsleiter Meeres- und Küstennaturschutz im BfN.

Springer für Professionals: Welche Relevanz hat das Thema Meeresfischerei und Meeresnaturschutz in Deutschland?

Henning von Nordheim: Das Thema hat eine große Relevanz, obwohl den meisten Menschen nicht bewusst ist, in welch großem Umfang die Meeresfischerei unsere Meere verändert hat und immer noch verändert. Unsere marinen Ökosysteme unterliegen einer vielfältigen, steigenden menschlichen Nutzung, häufig Übernutzung. Hierbei zählt die Fischerei zu einer der intensivsten Nutzungsformen, während die ökonomische Bedeutung des Fangsektors der Meeresfischerei in Deutschland kontinuierlich sinkt. So gehört die südliche Nordsee zu einem der weltweit intensivst befischten Meeresgebiete. Ein großes Problem ist dabei aus Naturschutzsicht, dass die Fischerei praktisch überall und selbst nahezu uneingeschränkt in allen deutschen Meeresschutzgebieten stattfindet. Und dies, obwohl nachgewiesenermaßen bestimmte Fischereipraktiken den Schutz der dort vorkommenden Arten und Lebensräume massiv gefährdet und das ganze Ökosystem verändert haben.

Welche Auswirkungen hat die Fischerei?

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Als direkte Auswirkung haben die zunehmenden Intensivierungen der Fischerei zur Überfischung einer Vielzahl von Beständen wie dem Nordseekabeljau geführt. Zusätzlich beeinträchtigt sie in erheblichem Maße das gesamte Meeresökosystem und die sogenannten Nicht-Zielarten und ihre Lebensräume, die gar nicht unmittelbares Ziel der Fischerei sind. Beifänge von Meeressäugetieren, Seevögeln oder auch kommerziell nicht genutzten Fischarten z.B. diverse Haie und Rochen sind ein wesentliches Problem. Grundschleppnetze oder Baumkurren schädigen oder zerstören die empfindlichen Arten und Lebensräume am Meeresboden. Negative Auswirkungen der Überfischung treffen jedoch auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Fischerei, nämlich Fische, Krustentiere oder Muscheln selbst. So müssen Fischer im Vergleich zu früheren Jahren häufig einen immer höheren Zeit- und Energieaufwand für bestenfalls gleichhohe Fangerträge betreiben.

Welche Ziele verfolgt die kürzlich erschienene BfN-Studie "Ökologischer und ökonomischer Nutzen fischereilicher Regulierungen in Meeresschutzgebieten"?

Unsere Studie stellt zusammenfassend die vielfach dokumentierten positiven Auswirkungen von Meeresschutzgebieten dar und welche Beschaffenheit Schutzgebiete aufweisen müssen, um ökonomisch und ökologisch wirksam zu sein. Sie zeigt anhand von Praxisbeispielen, dass Schutzgebiete sich nicht nur positiv auf den Zustand der Meeresökosysteme sondern auch der Fischerei auswirken. Trotzdem bestehen in Deutschland noch immer große Widerstände in der Fischerei gegen Schutzgebiete.

 

Welche Chancen bieten fischereiliche Regulierungen in Meeresschutzgebieten für die Fischereiwirtschaft?

Marine Schutzgebiete von ausreichender Größe mit effektiven Fischereiregulierungen besonders gefährdender Fischereipraktiken wirken sich nachweislich positiv auf die Häufigkeit, Biomasse und Artenzahl von Fischen und Bodenlebewesen in diesen Gebieten aus. Es konnte weltweit in vielen Studien gezeigt werden, dass dieses bei vielen Fischarten wieder zu älteren und größeren Individuen führt, welche dann wiederum eine gesteigerte Reproduktion aufweisen. Die Verdriftung von Eiern und Larven und Abwanderungen von Fischen hat häufig erhöhte Vorkommen in umliegenden Meeresgebieten zur Folge. So kann sich ein direkter Nutzen der Schutzgebiete für Bestände und die Fischerei z.B. durch höhere Fangerfolge in Gebieten außerhalb der Meeresschutzgebiete ergeben.

Eine aktuelle Publikation des Springer-Verlags bewertet die Beweise für substanzielle Vermehrungen von kommerziellen Fischbeständen in regulierten Meeresschutzgebieten als für zu schwach. Wie sehen Sie das?

Bei genauerem Lesen wird deutlich, dass in dem Artikel insbesondere fehlende wissenschaftliche Nachweise zur Wirksamkeit von Schutzgebieten in gemäßigten Breiten kritisiert werden. Ich stimme hier insoweit zu, dass es bisher zu wenige Studien zur Effektivität von Fischereiregulierungen in Verbindung mit Schutzgebieten bei uns gibt. Eine entsprechende Forschung muss deshalb dringend vorangetrieben werden, um wichtige Fragestellungen zu klären. Eine der Grundvoraussetzungen hierfür ist allerdings, dass in Schutzgebieten wirksame fischereiliche Maßnahmen wie der Ausschluss zerstörerischer oder Beifang-intensiver Fischereitechniken z.B. auch in deutschen Gewässern durchgeführt werden, um die Wirksamkeit dieser Gebiete für den Natur- und Fischbestandsschutz untersuchen zu können.

Wie könnte man in diesem Zusammenhang einen praktischen Schritt vorankommen?

Das BfN setzt sich seit Langem für einen konstruktiveren Dialog zwischen Fischerei- und Naturschutzseite ein. Einer der Ansätze zum Abbau von Konflikten zwischen beiden Interessensgruppen ist die Durchführung gemeinsamer Projekte beispielsweise zur Entwicklung und Einsatz von ökosystemgerechteren, selektiven Fanggeräten, die helfen sollen, die negativen Auswirkungen auf die Meeresnatur zu minimieren. Wichtig wäre es auch Kommunikationsplattformen zu schaffen, in denen beide Seiten offen miteinander reden, um für bestehende Konflikte Lösungswege zu finden.

Das Interview führte Matthias Schwincke, freier Autor, für Springer für Professionals.

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