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07.12.2015 | Umwelt | Interview | Online-Artikel

Umweltprobleme der Landwirtschaft

verfasst von: Günter Knackfuß

5:30 Min. Lesedauer

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Der Umweltschutz in der deutschen Landwirtschaft ist deutlich zu langsam vorangekommen. Eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt die reale Lage. Wir sprachen mit Alois Heißenhuber und Christine Krämer über die Ergebnisse.

Springer für Professionals: Ihre Studie hat untersucht, wie sich die Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft seit 1985 verändert haben. Wie stellt sich das Gesamtfazit dar?

Alois Heißenhuber: In der Studie "Umweltprobleme der Landwirtschaft – 30 Jahre SRU-Sondergutachten" werden die Entwicklungen der Belastungen der Schutzgüter Biodiversität, Boden, Landschaftsbild, Luft, Klima, Wasser und die Belastung von Lebensmitteln mit Schadstoffen anhand einer Vielzahl von Indikatoren bewertet. Dabei gibt es einige Indikatoren, die eine positive Entwicklung zeigen, wie z.B. der Eintrag von Pflanzenschutzmittel in das Grundwasser, aber es gibt auch einige Indikatoren, die eine negative Entwicklung zeigen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Belastung der Luft und das Vorkommen von Schadstoffen in Lebensmitteln rückläufig ist, dass aber die landwirtschaftliche Belastung der anderen Schutzgüter regional teilweise deutlich zugenommen hat.

Welche Ergebnisse gibt es zum Zustand des Grundwassers?

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Christine Krämer: Die Belastung des Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln hat insgesamt abgenommen. Allerdings zeigt die Betrachtung der Belastungssituation mit Stickstoff ein regional differenziertes Bild. So treten insbesondere in Regionen mit hohen Tierbesatzdichten und /oder räumlich stark konzentrierter Biogaserzeugung steigende Nitratwerte im Grundwasser auf. Ursächlich dafür ist, dass die anfallenden Nährstoffe aus der Tierhaltung und der Biogaserzeugung nicht entsprechend dem Pflanzenbedarf auf die Fläche ausgebracht werden, sondern deren Ausbringung teilweise eher einer "Entsorgung" gleicht. Dies ist dadurch bedingt, dass in Regionen mit hohem Tierbesatz der organische Dünger sehr weit transportiert werden müsste, um ihn auf Flächen auszubringen, die einen Bedarf an diesem organischen Dünger hätten – das heißt in Ackerbauregionen. Der Transport ist jedoch aufgrund des hohen Wassergehaltes von Gülle relativ teuer, so dass die Nährstoffe oft nicht entsprechend abtransportiert werden. Außerdem gestaltet sich die Ausbringung der Gülle nach der Getreideernte technisch viel einfacher als die Ausbringung in den Pflanzenbestand.

Wie sieht es beim Einsatz von Stickstoff als Düngemittel aus?

Alois Heißenhuber: Zu beobachten ist, wie schon angedeutet, eine zunehmende regionale Differenzierung beim Einsatz von organischen Düngemitteln. Der Einsatz mineralischer Düngemittel, der für 50 Prozent der Stickstoffzufuhr in die Landwirtschaft verantwortlich ist, schwankt in Abhängigkeit der Erzeugerpreise sowie der Preise für den Stickstoffdünger. Insgesamt ist der Stickstoffüberschuss in der Landwirtschaft in den letzten Jahren gesunken. Das von der Bundesregierung formulierte Ziel von 80 Kilogramm Stickstoff pro Hektar wird jedoch noch weit überschritten und ein Teil dieser Verbesserungen geht auch auf die Reduktion der Tierbestände in den neuen Bundesländern zurück.

 

Wir begehen 2015 das internationale Jahr des Bodens. Wie stellt sich die Situation unserer Böden heute dar?

Christine Krämer: Der Boden als wesentlicher Faktor der landwirtschaftlichen Produktion hat in der Vergangenheit sicherlich zu wenig Aufmerksamkeit erfahren, so dass es zu begrüßen ist, ihn in den Fokus des Interesses zu stellen – doch das alleine wird nicht reichen. Die im Rahmen der Studie betrachteten Indikatoren zeigen zum großen Teil eine negative Entwicklung. So ist von zunehmender Erosion, Humusabbau und Schadverdichtungen auszugehen. Bei der Erosion ist mit zwei Tonnen pro Hektar und Jahr durchschnittlich der Werte bekannt, ab dem der Bodenverlust die Bodenneubildung übersteigt, doch auch bei der Bodenschadverdichtung können irreversible Schäden auftreten, die dann z.B. Staunässe und Bodenversauerung bedingen und damit auch zu Ertragseinbußen in der Landwirtschaft führen können. Außerdem führen Schadverdichtungen zu einer schlechteren Nährstoffdynamik, d.h. es muss deutlich mehr Stickstoff ausgebracht werden, als von den Pflanzen benötigt. Der überschüssige Stickstoff geht entweder als Nitrat ins Sickerwasser oder entweicht als Lachgas in die Atmosphäre und trägt damit zur Klimabelastung bei. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass selbst in Deutschland mit einer bereits umfangreichen Infrastruktur noch täglich über 70 Hektar landwirtschaftlicher Fläche aus der Produktion genommen und teilweise versiegelt werden. Von der vorgegebenen Zielgröße von 30 Hektar sind wir noch sehr weit entfernt.

Bei den Zielen zur Biodiversität in Deutschland sieht es auch nicht sonderlich gut aus….

Alois Heißenhuber: Das international formulierte Ziel, den Biodiversitätsverlust bis 2010 zu stoppen, wurde verfehlt und auf 2020 verschoben. Doch auch die Erreichung des Ziels im Jahr 2020 scheint alles andere als gewiss. Die Landwirtschaft ist dabei der wesentliche Einflussfaktor, da sie der größte Flächennutzer in Deutschland ist und viele, besonders schützenswerte Pflanzen- und Tierarten auf die Bereitstellung von Habitaten durch die Landwirtschaft angewiesen sind. Und auch hier ist auf den Boden zu verweisen, denn auch der Boden ist ein Habitat für viele Arten und viele Arten erbringen insbesondere im Boden Ökosystemleistungen, wie z.B. den Abbau organischen Materials. Die Bereitstellung entsprechender Habitate in der Agrarlandschaft nimmt jedoch tendenziell weiter ab. Die Forderung nach der Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen im Rahmen der letzten GAP-Reform sollte einen Beitrag dazu leisten, Habitat in der Agrarlandschaft bereitzustellen. Allerdings ist der Erfolg dieser Maßnahme schon jetzt anzuzweifeln. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass eine produktive Nutzung auf diesen Flächen z.B. für den Anbau von Leguminosen sowie die Ausbringung von Düngemitteln doch ermöglicht wurde, zum anderen aber auch damit, dass eine pauschale Bereitstellung eines gewissen Prozentsatzes der Fläche als ökologische Vorrangfläche den Forderungen, die die zu schützenden Arten an ihre Habitate stellen nicht Rechnung trägt.  

Welchen Handlungsbedarf sehen sie jetzt im Ergebnis ihrer umfassenden Analysen?

Christine Krämer: An erster Stelle ist die konsequente Umsetzung schon bestehender Vorgaben und Auflagen einzufordern. Allerdings hat die Nicht-Einhaltung von Auflagen häufig keine Konsequenzen, entweder weil sie nicht ausreichend kontrolliert wird oder weil keine entsprechenden Sanktionen verhängt werden. Eine Reihe von Vorgaben ist darüber hinaus zu konkretisieren oder auch zu verschärfen, da die bisherigen Regelungen nicht ausreichen, um die entsprechenden Umweltziele zu erreichen. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ist in weiteren Reformschritten das Konzept "Öffentliche Gelder für öffentliche Güter" konsequent umzusetzen und eine Förderung nach dem "Gießkannenprinzip" einzustellen, zumal diese gegenüber der Gesellschaft auch immer weniger zu rechtfertigen ist. Daneben sind Maßnahmen zur Ausbildung und Beratung auf landwirtschaftlicher Seite, aber auch Informationsvermittlung auf Seiten der Verbraucher von Bedeutung, um das entsprechende Handeln überhaupt erst zu ermöglichen.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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