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23.01.2019 | Umweltrecht | Interview | Online-Artikel

"Klima- und Energiepläne in nationalem Recht verankern"

verfasst von: Nico Andritschke

4 Min. Lesedauer

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Die EU will mit der Energieunion Europas bis 2050 und einem CO2-neutralen Energiesystem die Pariser Klimavertragsziele erfüllen. Professorin Michèle Knodt erklärt die Rolle der Governance-Verordnung.

Springer Professional: Im Dezember 2018 ist die Governance-Verordnung der Europäischen Energieunion in Kraft getreten. Was sind deren Stärken und wohin soll der Weg künftig führen?

Michèle Knodt: Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Governance-Verordnung einen Bereich regelt, in dem es keine europäischen Kompetenzen gibt. Es geht darum die Energiepolitik  der Mitgliedstaaten im Hinblick auf europäische Ziele zu steuern, obwohl dies in der nationalen Kompetenz liegt. Daher bewegt sich die Verordnung im Bereich der weichen Steuerung, die ohne große Verbindlichkeiten und ohne Sanktionen auskommen muss. Keine leichte Aufgabe. Trotzdem ist es mit der Verordnung zum ersten Mal gelungen, dabei ein Prozedere klar vorzugeben. Gleichzeitig hat man sich darauf geeinigt, bis 2030 die Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent zu steigern und einen Anteil erneuerbarer Energien von mindestens 32 Prozent zu erreichen. Die nationalen Beiträge zum Erreichen dieser Ziele wurden nicht verbindlich festgelegt. 

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Die räumliche Governance der Energiewende: Eine Systematisierung der relevanten Governance-Formen

Das Handlungsfeld der Gestaltung der Energiewende ist raumbezogen, weil es in eine komplexe Mehrebenen- Governance eingebunden ist und sich durch räumliche Differenzierungen auszeichnet. Der Beitrag nutzt das wissenschaftliche Konzept der Governance-Forschung, um eine systematische Übersicht über raumbezogene Governance- Formen der Energiewende vorzulegen.

Welche Gestaltungsspielräume ergeben sich aus der Governance-Verordnung für die Implementierung weitergehender energiepolitischer Maßnahmen in Europa?

Die Governance-Verordnung sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Emissionsminderung in integrierten nationalen Energie- und Klimaplänen darlegen. Sind die Pläne oder deren Umsetzung unzureichend, kann die Kommission Nachbesserungen empfehlen. Als Ersatz für die fehlende Festlegung nationaler Ziele stattet die Verordnung die Kommission mit der Möglichkeit aus, durch eine festgelegte Formel nationale Ziele im Bereich der Erneuerbaren Energien zu berechnen. Damit soll ein verabredeter Algorithmus die Einigung auf verbindliche nationale Ziele ersetzen und durch "nackte Zahlen" Anpassungsdruck erzeugen. Das erhöht den Handlungsspielraum der Kommission. Darüber hinaus wird zukünftig der Fortschritt in Sachen Zielerreichung öffentlich im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert. Dies erzeugt für die Mitgliedstaaten einen öffentlichen Druck, wollen sie nicht an den Pranger gestellt werden.

Begrenzte Gesetzgebungskompetenzen der EU in der Energiepolitik, eine fehlende Rechts­verbindlichkeit nationaler Energie- und Klimapläne, ausbleibende Sanktionen bei deren Nichterfüllen, rückläufige Investitionen in Erneuerbare Energien, fehlende Kohleausstiegs­strategien und so weiter beschränken deutlich die Handlungsspielräume, um dem Klimawandel energiepolitisch zu begegnen. Kommen Ihnen Zweifel an der Umsetzbarkeit auf?

Zugegeben erleichtern die Einschränkungen der Governance die Erreichung der Energie- und Klimaziele der EU nicht gerade. Daher haben wir in unserer Stellungnahmen zur Governance der Energieunion des Akademienprojekts "Energiesysteme der Zukunft" (ESYS) aufgezeigt, welche Maßnahmen begleitend nötig sind. Zum einen schlagen wir vor, dass die integrierten Klima- und Energiepläne in den nationalen Rechtsordnungen verankert werden sollten, damit die sie mehr Wirksamkeit entfalten. In Deutschland beispielsweise besteht die Möglichkeit, den Plan zum Kerninstrument des Bundesklimaschutzgesetzes zu machen. Zum anderen gäbe es Möglichkeiten, die Nichtbefolgung der Empfehlungen durch Verknüpfung mit der Strukturpolitik in der EU zu sanktionieren. In der europäischen Haushalts- und Wirtschaftspolitik gibt es diese Verknüpfung bereits im Rahmen des Europäischen Semesters. Dort können die Mitgliedstaaten bei Zielverfehlungen finanzielle Förderungen aus den Europäischen Strukturfonds gekürzt bekommen. Eine ähnliche Konstruktion sollte für die Energiepolitik getroffen werden. Die Zeit für eine kluge Verknüpfung ist günstig, da die Strukturfonds gerade neu verhandelt werden.

Der Weltklimagipfel in Katowice hat deutlich gezeigt, wie schwierig es ist, globale Übereinkünfte zu treffen, Regeln für deren Umsetzung und eine Erfolgskontrolle zu finden. Welche Rolle können Vorreiterallianzen für den Kohleausstieg und für einen globalen CO2-Preis spielen?

Klar ist, dass es weltweit weder zum kollektiven Kohleausstieg noch über einen globalen CO2-Preis auf internationaler Ebene eine Einigung geben wird. Im Rahmen einer CO2-Preisallianz könnte ein Mindestpreis für CO2-Emissionen festgelegt werden, der über den aktuellen Preis im Europäischen Emissionshandelssystem hinausgeht und für alle Sektoren gilt. In Deutschland wäre dies beispielsweise durch die Besteuerung der Primärenergieträger entsprechend ihrem CO2-Gehalt realisierbar. Gerade im europäischen Umfeld wären Vorreiterallianzen für einen Kohleausstieg sinnvoll zu realisieren. Der Strukturwandel wäre so europäisch abfederbar.

Auf verschiedenen Ebenen werden Studien zur Transformation des Energiesystems realisiert, unzählige Ideen und Strategien entwickelt. Es scheint es fehlt die große Klammer und der wirkliche Wille die Transformation und die Suche nach technologischen Lösungen engagiert und zielgerichtet voranzutreiben. Wie muss es also weitergehen, ohne dass uns die Zeit davonläuft?

Nein, ich glaube diese Beschreibung trifft so nicht zu. Es gibt eine engagierte Suche nach technologischen Lösungen, aber es gibt wenige Studien zu Transformation "des" Energiesystems . Denn letzteres ist eine komplexe Aufgabe. Die Transformation umfasst fast alle Sektoren, kann nur Sektor übergreifend gelingen und findet gleichzeitig auf allen Ebenen statt. Darüber hinaus soll sie nachhaltig sowie kosteneffizient sein und die Sicherheit der Energieversorgung nicht gefährden. Was wir brauchen ist ein systemischer Blick auf die Transformation sowie eine effektivere Koordination der Sektoren wie auch der Ebenen.

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