Keine Chance für elektromagnetische Störungen: Am Standort Rüsselsheim betreibt Segula ein Zentrum für Entwicklungsdienstleistungen in der Automobilbranche.
"Sie möchten doch nicht, dass der Motor Ihres Autos ausgeht, wenn Sie am Flughafen beim Vorfeldradar vorbeifahren, oder?" Äh, nein, das möchte man nicht. Nils Ludewig ist Leiter des Labors für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) beim Automobildienstleister Segula Technologies am Standort Rüsselsheim und versteht es, sein Aufgabengebiet und den Nutzen seiner Tätigkeit mit praktischen Beispielen zu vergegenwärtigen.
Mit dem wachsenden Einsatz von Elektronik und Vernetzungstechnologien in der Automobilindustrie (Car2Car, Car2X) steigt der Bedarf, elektromagnetische Störungen durch Fahrzeugkomponenten zu kontrollieren. Das EMV-Labor in Rüsselsheim wird zur Prüfung vollständiger Fahrzeuge eingesetzt, um sicherzustellen, dass diese unter dem Einfluss elektromagnetischer Störungen ordnungsgemäß funktionieren und akzeptable elektromagnetische Emissionswerte erzeugen, die den Normen UN ECE R10, ISO 11451 und ISO 17025 entsprechen.
Prüfung kompletter Fahrzeuge
Die größte der drei Absorberhallen, mit einer Länge von 24 Metern, verfügt über einen Drehteller mit integriertem Rollenprüfstand, der Fahrversuche zur Fahrzeugtypgenehmigung ermöglicht.
Das Labor bietet die Prüfung kompletter Fahrzeuge und ihrer Bauteile sowie die Prüfung von elektronischen Geräten aus anderen Bereichen wie IT und Industrie an, in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorschriften, aktuellen Herstellernormen und spezifischen Kundenanforderungen.
Manchmal geht am Fahrzeug das Licht aus
Und diese Kundenanforderungen sehen zuweilen auch so aus, dass ein OEM sein in der Entwicklung befindliches Modell mit einer elektromagnetischen Belastung prüfen lässt, die mehr als dreimal so hoch ist, wie es der Gesetzgeber als zulässig vorschreibt. "Da ging dann eben das Licht am Auto aus", so Ludewig lapidar.
Neben den EMV-Prüfeinrichtungen befindet sich das Antennenlabor, das im Frühjahr 2021 eröffnet wurde und mit den gleichen pyramidenförmigen Abschirmelementen wie die Absorberhallen ausgekleidet ist. Es dient der Überprüfung und Optimierung der Auslegung sowie Effizienz drahtloser Kommunikationssysteme für vernetzte Fahrzeuge. Dazu zählen Systeme wie etwa Radio, Car2X, Wi-Fi, GPS, LTE, 5G.
Das Labor, in dessen Mitte Fahrzeugmodelle mithilfe eines massiven Schlittens eingebracht werden, umfasst eine Halle mit beeindruckenden Dimensionen. Dieser Raum ist frei von Reflexionen und elektromagnetischen Störungen, was eine kontrollierte Umgebung für Tests gewährleistet. Mit einer Höhe von 10,5 Metern, einer Breite von 14 Metern und einer Tiefe von 12 Metern bietet er ausreichend Platz, um Nah- und Fernfeldmessungen durchzuführen.
Töne werden sichtbar gemacht
Auch für den Bereich Sprache und Akustik unterhält Segula ein Labor für Lösungen in Sachen Telekommunikation, Audio HiFi und zugehörige Komponenten, um Klangqualität und Sprachverständlichkeit zu gewährleisten. Dazu gehören Freisprech- und Notrufsysteme, Musiksysteme, Verstärker, Lautsprecher und Mikrofone. Durchgeführt werden Audio-Abstimmungen sowie umfangreiche Prüfungen für Unterhaltungselektronik und Fahrzeuge, einschließlich Kleintransportern. Zusätzlich stehen Labore für akustische und Laser-Komponentenmessungen, ein reflexionsarmer Vollraum für Freifeldmessungen und ein Audio-Referenzraum zur Verfügung.
"Und damit können wir Töne auch sichtbar machen", schmunzelt Laborleiter Günter Schuster, als er die an eine Spiralgalaxie erinnernde Kamera neben das Prüffahrzeug positioniert. Mithilfe dieser Kamera lassen sich Bauteile verorten, die einer Schwingungsanregung unterliegen und so für eventuelle Störgeräusche verantwortlich sind.
Viele Motorenprüfeinrichtungen
Ein sehr großer Bereich am Standort Rüsselsheim wird von den Motorenprüfeinrichtungen eingenommen. Die Spezialisten sind dort in der Lage, das Motor und Antriebsstrangsystem sowohl durch umfassende Simulationslösungen optimal auszulegen als auch physisch zu testen und versuchstechnisch abzusichern, egal ob Verbrenner-, Hybrid-, Plug-in-Hybrid- oder batterie-elektrischer Antrieb. Die Testeinrichtungen umfassen 28 hochdynamische Motorenprüfstände, zwei 550-kW-Hochleistungsprüfstände und Antriebsstrangprüfstände. Um die schweren Antriebseinheiten mühelos in die Prüfkammern schieben zu können, erfolgt deren Transport mittels Hovercraft-Technologie.
Und auch für H2-Anwendung ist Segula mit Brennstoffzellenprüfständen gerüstet. Dies umfasst Dienstleistungen für den gesamten Wasserstoff-Antriebszyklus: Entwurf, Anpassung, Dimensionierung, Integration und Validierung von Brennstoffzellen sowie Simulation, Software- und Steuerungsprototypen, elektrische Optimierung, Validierung der Projektdurchführbarkeit und Tests.
Sehr praxisnah geht es im bereits 1966 von Opel eröffneten und seit 2019 unter der Ägide von Segula befindlichen Testcenter Rodgau-Dudenhofen zu, das auf einem 280 Hektar großen Gelände unterschiedliche Teststrecken für Dynamik- und Sicherheitstests bei allen Fahrzeugtypen bietet. Besonders bekannt ist es für seine Hochgeschwindigkeits-Rundbahn. Das Testgelände umfasst 20 verschiedene Teststrecken mit insgesamt 60 km Streckenlänge, zusätzlichen Prüfständen und Kfz-Werkstätten.