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29.06.2016 | Unternehmen + Institutionen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Autobranche, der Brexit und die Folgen

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

5:30 Min. Lesedauer

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Die britische Bevölkerung hat für einen Austritt aus der EU gestimmt. Der Brexit wird die Automobilindustrie deutlich beeinflussen. Zu Panik besteht aber kein Grund.

Die Automobilindustrie dürfte den Brexit neben der Pharmaindustrie am stärksten zu spüren bekommen, prognostiziert Eric Heymann, Branchenanalyst bei Deutsche Bank Research, in einem Kommentar zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU). Die deutsche Automobilindustrie lieferte 2015 12,8 Prozent ihrer Exporte nach UK (Platz 2 hinter den USA) und kam insgesamt auf eine Exportquote von 64,9 Prozent, gibt Heymann an. Auf Unternehmensebene werde das UK-Referendum wohl schon kurzfristig Einfluss auf Investitionsentscheidungen und die Preisgestaltung deutscher Unternehmen in UK haben.

Nach Angaben von Heymann hat Deutsche Bank Research die BIP-Wachstumsprognosen nach dem Brexit-Referendum für das Jahr 2017 für UK, Deutschland sowie für die EU insgesamt nach unten angepasst. Zudem rechne man mit einer Abwertung des britischen Pfunds (nicht nur) gegenüber dem Euro. UK war 2015 für Deutschland - hinter den USA und Frankreich - der drittwichtigste Exportmarkt, wie Heymann erklärt. Auf das Land seien 7,5 Prozent aller deutschen Warenexporte entfallen. 2010 seien erst 6,1 Prozent gewesen. Somit habe UK in den letzten Jahren als Absatzmarkt für deutsche Exporteure an Bedeutung gewonnen. Hilfreich war dabei laut Heymann die Schwäche des Euro, der zwischen 2010 und 2015 gegenüber dem britischen Pfund (GBP) um 15 Prozent abwertete.

Einfluss auf Investitionsentscheidungen

Für die Automobilindustrie kommt die etwaige Wachstumsverlangsamung in UK zu einem ungünstigen Zeitpunkt, konstatiert Heymann. Denn auch ohne Brexit hätte die Pkw-Nachfrage in UK 2016/17 nach langjährigem Wachstum ihren konjunkturellen Höhepunkt überschritten. Die erwartete Aufwertung des Euro gegenüber dem britischen Pfund verteuere Exporte aus Deutschland nach UK. Fabriken deutscher Autohersteller und Zulieferer in UK müssten nun mehr für ihre Importe zahlen.

Allerdings kommt Heymann auch zu dem Schluss, dass es derzeit schwierig sei, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf deutsche Industriebranchen zu quantifizieren. Er begründet dies mit den Unsicherheiten angesichts des anstehenden Brexit-Prozesses. Es bestehe derzeit kein Grund zur Panik, da sich die Brexit-Verhandlungen über einen längeren Zeitraum erstrecken werden. Und vorerst bleibe UK vollständiges EU-Mitglied.

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Export-Märkte der Zukunft – Internationale Trends erkennen

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere in Schwellenländern Asiens, zwingt deutsche Unternehmen, ihre Internationalisierungsstrategie ständig zu überprüfen und rasch den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.Eine systematische Vorgehe


Das UK-Referendum wird wohl aber auf Unternehmensebene schon kurzfristig Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen und die Preisgestaltung deutscher Unternehmen in UK sowie auf Geschäfte zur Wechselkursabsicherung haben, betont Heymann. Zudem sei es wahrscheinlich, dass grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten in den nächsten Monaten neu ausgerichtet werden. Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan sieht Großbritannien damit konfrontiert, dass verschiedene Automobilwerke womöglich ihre Produktion auf der britischen Insel einstellen könnten, sollten die Hersteller nicht mehr von einer EU-Freihandelszone profitieren können.

Unternehmen können auf große Herausforderungen reagieren

Als globale Unternehmen agieren die Autohersteller in vielen unterschiedlichen internationalen Märkten. Demnach sind sie gut aufgestellt, um sich verändernden wirtschaftlichen und politischen Umständen anzupassen. Zudem legt der Autoabsatz in Westeuropa wieder zu. Von den Top-5 Märkten erreichten Italien (+27 Prozent), Frankreich (+22 Prozent), Spanien (+21 Prozent) und Deutschland (+12 Prozent) im Mai zweistellige Zuwachsraten, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) angibt. "Aus der Sicht der Wirtschaft hat die Geschichte gezeigt, dass sich Unternehmen schnell auf große Herausforderungen einstellen können und innovativ sind, wenn es darum geht, neue Wege zu finden und entstehende Möglichkeiten zu nutzen", kommentiert PwC-Deutschland-Vorstandssprecher Norbert Winkeljohann die Brexit-Entscheidung Großbritanniens.

Möglichkeiten und Wege bestehen natürlich auch außerhalb Europas. "So kann es bei stagnierendem heimischen oder europäischen Märkten erforderlich sein, Wachstumschancen in einem der BRIC-Länder, in einem der 'Next-11-Länder' oder in einem weiteren Land zu nutzen", schreibt Springer-Autor Hatto Brenner im Kapitel Export-Märkte der Zukunft - Internationale Trends erkennen aus dem Buch Internationales Business Development. Von den Next-11-Ländern, zu denen unter anderem Indonesien, Iran, Südkorea und Vietnam gehören, zeichnen sich laut Brenner vor allem die Türkei und Mexiko durch eine gute Performance aus. Gemeinsam ist den Next-11-Ländern, dass sie einen wachsenden Bedarf an technologisch innovativen Investitionsgütern haben.

Export-Märkte der Zukunft 

Der Iran ist zum Beispiel mit dem Ende der Sanktionen gegen das Land zu einem interessanten Markt für Automobilkonzerne geworden. Bosch, PSA und Daimler Trucks haben jüngst ihre Iran-Geschäfte neu belebt. Denn hier erwarten Experten ein solides Wirtschaftswachstum von über 4 Prozent pro Jahr. Die Neuwagenverkäufe sollen nach Angaben der Unternehmensberatung Roland Berger bis 2020 jährlich im Schnitt um 18 Prozent zulegen. Doch das Land ist nicht nur als Absatzmarkt interessant: "Iran ist auch ein strategisch guter Standort, um weitere Märkte im Nahen und Mittleren Osten sowie in Asien zu beliefern", sagt Santiago Castillo von Roland Berger Middle East.

Auch der chinesische Pkw-Markt hat sich im ersten Quartal 2016 wieder stark entwickelt: Der Absatz stieg um 9,4 Prozent auf 5,45 Millionen Einheiten. "Der chinesische Pkw-Markt zeigte sich in den ersten drei Monaten des Jahres robuster als von vielen erwartet. Vor allem aufgrund des zweistelligen Wachstums im März konnte der weltweit größte Pkw-Markt im ersten Quartal deutlich zulegen. Für das Gesamtjahr 2016 erwarten wir ein Plus von 6 Prozent auf 21,3 Millionen Neuwagen", sagte VDA-Geschäftsführer Klaus Bräunig vor ein paar Wochen anlässlich der Auto China in Peking.

Für die Hersteller und Zulieferer ist das eine wichtige Nachricht, denn sie setzen weiterhin auf China als bedeutenden Absatzmarkt und Produktionsstandort. Nicht zuletzt wegen der steigenden Bedeutung von Umweltaspekten. Denn das Land besitzt "sowohl als Absatzmarkt als auch als Produzent von Elektroautos hohes Potential", wie Springer-Autor Dr. Matthias D. Schulz im Kapitel Die Automobilindustrie im Jahre 2025 aus Sicht der Logistik aus dem Buch Der Produktentstehungsprozess in der Automobilindustrie. Der Trend zur Neugestaltung der Wertschöpfungsketten werde gerade durch das Aufkommen der Elektromobile stark beschleunigt.

Dazu kommt: Alternative Mobilitätsangebote wie Carsharing, Vermietung und integrierte Mobilitätsplattformen gewinnen weltweit an Bedeutung. "Einen Fuß im chinesischen Carsharing-Markt zu haben, könnte bald von größtem Wert sein. Denn die Entwicklung hin zum Massenmarkt wird in der Volksrepublik voraussichtlich deutlich schneller vonstattengehen als in Deutschland", prognostiziert die Managementberatung Bain & Company. Und Dr. Klaus Stricker, Partner bei Bain & Company und Leiter der globalen Automobilpraxisgruppe, ergänzt: "Die chinesischen Anbieter fangen jedoch nicht bei null an, sie können die Markterfahrung aus dem Westen für sich nutzen."


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