Die Digitalisierung des Lebens erfordert von Unternehmen fundamentale und rasche Veränderungen. Doch zuweilen stehen selbstherrliche Topmanager dem nötigen Wandel im Wege, beobachtet Springer-Autor Florian Totzauer.
Der Aufschrei der Schriftsteller und Autoren gegen den Internethändler und Online-Giganten Amazon ist nun auch nach Deutschland geschwappt. Mehr als hundert Autoren haben einen Protestbrief an Jeff Bezos unterzeichnet, in dem sie dem umtriebigen Amazon-Chef vorwerfen, seine Macht und die Geschäftspraxis des Online-Versenders zu missbrauchen. Zuvor hatten bereits 900 US-Autoren (darunter Stephen King und John Grisham) in einem offenen Brief gegen die Preispolitik und die Auslieferungspraxis von Bezos protestiert.
Diese überraschende Aktion mag nur eine Petitesse im täglichen Nachrichtenstrom sein, doch sie ist ein weiterer Beleg für die These, dass die Digitalisierung das Leben der Menschen immer weiter überrollt, herkömmliche, bisher funktionierende Strukturen aufbricht und den Wandel zu neuen Lebensformen erzwingt. Betroffen von der Digitalisierung sind natürlich auch Unternehmen, ob kleine Familienbetriebe oder multinationale Konzerne. Der Wandel zwingt sie, starre Organisationshierarchien aufzubrechen und neue Strukturen sowie Geschäftsmodelle zu schaffen.
Die Konsequenzen der Digitalisierung begreifen
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Die nötige Veränderung allerdings ist gewaltig. Die Digitalisierung sei eine „strategische Herausforderung, weil es die gesamte Organisation betrifft“, meint Marketing-Professor Thorsten Henning-Thurau von der Universität Münster. Dies erfordere aber auch eine Bewusstseinsänderung innerhalb der Unternehmen, die bei vielen noch nicht erfolgt sei. Das sei offenbar der Grund dafür, dass erst 17 Prozent der Unternehmen etwa im Social Media-Bereich wirklich strategisch agieren, heißt es einer gemeinsamen Studie („Wer teilt gewinnnt: Zehn Thesen wie Digitalisierung und Social Media unsere Unternehmen verändern“) der Berater von Roland Berger Strategy und der Universität Münster. Die Konsequenz: Das Top-Management muss die Digitalisierung schleunigst vorantreiben und sie in die Gesamtstrategie der Firma einbetten.
Klar, die Veränderungen sollten von der Unternehmensspitze ausgehen. Was aber, wenn die Geschäftsführung oder die Vorstände zu altbacken oder zu selbstherrlich sind, um die Konsequenzen aus der Digitalisierung zu begreifen und den notwendigen Wandel anzustoßen?
Keine konstruierte Situation. In der Topmanagementforschung gelten die „Selbstzentriertheit, die Selbstüberschätzung sowie die extreme Selbstbewertung von Topmanager“ als Gegenstand diverserer wissenschaftlicher Arbeiten, schreibt Springer Autor Florian Totzauer in dem Buch „Top-down- und Bottom-up-Ansätze im Innovationsmanagement (Seite 31).
Wenn Unternehmen aus der Zeit fallen
„Die Selbstzentriertheit charakterisiert Topmanager, welche die eigenen Interessen über die anderer stellen,“ charakterisiert Totzauer diesen Typ Manager. Selbstüberschätzung bedeute, dass Topmanager ihre eigene Leistung nicht korrekt einschätzen können. Und von einer extrem zentralen Selbstbewertung werde gesprochen, wenn Topmanager extrem von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt seien. In vielen Konzernen sind offenbar zur Selbstherrlichkeit neigende Manager an der Spitze. Nur so ist zu verstehen, dass Konzerne wie Karstadt oder ThyssenKrupp derart aus der Zeit gefallen sind.
Fazit: Für das Gelingen von Innovationen in Unternehmen ist das kluge und offene Verhalten der Topmanager enorm wichtig. Nur wenn sie es schaffen, eine funktionierende Innovationskultur zu etablieren, werden die Unternehmen auch den Wandel der Digitalisierung positiv nutzen können. Mit seiner störrischen und selbstherrlichen Art steht Amazon-Chef Bezos, so erfolgreich er momentan auch erscheinen mag, einem nachhaltigen Erfolg von Amazon langfristig selbst im Weg.