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22.10.2013 | Unternehmensführung | Interview | Online-Artikel

„Unsere Fehlerkultur ist angstbesetzt“

verfasst von: Andreas Nölting

3 Min. Lesedauer

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Die Luftfahrt hat als erste Branche erfasst, wie schwierig der Umgang mit Fehlern in einer hierarchischen Struktur ist und zu welch tragischen Konsequenzen das führen kann. Springer-Autor Jan U. Hagen erklärt im Interview wie Manager auf Fehler reagieren sollten.

Springer für Professionals: Gibt es eine bestimmte Fehlerkultur in Unternehmen?

Jan Hagen: In einer Studie über den Umgang mit Fehlern in europäischen Unternehmen haben wir festgestellt, dass die jeweiligen Mitarbeiter Fehler größtenteils ähnlich handhaben. Das bedeutet, dass sie über Fehler – wenn überhaupt – unter vier Augen sprechen möchten, und zwar unabhängig davon, ob ein Vorgesetzter top-down korrigiert oder ein Vorgesetzter bottom-up. Vermutlich liegt es daran, dass wir Fehler immer noch mit Unfähigkeit oder Nachlässigkeit verbinden und uns ärgern oder schämen, je nachdem ob der Fehler anderen oder uns selbst unterlaufen ist. Das vertrauliche Gespräch verhindert immerhin, dass wir andere öffentlich bloßstellen oder öffentlich bloßgestellt werden. Unsere Fehlerkulturen sind demnach vorrangig angstbesetzt und weit vom offenen Umgang mit Fehlern entfernt.

Was passiert üblicherweise in Unternehmen, wenn jemand Fehler macht?

Fehler werden sehr häufig mit Schuld in Verbindung gebracht. Wir suchen fast immer nach dem Verantwortlichen. Das muss zwar nicht zwangsläufig disziplinarische Sanktionen bedeuten, aber in der Regel bleibt an demjenigen, der den Fehler gemacht hat, doch ein gewisses Stigma haften.

Wie sollten Vorgesetzte mit Fehlern ihrer Mitarbeiter umgehen?

Sinnvoll wäre es zunächst einmal, einen Fehler als neutrales Vorkommnis wahrzunehmen, auf das man sachlich reagieren kann. Wenn ein Fehler rechtzeitig bemerkt wird, kann man sogar erleichtert reagieren. Das klingt vielleicht übertrieben, aber ein einzelner Fehler löst in den seltensten Fällen eine Katastrophe aus; dazu ist meistens eine Kette von Fehlern nötig. Deshalb ist es entscheidend, einen Fehler so früh wie möglich zu erkennen und zu beheben. Damit das gelingt, und auch der, dem der Fehler unterlaufen ist, den Fehler meldet, darf es keine Sanktionen geben. Das einzige was zählt, ist die Frage, wie der Fehler entstanden ist, nicht um zu bezichtigen, sondern um die Ursachen zu ergründen und künftig auszuschließen. Übrigens sollte auch der Vorgesetzte offen über eigene Fehler sprechen. Solange Führungskräfte davon ausgehen, das Zugeben eigener Fehler führe zu einem Autoritätsverlust, werden sie keinen offenen Umgang mit Fehlern erreichen.

Was können Manager vom Umgang mit Fehlern in der Luftfahrt lernen?

Die Luftfahrt hat als erste Branche erfasst, wie schwierig der Umgang mit Fehlern in einer hierarchischen Struktur ist und zu welch tragischen Konsequenzen das führen kann. Zum funktionierenden Fehlermanagement ist die offene Kommunikation bottom-up unabdingbar. In der Luftfahrt wurde auf der Grundlage umfangreicher Forschungsarbeit das Crew Resource Management (CRM) entwickelt, das heute fester Bestandteil des Trainings der Flugzeugbesatzungen ist. Der zentrale Bestandteil des CRM ist das Fehlermanagement. Im Cockpit steht nicht die Fehlervermeidung im Vordergrund, sie lässt sich in einem komplexen Umfeld ohnehin nie realisieren, sondern das aufgeklärte, moderne Fehlermanagement. Dass das in einem Unternehmen nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist, zeigt das Beispiel der Luftfahrt ebenfalls.

Werden in einem autoritär geführten Unternehmen mehr Fehler gemacht?

Grundsätzlich gilt: Je autoritärer die Hierarchieunterschiede vertreten werden, desto schwieriger wird das angstfreie Offenlegen von Fehlern. Hierarchien müssen dabei übrigens nicht nur formaler Natur sein, sondern können auch in Alters- oder Erfahrungsunterschieden begründet sein. Wenn ich also aus Angst Fehler vertusche oder nur hinter vorgehaltener Hand darüber spreche, bleiben die tatsächlichen Fehlerursachen unerkannt. Insofern kann man durchaus erwarten, dass die Fehlerquote im autoritär geführten Unternehmen höher ist.

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2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

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Quelle:
Fatale Fehler

2013 | OriginalPaper | Buchkapitel

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