Regeln und Werte sind für die Unternehmensführung essenziell. Diese werden im normativen Management festgelegt. Eine Begriffsdefinition.
Regeln und Normen sind die Basis für die Unternehmenskultur und die Strategieentwicklung. Diese Handlungsmaximen im Unternehmenskontext zu definieren und festzulegen, wird als normatives, also begründendes Management, bezeichnet.
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"Inhalt des normativen Managements sind Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf gerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Organisation langfristig sicher zu stellen", schreibt Helmut Siller im Buchkapitel "Operatives, strategisches und normatives Management". Es geht um die grundlegenden Ziele eines Unternehmens.
Die Forschung unterscheidet dabei zwischen
- Sachzielen wie das Produkt- und Leistungsspektrum eines Unternehmens auf einzelnen Märkten,
- Wertzielen, also angestrebte finanzielle Ergebnisse des Unternehmens, wie zum Beispiel Gewinne, Wertzuwächse oder Cashflows,
- Sozialzielen (Humanziele), das "Verhalten eines Unternehmens gegenüber internen und externen Interessengruppen wie Mitarbeitern, Führungskräften, Lieferanten, Abnehmern, dem Staat und der Öffentlichkeit",
führen Harald Hungenberg, Professor für Unternehmensführung, und Torsten Wulf, Inhaber des Lehrstuhls für Strategisches und Internationales Management an der Philipps-Universität Marburg, aus.
Den Begriff 'normatives Management' hat ursprünglich Knut Bleicher in den 1990er Jahren eingeführt. Der Wirtschaftswissenschaftler "unterscheidet in seiner Darstellung zwischen normativem, strategischem und operativem Management und siedelt dabei [...] das normative über dem strategischen Management an", erklärt Springer-Autor Stefan Mayr im Buchkapitel "Stakeholdermanagement als unternehmensethisches Konzept". Bekannt geworden ist dieser Dreiklang, der nach Aufgaben der Unternehmensführung untergliedert, als so genanntes St. Galler Management-Modell.
Normatives Management ist Organisationspolitik
Springer-Autor Siller bezeichnet normatives Management zudem als Organisationspolitik, zu der auch die moralische Verantwortung von Unternehmen und Behörden gegenüber der Gesellschaft gehört. Aber auch die Regeln von Corporate Governance und Compliance, die den rechtlichen Rahmen für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung im Sinne aller Stakeholder abstecken, sind wesentliche Bausteine des Konzepts.
Die konkrete Umsetzung und Anwendung der Regeln und Werte erfolgt auf Ebene der strategischen und operativen Führung, schreibt Siller. Dazu gehören beispielsweise eine Unternehmensverfassung, die Wahl der Rechtsform, die Unternehmensvision oder -mission, das Leitbild oder auch die Unternehmenskultur.
Die Unternehmensverfassung fußt dabei nur teilweise auf gesetzlichen Vorgaben wie etwa dem Gesellschafts-, Arbeits-, Mitbestimmungs-, Wettbewerbs-, Kapitalmarkt- und Verbraucherschutzrecht, daneben aber auch auf kollektivvertraglichen Regelungen und privatrechtlichen Vereinbarungen, so Hungenberg und Wulf. "Insgesamt ist die Unternehmensverfassung ein wesentliches Instrument, um das Selbstverständnis des Unternehmens abzusichern."
Mit der Unternehmenskultur werde hingegen die Verhaltensdimension des normativen Managements angesprochen, so die beiden Experten weiter.
Normative Neuorientierung durch digitale und nachhaltige Transformation
Die Werteorientierung als Grundlage wirtschaftlichen Handelns ist allerdings nicht statisch, sondern unterliegt durch aktuelle Umbrüche einem kontinuierlichem Anpassungs- und Veränderungsprozess. Derzeit setzt die globale Meta-Krise Unternehmen unter Druck, ihren Wertekompass neu zu justieren, so Sebastian Fittko, Mitbegründer der Initiative Regenerative Marktwirtschaft und Geschäftsführer der Global Impact Tech Alliance.
Der Experte spricht in diesem Zusammenhang von der Dringlichkeit einer transformativen Governance im Zeitalter der Meta-Krise. Zu Letzterer zählt er unter anderem die Klimakrise, die wirtschaftliche Instabilität sowie die zunehmende politische Polarisierung.
Die traditionellen Modelle, die sich primär auf kurzfristige Erfolge und Profitmaximierung konzentrieren, sind unzureichend, um den vielschichtigen Anforderungen der Meta-Krise gerecht zu werden und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Es ist unabdingbar, dass Kapital und Unternehmensführung neu ausgerichtet werden, weg von kurzfristigen Zielen hin zu langfristigen, nachhaltigen Bestrebungen."
Fittko hebt die normative Kraft von Leitbildern in der Transformation hervor. Sie sind für Unternehmen in der heutigen, schnelllebigen und herausfordernden Geschäftswelt unerlässlich und dienen als Richtschnur für die strategische Ausrichtung, definiern die Mission, Werte und Ziele des Unternehmens und wird zu einem unverzichtbaren Bestandteil seiner Kultur und Identität.
Ähnlich formulieren es die Wirtschaftswissenschaftler Ronald Ivancic und Roman A. Huber am Beispiel der Industrie 4.0. Vor dem Hintergrund aktueller, teils disruptiver Entwicklungen bedarf es als Basis normativer Grundkonzeptionen, um Unternehmen bestmöglich gestalten sowie Innen- und Außenkomplexitäten beherrschen zu können, sind sich die Management-Forscher sicher. Die beiden plädieren daher für ein St. Galler Management Modell 4.0.
St. Galler Management Modell 4.0
Sie definieren ihre Weiterentwicklung wie folgt: "Auf Ebene des normativen Managements geht es [...] primär um sinngebende und vermittelnde Funktionen von Führung, um generelle Ziele, Prinzipien und Spielregeln der Unternehmung, welche unter permanenter Anpassung auf sich ändernde Kontextbedingungen, die Entwicklungs- und Lebensfähigkeit des Systems Unternehmung sicherstellen sollen - also um den substanziellen Kern einer Unternehmensführung 4.0."