Springer Professional: Herr Heesen, in Verhandlungen mit Banken oder anderen Fremdkapitalgebern, beispielsweise für Investitionskredite, sollten Unternehmen mit den wesentlichen Kennzahlen aufwarten. Auf welche schauen Banken dabei beispielsweise besonders in der Gewinn- und Verlustrechnung?
Bernd Heesen: Banken schauen bei Firmenkunden auf die Umsatzrentabilität, also Ergebnis zu Umsatz und auf die Zinsdeckung, also das Betriebsergebnis und den Zinsaufwand. In Verbindung mit der Bilanz kommen dann noch die Eigenkapitalquote, Liquidität ersten Grades mit Kasse und Bank sowie kurzfristige Verbindlichkeiten und die Liquidität zweiten Grades (Kasse und Bank, Forderungen, kurzfristige Verbindlichkeiten) sowie die dynamische Verschuldung, also die Schuldentilgungsfähigkeit in Jahren (Nettoverschuldung / Cash Flow) hinzu.
Welche Zahlen sollten Unternehmen für Kreditinstitute parat haben, wenn es um die Einschätzung der mittel- und langfristigen Finanzkraft ihres Unternehmens geht?
Sicher die gerade genannten Kennzahlen, dann aber auch Zahlen zum Cash Cycle, die kreditorischen und debitorischen Ziele und die Reichweite von Kasse und Bank. Darüber hinaus sind Cash Conversion Cycle und Cash Flow wichtig. Wobei dieser ja schon in der Kennzahl dynamische Verschuldung im Nenner steht.
Bedingt durch die Regulierung sind Kreditinstitute auch bei Firmenkundenkrediten kritischer bei der Kreditvergabe als bisher. Welche Optimierungsmöglichkeiten der Unternehmen bei der Kennzahlenstruktur sind für Banken besonders überzeugend? Und wie beeinflussen sie eine Kreditentscheidung, beispielsweise bei den Vermögens-Kapitalstruktur- und den Liquiditätskennzahlen?
Kredite sind meist für Investitionen gefragt, nicht zur Finanzierung der Vorräte und Forderungen, außer bei schnellem Wachstum. Das Netto-Umlaufvermögen, also das Working Capital, ist aber in vielen Firmen wertmäßig zu hoch. Also sollten Unternehmen den Banken die realisierte und den geplanten Abbau der Vorratsreichweite, die Reduktion des debitorischen Ziels (Forderungsmanagement) und die Optimierung des kreditorischen Ziels zeigen. Hier geht es um keine zu frühen Rechnungsanweisungen, außer bei Skontoangeboten. Zudem ist der Nachweis ausreichender Cash-Mittel für den Personallauf wichtig. Allerdings sollten dahinter entsprechende nachvollziehbare Maßnahmen stehen.
Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit von Banken und Unternehmen - inwiefern sind Bilanzanalysen hilfreich, um beispielsweise Finanzierungsgespräche auf gleicher Augenhöhe zu führen?
Sie sind hilfreich, weil das Kreditinstitut dann sieht, dass sich der Unternehmer auskennt. Richtig gut ist es, wenn der Unternehmer mehr Wissen zur Bilanzanalytik hat, als der Banker. Und mit Verlaub, manchmal ist das gar nicht schwer. Bilanzanalyse kann ganz leicht sein, man muss sich nur einmal damit beschäftigen. Nach wenig Übung nehmen sie das Zahlenwerk Ihres Unternehmens und das der Wettbewerber "auseinander". Dann sieht man auch, wie die Zusammenarbeit mit den Banken auf ein anderes, neues Niveau gehoben wird.
Wichtig ist meines Erachtens nach auch, dass der Unternehmer einmal selbst aktiv wird und dem Geldinstitut sein Unternehmen zahlenmäßig präsentiert oder regelmäßig eine kurze kommentierte Analyse einreicht. Es ist nicht immer die Holpflicht der Banken, Unternehmer haben auch eine Bringpflicht. Und hier spreche ich ganz bewusst von Unternehmer und nicht von Unternehmen.
Ihr Fazit?
Der oder die Chef(in) muss ran!
Den ersten Teil des Interviews mit Bernd Heesen lesen Sie hier: "Die Bilanz wird leider als lästige Verpflichtung gesehen"