Bis zu den Krisen der vergangenen drei Jahre agierte der deutsche Mittelstand in ruhigem Fahrwasser. Doch schlechte wirtschaftliche Bedingungen lassen die Umsätze schmelzen. Bei ihrem Kapitalbedarf verlassen sich die KMU bislang auf klassische Finanzierungen.
Die Beratungshäuser Ebner Stolz und Wolff & Häcker Finanzconsulting haben für Ihre Studie KMU zu ihren wirtschaftlichen Prognosen und aktuellen Finanzierungsbedingungen und -quellen befragt.
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Der Großteil der deutschen Wirtschaft besteht aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), von denen mehr als 90 Prozent noch immer in Familienhand liegen. "Nahezu zwei Drittel der Nettowertschöpfung und 97 Prozent aller Exporte entfallen auf KMU. Knapp 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und mehr als 80 Prozent aller Auszubildenden sind hier angestellt", heißt es im Vorwort zur aktuellen Studie, die die Beratungshäuser Ebner Stolz Management Consultants und Wolff & Häcker Finanzconsulting Ende August veröffentlicht haben. Befragt wurden von April bis Juni 2023 rund 2.500 Mittelständler bundesweit.
Investitionen garantieren Wachstum
Den Studienautoren zufolge sind mit rund 1.300 der weltweit etwa 2.700 Hidden Champions überproportional viele mittelständische Unternehmen aus Deutschland. "Durch ihre enorme Leistungsfähigkeit und Innovationskraft sind KMU der Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft." Damit das so bleibt, sind allerdings enorme finanzielle Anstrengungen erforderlich.
Investitionen in Digitalisierungsvorhaben, moderne Maschinen und Anlagen sowie das Know-how der Mitarbeiter sind für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen essenziell. Die Schlagkraft der deutschen Wirtschaft, auch im internationalen Vergleich, ist damit eng an die Finanzierungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen geknüpft."
KMU blicken skeptisch in die Zukunft
Doch kräftig gestiegene Energie-, Rohstoff- und Vorleistungsgüterpreise, Material- und Personalengpässe, eine Rekordinflation sowie steigende Zinsen wirken sich auf die Geschäftsmodelle und die Wertschöpfung von KMU aus und mittelbar auch auf die Unternehmensfinanzierung. Das stimmt viele Firmenlenker mit Blick auf die kommenden Monate skeptisch: Blickten in der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2021 noch rund drei Viertel (78 Prozent) optimistisch in die Zukunft, tut dies aktuell nur noch knapp die Hälfte (46 Prozent) der Befragten.
Ihnen machen die stetig zunehmende Bürokratie sowie die Überregulierung, hohe Energiepreise sowie der Fachkräftemangel zu schaffen. Fast jedes befragte KMU (94 Prozent) sieht im Fehlen von qualifiziertem Personal das größte Wachstumshindernis, das neben den gestiegenen Kosten zu Umsatzeinbußen führt.
Kurzarbeitergeld und Gewinnthesaurierung wichtig
Um trotzdem über ausreichend Liquidität zu verfügen, setzen die Betriebe wie schon 2021 auf das Kurzarbeitergeld als beliebteste staatliche Maßnahme. "Vor allem Unternehmen mit energieintensiven Produktionsprozessen profitierten zudem von der Anwendung der Strompreisbremse", so die Studienautoren. Rund ein Drittel der befragten Mittelständler (34 Prozent) konnte bislang wegen der über Jahre aufgebauten Eigenkapitalausstattung auf auf gesonderte Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ganz verzichten.
Die Thesaurierung, also das Einbehalten, von Gewinnen hat seit den Vorgängerbefragungen noch einmal spürbar an Relevanz gewonnen: Während 2018 und 2021 jeweils rund 70 Prozent der KMU angaben, ihre Eigenkapitalbasis maßgeblich über diesen Weg gestärkt zu haben, sind es nun 83 Prozent der Firmen.
Konservative Finanzierung beliebt
Dagegen sind Gesellschafter deutlich restriktiver in der Allokation ihrer privaten finanziellen Mittel geworden. Stellte in der Vergangenheit jeweils noch rund jeder Vierte Mittelständler dem Betrieb zusätzliche Einlagen zur Verfügung, tut dies nur noch rund jeder Achte (14 Prozent).
Mittelständische Unternehmen, die externes Kapital benötigten, bevorzugen weiterhin klassische Finanzierungsinstrumente wie Bank- und Förderdarlehen, Leasing oder Factoring sowie Gesellschafterdarlehen. Alternative Wege wie Finanzinvestoren, Private Debt Fonds oder auch strategische Investoren sind für die meisten KMU weniger interessant eingestuft - trotz der unterschiedlichen Krisen der vergangenen drei Jahre.
ESG-Faktoren werden für Finanzierer wichtiger
Allerdings sind die Studienautoren überzeugt, dass die Zunahme von ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren, kurz ESG, auch die Finanzierung des Mittelstands beeinflussen wird. "Eine zunehmende Regulatorik, ein sich stetig veränderndes Kaufverhalten der Kunden, aber auch die eigene unternehmerische Motivation, die bereits heute die nachhaltigere Unternehmensausrichtung wesentlich determiniert, rücken ESG-Themen ins Bewusstsein der Mittelständler und deren Finanzierer", heißt es.
Auch wenn bislang nur drei Prozent der befragten Unternehmen "in hohem Maße" und 45 Prozent zumindest "teilweise" während ihrer Finanzierungsverhandlungen mit dem Thema ESG und Taxonomie konfrontiert wurden, wird der Einfluss der Nachhaltigkeitsfaktoren auf die Bonität steigen, prognostiziert der Report. "Die Banken und Finanzdienstleister sind heute schon verpflichtet, bei ihren Kreditengagements Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen und nach ESG-Kriterien zu entscheiden", heißt es in der Studie.