Viele Unternehmen müssen aufgrund der anhaltenden Krisenlage ihre Liquidität durch Fremdkapital stabilisieren. Doch eine aktuelle Studie der Förderbank KfW belegt, dass weniger Darlehen von der Wirtschaft nachgefragt werden - die Kosten und die Zugangsvoraussetzugen sind häufig zu hoch.
In den vergangenen Jahren war die Liquiditätssituation in vielen Firmen mehr als nur angespannt. Die Corona-Pandemie und Lockdownmaßnahmen haben in fast allen Branchen zu massiven Umsatzeinbrüchen geführt. Zudem verschärften Lieferkettenprobleme die Lage in vielen Wirtschaftsbereichen. Und durch den Ukraine-Krieg und in die höhe geschnellte Energiekosten musste eine Vielzahl von Unternehmen erneut den Gürtel enger schnallen. Im Ergebnis ging das meist zu Lasten der Liquidität und nötiger Investitionen für die digitale als auch die nachhaltige Transformation. Doch wenn die eigenen Reserven nicht mehr ausreichen, ist die Unternehmenskrise nicht mehr weit.
Kreditnachfrage verliert an Dynamik
In den vergangenen Jahren sicherte vor allem die Hausbank die Finanzierung und sorgte mit einem Darlehen für ausreichend liquide Mittel. Der Kreditmarktausblick, den die Volkswirte von KfW Research Ende Mai veröffentlicht haben, lässt aktuelle aber einen rückläufigen Trend erkennen. Zwar ist der Erhebung zufolge das Kreditneugeschäft von Banken und Sparkassen in Deutschland mit Unternehmen und Selbstständigen im vierten Quartal 2022 um 19 Prozent gestiegen. Doch im Vorquartal lag dieser Wert noch bei 36,1 Prozent - also fast doppelt so viel. Die Nachfrage nach Kapital sei damit noch auf einem recht hohen Niveau, habe jedoch auch deutlich an Dynamik verloren.
Einerseits liege der Nachfragerückgang an positiven wirtschaftlichen Entwicklungen. So habe sich die Energiekrise entspannt und auch viele Lieferkettenprobleme seien entschärft worden. Viele Firmen seien deshalb nicht mehr auf große Mengen an Fremdkapital angewiesen, um ihre Liquidität sicher zu stellen.
Steigende Kosten und hohe Kredithürden
Aber auch gestiegene Kredithürden und -kosten hemmen den Wunsch nach neuen Bankdarlehen. Die deutschen Institute stellen deutlich höhere Anforderungen an die Vergabe von frischem Kapital, was mittlerweile viele Unternehmen als restriktiv empfinden. Hinzu kommt die Zinswende, die Darhelen schlichtweg immer teurer macht. Laut KfW-Analyse lagen die durchschnittlichen Kreditkosten im Februar 2023 bei 3,86 Prozent. Einen vergleichbaren Wert gab es zuletzt 2009. Unternehmen überlegen sich deshalb sehr genau, ob sie derzeit tatsächlich ein Darlehen benötigen. So landet manches Investitionsprojekt zunächst auf Eis.
Und für junge Unternehmen ist der Zugang zu Krediten noch deutlich problematischer. Die Gründe fassen die Springer-Autoren Richard Guserl, Helmut Pernsteiner und Thomas Brunner-Kirchmair in ihrem Buch "Finanzmanagement" auf Seite 58 zusammen:
Tendenziell schwierig gestaltet sich für Jungunternehmen die Aufnahme von Fremdkapital über professionelle Kapitalgeber (Banken), da diesen bei Start-ups keine Daten der unternehmerischen Vergangenheit zur Verfügung stehen, um das Risiko der Kreditvergabe zu beurteilen. Außerdem ist die zukünftige Entwicklung junger Unternehmen generell mit einem höheren Risiko (zum Beispiel Markteintritt, Akzeptanz des Leistungsangebots) verbunden, als bei einem bereits etablierten Unternehmen. Zudem sind kaum Sicherheiten vorhanden."
Finanzierungsalternativen erwägen
Ohne Liquidität gehen in einem Unternehmen allerdings irgendwann die Lichter aus. Wenn die Fremdfinanzierung aufgrund steigender Kosten und Hürden keine Option mehr ist, greifen viele Betriebe zu alternativen Maßnahmen:
- Unternehmen können die Liquidität durch ein verbessertes Forderungsmanagement stärken. Wenn Kunden die Rechnungen zeitnah begleichen, muss weniger zwischenfinanziert werden.
- Mögliche Forderungsausfälle können durch Factoring vermieden werden.
- Aufgrund der allgemein gestiegenen Kosten müssen Unternehmen ihre Preisgestaltung auf den Prüfstand stellen und Preise möglicherweise anheben.
- Kostensenkungen führen ebenfalls zu Entlastungen und reduzieren so den Barf an einer Finanzierung.
- Fremdkapital gibt zudem auch als Lieferantenkredite oder beim Leasing.
Kaum Entspannung in Aussicht
Auch wenn sich einige positive Entwicklungen abzeichnen: Für Unternehmen bleibt die Frage, wie künftig der Zugang zu - vor allem günstigem - Fremdkapital gelingt. Auf dem klassichen Kreditmarkt ist vorerst kaum Entspannung zu erwarten, wie die KfW-Experten feststellen. "Ich gehe davon aus, dass die bremsenden Impulse auf der Angebots- und Nachfrageseite des Kreditmarkts im ersten Halbjahr 2023 weiter anhalten. Das Darlehenswachstum mit Unternehmenskunden dürfte im Frühling zum Erliegen kommen. Es wäre damit aber immer noch ein vergleichsweise hohes Kreditvergabeniveau verbunden", sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW und führt aus:
Die Prognose unterliegt dem Risiko, dass die Ereignisse in den Bankensektoren in den USA und in der Schweiz in den vergangenen Wochen noch Nachwirkungen zeigen könnten. Die deutschen Banken sind solide kapitalisiert. Für den Fall, dass der gesamte Bankensektor in Folge von höherem Kapitalbedarf und verteuerter Refinanzierung betroffen wäre, könnte eine zusätzliche Straffung der Kreditstandards und -konditionen resultieren, was den Kreditkanal zusätzlich verengen würde."