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04.12.2019 | Unternehmenskultur | Interview | Online-Artikel

"Kulturelle Unterschiede werden meist vergessen"

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Kathleen Dunton

ist Managing Partner bei der internationalen Personalberatung Boyden in Frankfurt.

Wie ticken deutsche und US-amerikanische Top-Manager? springerprofessional.de hat mit der Personalexpertin Kathleen Dunton über kulturelle Unterschiede und Herausforderungen in der Führung gesprochen. 

springerprofessional.de: Wie sehen die Karrierechancen für deutsche Führungskräfte in den USA aus?

Die Karrierechancen stehen bei Managern gut, die bereits in Deutschland in einem internationalen Unternehmen tätig sind und an einen Standort in den USA wechseln. Die Karriere hängt aber stark davon ab, wie anpassungsfähig ein Manager ist. Das Business in den USA ist sehr viel rauer, erstaunlich schnell, extrem zahlen- und ergebnisgetrieben und das Verhalten unter Kollegen oft oberflächlich. Wer damit im Job zurechtkommt und diese Kultur lebt, hat sehr gute Karrierechancen. Deutschen Managern ist diese Unternehmenskultur sehr fremd. Wenn man sich das Know-how eines anderen Marktes und einer anderen Unternehmenskultur ins Boot holt, ergeben sich aber auch Wachstumschancen. Unternehmen und Führungskraft können beiderseitig profitieren, wenn die kleinen Fallstricke beachtet werden.

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Eine der größten Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt ist die stets zunehmende Häufigkeit und Intensität interkultureller Begegnungen. 

In welche Fettnäpfchen tappen deutsche Manager erfahrungsgemäß, wenn sie zu US-Konzernen wechseln? 

Deutsche Manager sind sehr genau und planen lange, weil ihnen die Qualität ihrer Arbeit wichtig ist. Diese Tugend kann aber im US-Markt schnell zu Missverständnissen führen. Hohe Genauigkeit kommt in manchen Branchen gar nicht gut an. US-Vorgesetzte erwarten sofortiges Handeln und schnelle Ergebnisse. Die 80-Prozent-Lösung ist der bevorzugte Weg, die 100-Prozent-Lösung fast schon ungewöhnlich, weil zu langwierig. Das muss ein deutscher Manager erst einmal wissen und sein Handeln danach ausrichten. Auch der Umgang mit Mitarbeitern birgt Gefahren: Top-Manager aus der alten Welt sollten in den USA bei allzu persönlichen Fragen vorsichtig sein. Deutsche Führungskräfte wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Bei Amerikanern ist das nicht unbedingt erwünscht und wird oft als Eingriff in den persönlichen Bereich empfunden. 

Und woran scheitern Manager aus den USA oft in deutschen Firmen?

Amerikaner sind in der Regel sehr auf den Punkt. Deshalb verzweifeln sie ein wenig am Tempo und oft unklaren Prozessen in deutschen Unternehmen. Sie sind frustriert, wenn sie die Dinge nicht in der amerikanischen Geschwindigkeit umsetzen können. Auch in puncto Entlassungen weht in Deutschland ein anderer Wind. Eine Hire & Fire Mentalität, in der es durchaus sein kann, dass innerhalb von neun Monaten fünf Mal der Vorgesetzte wechselt, gibt es hier nicht. Sich schnell von Mitarbeitern zu trennen, wenn der schnelle Erfolg ausbleibt, ist schwer. In Deutschland bedarf es schließlich der Zustimmung des Betriebsrats. Managern aus den USA fühlen sich daher in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt. Entscheidungsprozesse in deutschen Unternehmen dauern. Frustration ist hier leider vorprogrammiert.

Als Tesla bei dem Maschinenbauer Grohmann in Prüm einstieg, brach ein Kampf der Kulturen aus. Der Ex-SAP-Chef McDermott sagte hingegen "SAP ist ein deutsches Unternehmen". Was sollten diese beiden Beispiele Ihrer Ansicht nach Manager lehren?

Amerikaner und Deutsche ticken in puncto Unternehmens- und Führungskultur sehr unterschiedlich. Doch die kleinen Nuancen bei den kulturellen Unterschiede in Geschäftsbeziehungen bemerken die meisten erst spät. Mit Tesla trifft ein junges Unternehmen mit Start-up Mentalität auf ein deutsches Unternehmen mit über 50 Jahren Tradition, lange gewachsenen Werten und einer vom Gründer vorgelebten Lebensphilosophie. Das passt nur bedingt mit einer Silicon-Valley-Manier zusammen. Bei SAP ist es ähnlich. Ein erfolgreicher US-Vorstand hat den deutschen Hersteller hochkomplexer Softwarepakete zum hippen Cloud-Unternehmen gepusht, das damit zu einem Global Player aufstieg. Als SAP jedoch Arbeitsplätze abbaute, haben viele Mitarbeiter den Druck von oben gespürt – den man so vielleicht noch nicht kannte – und das führte zu einem Bruch in der Unternehmenskultur. 

Was würden Sie Managern raten, die in die USA gehen und nach Deutschland kommen?

Man sollte schon im Vorfeld genau hinsehen. Kulturelle Unterschiede werden meist vergessen. Das führt zu geschäftlichen Misserfolgen. Grundsätzlich bieten Manager aus dem jeweils anderen Markt aber wichtige Perspektivwechsel und können ein Unternehmen durch das Einbringen von neuem Know-how nach vorne bringen. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Führungsmentalitäten hat schon oft entscheidende Impulse in Unternehmen gebracht. Aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass sowohl Manager als auch Unternehmen die vielen kleinen Fallstricke oft nicht erkennen oder ignorieren. Dann wird viel Geschäftspotenzial verschenkt und das nur, weil man sich der kulturellen Unterschiede nicht bewusst war.

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