Freundschaften am Arbeitsplatz stärken das Zugehörigkeits- beziehungsweise Wir-Gefühl. Sie können motivieren und die Zusammenarbeit verbessern. Doch sie bergen auch Risiken, haben Wissenschaftler herausgefunden.
Mitunter verschwimmen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben - insbesondere dann, wenn manche Kollege miteinander befreundet sind.
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Beziehungen zu anderen Menschen tragen zu unserem Wohlbefinden bei, betonen die Sozialpsychologen Johan C. Karremans und Catrin Finkenauer. Daher seien Freundschaften für das persönliche Glück nicht zu unterschätzen, erklären die Autoren im Buchkapitel "Zwischenmenschliche Anziehung und enge Beziehungen". Die Faustformel für Freude im Leben könne demnach lauten, dass die Zufriedenheit und Erfüllung steigt, umso größer das soziale Netzwerk eines jeden einzelnen ist:
Unser emotionales Leben beruht tatsächlich zum großen Teil auf Erlebnissen und Interaktionen, die wir mit anderen haben. Studien haben gezeigt, dass Menschen im Allgemeinen in einer positiveren Stimmung sind, wenn sie unter anderen Leuten sind, besonders wenn sie ein bestimmtes Maß an Nähe und Vertrautheit mit ihnen erleben. Gewöhnlich besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Glücksgefühlen und der Größe des sozialen Netzwerks. Dagegen erleben Menschen im Allgemeinen die stärksten negativen Gefühle, wenn sie allein sind; und mangelnder Kontakt zu nahestehenden Anderen ruft Gefühle der Einsamkeit und Depression hervor." (Seite 395)
Freundschaften am Arbeitsplatz sollten also eigentlich für Organisationen ein Gewinn sein, die für eine gute Unternehmenskultur sorgen, die Zusammenarbeit fördern und das soziale Miteinander stärken. Teilweise ist dem auch so, teilweise aber auch nicht, weisen zwei Studien des Fachgebiets Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Hohenheim in Stuttgart nach. Dazu befragten die Forschenden jeweils über 400 Berufstätige in Großbritannien mit Hilfe von Online-Fragebögen.
Fehlt Neutralität, droht Streit
Die Ergebnisse, die unter dem Titel "Managing the risks and side effects of workplace friendships: The moderating role of workplace friendship self-efficacy" im "Journal of Vocational Behavior" 143/ Juni 2023 erschienen sind, weisen darauf hin, dass Freundschaften am Arbeitsplatz auch Risiken bergen können. Konkret geht es dabei um die fehlende Neutralität. Denn Freunde erwarten Zuneigung, Solidariät oder gar Bevorzugung. Doch nicht unparteiisch im Umgang mit Kollegen zu sein, löse unter Umständen Konflikte aus, zeigen die Wissenschaftler auf.
"Freundschaften am Arbeitsplatz können auch dazu führen, dass sich die Personen anderen gegenüber eher unsensibel, unhöflich und unfreundlich verhalten", erklärt Studienleiterin Ulrike Fasbender. Auch wenn es sich dabei um eine unbewusste Verhaltensweise handele, "ist es ein Symptom dafür, dass die Ressourcen zur Selbstregulation der betreffenden Mitarbeitenden erschöpft sind. Diese also das Gefühl haben, dass ihre Energie zur Neige geht", so Fasbender weiter.
Best Buddies im Rollenkonflikt
Freundschaften am Arbeitsplatz führen den Forschenden zufolge immer dann zu Spannungen, wenn die beiden Rollen 'Freund' und 'Mitarbeiter' nicht miteinander in Einklang gebracht werden können. So kommen die Best Buddies etwa zu ungünstigen, stressigen Zeiten vorbei, um zu plaudern und bringen somit ihren Kumpel und ihre Freundin in einen Rollenkonflikt, erklären die Wissenschaftler das Problem an einem konkreten Beispiel.
Die Anstrengungen und Konzentrationsprobleme, die durch die widerstreitenden Rollen entstehen, führen zu Erschöpfung und lassen die Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, bröckeln oder sogar ganz schwinden. Dadurch gelingt es den Betroffenen nicht mehr, unhöfliches und unfreundliches Verhalten am Arbeitsplatz zu unterdrücken, dass sich dann gegen andere Kollegen, nicht aber gegen die Freunde am Arbeitsplatz richtet, berichten die Experten der Uni Hohenheim.
Doch wenn der Umgangston rauer werde, drohen geringere innovative Leistungen, höhere Fehlzeiten und Fluktuation. "Auch, wenn Freundschaften am Arbeitsplatz zahlreiche Vorteile haben und das Arbeitsleben auf eine wichtige Art und Weise bereichern können, sollten sich Mitarbeitende darüber im Klaren sein, dass diese auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind", warnt daher Ulrike Fasbender. "Oft genügt allein dieses Wissen schon."
Achtsame Führungskräfte lösen Konflikte
Allerdings sollten sich auch Führungskräfte mit der Thematik vertraut machen, um gegebenenfalls gegensteuern zu können. Denn das Gefühl von Selbstwirksamkeit kann aktiv trainiert werden, schreiben Tatjana Reichhart und Claudia Pusch im Zusammenhang mit Resilienz-Coaching. Dazu brauche es allerdings "Stressimpfungen" in Form von neuen Herausforderungen, also Aufgaben, bei denen Menschen die immer gleichen Abläufe und Aktivitäten, sprich ihre Komfortzone, verlassen. Ein starkes Selbstbild entstehe allerdings auch, wenn Personen sich vor Augen führen, was sie bereits alles geleistet haben, etwa in Form von Karten, die zu einer Collage zusammengefügt werden.
Natürlich ist nicht jede Führungskraft ein begnadeter Resilienz-Coach. Doch Coaching-Techniken in die Führung zu integrieren, ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil von Leadership. Oft reicht es sicher aus, als Personalverantwortlicher das Gespräch zu suchen und Freunde am Arbeitsplatz gegebenenfalls auf negative Verhaltensweisen aufmerksam zu machen beziehungsweise sie zu sensibilisieren.