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21.04.2023 | Unternehmensorganisation | Infografik | Online-Artikel

Betriebliche Mitbestimmung verliert an Rückhalt

verfasst von: Andrea Amerland

3 Min. Lesedauer

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Die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland ist weltweit die umfassendste. Obwohl sie für bessere Arbeitsbedingungen sorgt, befindet sie sich, salopp formuliert, auf dem absteigenden Ast. Denn immer weniger Unternehmen haben einen Betriebsrat und das Interesse der Beschäftigten daran sinkt.

Im Herbst 2022 feierte das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sein 70. Jubiläum. Das erste Betriebsrätegesetz trat bereits am 4. Februar 1920 Kraft. Seit der Novellierung 1972 bildet das BetrVG die rechtliche Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung in der Bundesrepublik. Ein Betriebsrat soll demnach die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber vertreten, etwa auf dem Gebiet der Arbeitszeit, der Gestaltung der betrieblichen Ordnung oder der Gesundheit. 

Die Beschäftigten in Deutschland haben der Arbeit von Betriebsräten viel zu verdanken. Insbesondere in Krisen federn sie oft Schlimmeres ab. Selbst der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz räumte jüngst auf einer Betriebsrätekonferenz in Berlin ein, dass die Corona-Krise ohne verantwortungsbewusste Arbeitnehmervertreter nicht so gut verlaufen wäre, die Maßnahmen wie etwa das Homeoffice vorangetrieben und organisiert hätten. 

Solche Töne sind sonst mehr aus den sozialdemokratischen Reihen zu hören. So betonte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Festakt zum 70. Jubiläums des Betriebsverfassungsgesetzes, dass es sich dabei um einen Ausdruck gelebter Demokratie handele, dass die betriebliche Mitbestimmung zur DNA der sozialen Marktwirtschaft gehöre und dass Unternehmen mit Betriebsräten besser durch Krisenzeiten kommen.

Immer weniger Unternehmen haben einen Betriebsrat

Und doch schwindet der Rückhalt für Betriebsräte in Unternehmen zusehends, ergibt eine Auswertung des Betriebsratswahljahres 2022 durch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dafür befragte das IW rund 750 deutsche Unternehmen mit insgesamt 240.000 Wahlberechtigten. Die teilnehmenden Firmen der Stichprobe stammen zu 73 Prozent aus dem Produzierenden Gewerbe, 27 Prozent sind dem Dienstleistungssektor zuzuordnen.

Das Recht zur Gründung eines Betriebsrats wird in Firmen immer seltener wahrgenommen, ist eines der Kernergebnis der Analyse. Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland hatten im Jahr 2021 nur acht Prozent der berechtigten Unternehmen, also solche ab fünf Angestellten, einen Betriebsrat. Im Vergleich dazu lag der Anteil im Jahr 1996 noch bei zwölf beziehungsweise elf Prozent. 

Auch bei der Zahl der Beschäftigten, die durch ein entsprechendes Gremium vertreten werden, gibt es eine Abwärtsbewegung. Während 2021 rund 39 Prozent der Beschäftigten im Westen und 34 Prozent im Osten in einem Unternehmen mit Betriebsrat tätig waren, wurden im Jahr 1996 noch 51 beziehungsweise 43 Prozent der Angestellten durch eine Arbeitnehmervertretung repräsentiert. 

Zahlen und Fakten rund um Betriebsräte

Als Gründe für diese rückläufige Entwicklung führen die Forschenden des IW zum einen an, dass viele Unternehmen einfach nicht fortbestehen, zum anderen gründen Mitarbeitende nur selten neue Arbeitnehmervertretungen - und das, obwohl das Wahlrecht 2001 vereinfachtet wurde. Weitere Kernergebnisse der IW-Befragung sind:

  • Je höher die Wahlbeteiligung ausfällt, desto größer ist der Rückhalt für den Betriebsrat in der Belegschaft.
  • In Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten haben Betriebsräte in Deutschland die größte Unterstützung.
  • Zwei Drittel der Betriebsratsmitglieder in den befragten Branchen wurden im Frühjahr 2022 wiedergewählt.
  • Während in der Industrie fast jeder fünfte Betriebsrat weiblich ist, sind es in der Dienstleistungsbranche beinahe 45 Prozent.
  • Mehr als die Hälfte der Betriebsräte in Deutschland ist 46 Jahre alt oder älter, unter zehn Prozent sind jünger als 30 Jahre.

EU-Parlament will mehr Rückhalt für Europäische Betriebsräte

Da die Mitbestimmung von Betriebsräten nur selten Ländergrenzen überschreitet, obwohl Unternehmen immer globaler agieren, will das EU-Parlament die europäischen Betriebsräte stärken. Geplant sind bei der Initiative härtere Strafen bei Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte sowie vereinfachte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Europäische Betriebsräte (EBR) sind Gremien, die Arbeitnehmer eines internationalen Unternehmens vertreten. Derzeit sind rund 1.200 EBR aktiv. 

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