Video-Konferenzen haben in der Pandemie viele persönliche Meetings abgelöst. Die digitalen Tools machen etliche Prozesse in Unternehmen schneller und einfacher. Und doch können Firmen nicht komplett auf Geschäftsreisen verzichten, ergibt eine Umfrage.
Ein Zurück auf das Niveau vor der Corona-Krise wird es bei Geschäftsreisen zwar nicht geben. Da sind sich die vom Corporate-Payment-Spezialisten Air Plus International befragten rund 110 deutschen Topmanager einig (93 Prozent) und erwarten, dass Business-Travel-Aktivitäten im unterschiedlichem Ausmaß durch Video-konferenzen ersetzt werden.
Doch diese Entwicklung sehen die Unternehmenslenker, darunter CEOs, Finanz- und Vertriebschefs, durchaus kritisch. Denn die fehlenden persönlichen Begegnungen bewerten die Chefs als größtes Risiko beim Trend zur verstärkten virtuellen Kommunikation (81 Prozent). Rund jeder Zweite vermisst die Möglichkeit fürs Netzwerken (46 Prozent) und fürchtet um die Datensicherheit (45 Prozent). Jeder Dritte findet, dass die Kosten der digitalen Infrastruktur ein Risiko darstellen. Lediglich 16 Prozent stufen auch den Energiebedarf der Kommunikationstechnologien also solches ein.
Das Problem der Zoom-Fatigue
In der Tat hat die digitale Kommunikation durchaus ihre Tücken, wie etwa die sogenannte Zoom-Fatigue. Ausgehend von Gesprächen und Interviews mit Führungskräften hält Anette Bickmeyer im Zeitschriftenartikel "Zoomication: The New Normal?" fest, dass digitale Kommunikationstools zu Veränderungen des Sozialverhaltens bei den Beteiligten führen und Auswirkungen auf die Kommunikationspotenziale und individuelle Selbstwahrnehmung haben (Seite 459):
Die Unkörperlichkeit des hier als Zoomication beschriebenen Prozesses führt, neben der oft konstatierten Versachlichung von Besprechungen auf Kosten von Bindung und Vertrauen, auch zu einer Fokussierung auf ästhetische Gesichtspunkte."
Die Ermüdungserscheinungen bei virtuellen Meetings haben auch Jutta Rump, Marc Brandt und Silke Eilers in einer Studie untersucht. Neben den Ursachen beschreiben die Springer-Autoren im Buchkapitel "Zoom-Fatigue – Eine Untersuchungsreihe zu den Konsequenzen der steigenden Nutzung virtueller Meetings" auch Handlungsmöglichkeiten, um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen. So sind zeitliche Begrenzungen für Meetings sowie Pausen dazwischen und in den Sitzungen hilfreich gegen die nachlassende Konzentration. "Eine Moderation, die humorvoll ist und jeden Teilnehmer einbezieht, kann zudem für eine gute Struktur in Meetings sorgen und somit Belastungen verringern", schreiben die Springer-Autoren.
Persönliche Kommunikation lieber vor Ort
Einen guten Weg scheinen die Firmenchefs allerdings bereits selbst einzuschlagen, zeigt die Air-Plus-Studie. Diese wägen nämlich ab, welche Form ein Geschäftstermin haben sollte. Geht es um Vertrauensaufbau und Beziehungspflege, bevorzugen 84 Prozent der Befragten ein persönliches Treffen. Auch bei Verhandlungen steigen 76 Prozent lieber ins Auto, den Zug oder das Flugzeug. Das gilt ebenso für Gespräche mit eher emotionalen Inhalten (73 Prozent), Besprechungen mit vertraulichen Themen, Kundenakquise und -bindung, Messebesuche und Branchentreffen (jeweils 70 Prozent) sowie strategische interne Meetings (56 Prozent).
Es geht also darum, welche Relevanz ein Kommunikationsweg hat, so Helena Stehle, Claudia Mast und Klaus Spachmanni im Buchkapitel "Welche Bedeutung hat persönliche Kommunikation?". Laut einer Befragung ist demnach für knapp die Hälfte persönliche Kommunikation mit Face-to-Face-Kommunikation gleichzusetzen. Das heißt, es kommt "auf den direkten Austausch zwischen mindestens zwei Akteuren, der die Möglichkeit zu unmittelbarem Feedback und ungefiltertem Meinungsaustausch, aber auch zu wechselseitiger Wertschätzung beinhaltet" an.
Hybride Zusammenarbeit braucht weniger Präsenztermine
Für die tägliche Zusammenarbeit in Projektteams oder den Wissensaustausch halten die von Air Plus International befragten Führungskräfte virtuelle Meetings hingegen für gut praktikabel. Wird in Unternehmen zudem hybrid, also sowohl im Büro als auch im Homeoffice gearbeitet, erleben Arbeitnehmende weniger Geschäftsreisen eher als Vorteil, so Jutta Rump und Silke Eilers im Buchkapitel "Die Neue Normalität – sieben Trilogien für Beschäftigte, Arbeitgeber, Wirtschaft und Gesellschaft".
"Die negativen Effekte hinsichtlich des Teamgeists und der Zoom-Fatigue, sichtbar bei der virtuellen Kooperation, werden bei der hybriden Zusammenarbeit weniger wahrgenommen. Hybride Zusammenarbeit scheint das Positive aus beiden Welten (stationär und virtuell) miteinander zu verbinden", schreiben sie auf Seite 14.