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02.09.2021 | Unternehmensstrategie | Interview | Online-Artikel

"Digitalisierung ist nicht gleichbedeutend mit IT"

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Alexandra Hildebrandt

ist Publizistin, Nachhaltigkeitsexpertin und Wirtschaftspsychologin.

Die Digitalisierung ist für Mittelständler mitunter ein schwerer Brocken. Diese auch nach Nachhaltigkeitskriterien voranzutreiben, erscheint als Erschwernis. Wie gut beide Aspekte tatsächlich zusammenpassen und welche Vorteile eine nachhaltige Digitalisierung bringt, erläutert Alexandra Hildebrandt im Interview.

Welche konkreten Chancen ergeben sich, wenn Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen gedacht werden?

Unternehmen können diese Verbindung als Chance nutzen, indem sie Prozesse in sinnvollen Bereichen digitalisieren und Kernkompetenzen in neue Geschäftsmodelle und Marktbereiche integrieren. Dies muss auf eine Nachhaltigkeitsstrategie abgestimmt sein. Mit der Geschwindigkeit, mit der sich Märkte und Produktionsweisen verändern, wandeln sich auch die Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter. Diese brauchen heute vernetzte Fähigkeiten, denn altes Wissen und gewohnte Denkstrukturen können sich bei aktuellen Nachhaltigkeitsanforderungen als hinderlich erweisen und neue Lösungen blockieren. Es kommt deshalb vor allem auf die richtige Zusammenarbeit im Unternehmen an, darauf, die Zukunftsfähigkeit der gesamten Organisation zu sichern.

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2021 | Buch

CSR und Digitalisierung

Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft

In der 2. Auflage des Buches "CSR und Digitalisierung" werden zwei Jahrhundertthemen zusammengeführt, die die wichtigsten Fragen unserer Zeit bündeln: Wie können wir ökologisch und sozial verantwortlich wirtschaften? 

Bei den meisten mittelständischen Unternehmen hat das Thema Digitalisierung einen hohen Stellenwert. Die Corona-Pandemie hat dies zweifelsohne verstärkt. Dennoch sind einige noch unsicher. Hier steigen die Investitionen in Digitalisierungsprojekte nur langsam. Dabei riskieren diese Unternehmen, vom Wettbewerb oder der Konkurrenz abgehängt zu werden und ins Hintertreffen zu geraten.

Was läuft da schief?

Die passenden Strategien, die nötige Expertise, finanzielle und personelle Ressourcen fehlen, um Digitalisierungsprojekte nachhaltig umzusetzen. Hinzukommen infrastrukturelle Probleme eines nicht flächendeckend ausgerollten Breitbandausbaus, durch den ländliche Regionen benachteiligt sind. Ein Fehler ist auch, wenn sich Unternehmen auf technologische Aspekte des digitalen Wandels konzentrieren und nur untergeordnet mit Nachhaltigkeitsindikatoren zusammenbringen. Digitalisierung ist nicht gleichbedeutend mit IT, die rein technische Betrachtung genügt nicht. 

Können Sie ein Best-Practice-Beispiel aus dem Mittelstand nennen, das im Buch näher erläutert wird?

Mader in Leinfelden-Echterdingen sieht die Verknüpfung von Energieeffizienz und Digitalisierung als Schlüssel zur erfolgreichen Erzeugung und Nutzung von Druckluft. Bereits vor der Corona-Pandemie waren sich alle bewusst: Wenn Digitalisierung einen nachhaltigen Erfolg für das Unternehmen bringen soll, ist die Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur, zu der auch die Arbeitsweise und Organisationsstruktur gehört, essenziell. Diese wurde agilitätsfördernd weiterentwickelt und die Leistungsangebote um digitale Anwendungen ergänzt.

Um was für digitale Lösungen handelt es sich dabei?

Ein Beispiel ist die so genannte digitale Leckage-App, die zunächst zur Optimierung des eigenen Dienstleistungsprozesses in einem abteilungsübergreifenden Team entwickelt wurde. 2018 wurde die Looxr GmbH neu gegründet. Aus dem Bereich Innovationsmanagement entstanden und als Mader-Spin-off wird hier das gesamte Softwaregeschäft gebündelt. Ziel ist es, den kompletten Druckluftprozess zu digitalisieren und damit maximale Transparenz, Versorgungssicherheit und Energieeffizienz im ganze Druckluftsystem zu erreichen.

Die Corona-Krise hat mit gestörten Lieferketten gezeigt, das digitale Tools für das Risikomanagement unabdingbar sind. Wie können Unternehmen durch Digitalisierung und Nachhaltigkeit resilienter werden?

Baukastenähnliche Module helfen, die sich sukzessive erweitern lassen. Um resilienter zu werden, braucht es Digitalisierung und Nachhaltigkeitsorientierung als integralen Bestandteile einer umfassenden Zukunftsausrichtung. Digitalisierungsblockaden in der Organisation müssen zudem gelöst und eine digitale Kluft bei den Beteiligten abgewendet werden. Die Rahmenbedingungen sowie die Organisationsentwicklung sollten an Innovationskultur und -management ausgerichtet werden. Zu berücksichtigen sind Komplexität, Agilität, Vertrauenskultur, Transparenz sowie schnelle und dezentrale Entscheidungen. Geschäftsprozesse sollten in sinnvollen Bereichen digitalisiert und Kernkompetenzen in neue Geschäftsmodelle und Marktbereiche integriert werden. All dies führt zur Stärkung der Resilienz und verändert organisationale Strukturen so, dass sie flexibel auf Probleme reagieren können.

Was muss beim Risikomanagement passieren?

Es braucht Risikokompetenz als wichtige Basis für nachhaltigkeitsorientiertes Risikomanagement, um sicherzustellen, dass ökonomische, ökologische und soziale Faktoren im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden. Die Schritte im Risikomanagement sind vergleichbar mit denen des Nachhaltigkeitsmanagements: Zuerst geht es darum, die Ziele auf Basis der Strategie festzulegen, dann um die Definition von Werttreibern oder kritischer Erfolgsfaktoren zur Zielerreichung. Danach wird die Risikomanagementstrategie entwickelt, Risiken identifiziert, die Gefahrenabwehr gesteuert und in einem Risikomanagementsystem dokumentiert und überwacht.

Welche Maßnahmen und Methoden zur nachhaltigen Steuerung der digitalen Transformation haben sich bewährt?  

Ein Bewusstsein für die Doppelrolle von Digital- und Nachhaltigkeitsstrategie ist wichtig. Eine nachhaltige Digitalisierung erfordert, bestehende Denkmodelle zu trennen und neu zu denken, Geschäftsmodelle und wie diese bisher betrieben wurden zu betrachten, aber auch ein tiefgreifendes Wissen und Verständnis im Management, neue Entwicklungen zu ermöglichen. Im Kontext der Politik setzt nachhaltige Digitalisierung voraus, dass sich alle Ressorts der Bundesregierung die Ziele der Digitalagenda zu eigen machen.

Digitale Innovationen für Umweltschutz tun dringend Not. Gleichzeitig hat die Digitalisierung einen enormen Energie- und Ressourcenbedarf wie unter anderem der Boom der Streamingdienste oder die Elektromobilität zeigen. Wie muss das Innovationsmanagement ausgestaltet werden, damit die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) erreicht werden können?

Einigen mittelständischen Unternehmen ist noch nicht bewusst, dass strategisches Innovationsmanagement ihnen hilft, Klima- und demografischen Wandel oder die Verknappung von Ressourcen zu bewältigen. Möglichkeiten zum Informationsaustausch und unterstützende Strukturen sowie ein Vorleben der Innovationskultur durch Vorgesetzte können das ändern.

Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Nachhaltige Rechenzentrumskonzepte umfassen den Einsatz von energieeffizienten Systemen, betrachten Betriebs- und Energiekosten als Parameter für die Einkaufsentscheidung, berücksichtigen Ressourceneffizienz bei der Konzeption und Planung, setzen auf erneuerbare Energien und Schadstoffvermeidung sowie Klimaneutralität. Leider werden die Auswirkungen der Digitalisierung nicht gesehen, weil die Emissionen weit weg von uns entstehen. Allerdings kann jedes Unternehmen einfache Beiträge leisten: E-Mail-Postfach regelmäßig leeren, Speichermedien wie CDs, DVDs oder externe Festplatten nutzen, bei der Wahl des Cloud-Anbieters darauf achten, dass dessen Rechenzentren mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auch eine Umstellung auf nachhaltige Suchmaschinen wie Gexsi oder Ecosia ist sinnvoll.

Welche Rolle spielt im Kontext von Nachhaltigkeit und Digitalisierung die Politik?

Die Umweltpolitische Digitalagenda des Bundesumweltministeriums (BMU) spielt eine wichtige Rolle, denn sie stellt einen wesentlichen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gestaltung eines der bedeutendsten Innovationsfelder der Gegenwart dar. Ziel ist es, die Digitalisierung in umweltverträgliche Bahnen zu lenken, aber auch ihre Chancen für den Klimaschutz zu nutzen. Sie ist die erste Strategie in Europa, die Digitalisierung und Umweltschutz konsequent miteinander verbindet.

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