Große und langfristig angelegte Unternehmensberatung ist vorbei, hat das Wirtschaftsmagazin "Brandeins" bereits im Jahr 2014 verkündet. Tatsächlich ist Beratung heute generell viel punktueller, eher kurzfristig und projektbezogen angelegt. Und obwohl die Honorare der Berater stagnieren und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für Beratungsleistungen Fördermittel zur Verfügung stehen, gibt es immer wieder Konflikte rund um das Preis-Leistungsverhältnis: Unternehmer können einfach nicht nachvollziehen, das Consulting nicht zum Schnäppchenpreis zu haben ist.
Dieselbe Sprache sprechen
Vielleicht liegt das Problem, wie so oft, in der Kommunikation. Wie wirkt ein junger Berater in Nadelstreifen und mit einem Sprachrepertoire à la "Sie müssen Ihre Strategy mal across-the-board überdenken" auf den Inhaber eines familiengeführten Automobilzulieferers? Consulting-Sprech und Management-Floskeln aus der Konzernwelt wirken befremdlich auf oftmals inhabergeführte KMU. Denn: KMU sind bekanntlich anders strukturiert als Konzerne. So hat die Geschäftsführung engen Kontakt zu den Mitarbeitern, die interne Unternehmenskommunikation ist eher informell und der Unternehmensleiter, der oft auch Inhaber ist, prägt die Persönlichkeit des Unternehmens.
Klassische Unternehmensberatung übersieht externe Faktoren
Ein weiterer Punkt, warum es zu Konflikten zwischen Beratungen und KMU kommen kann, könnten nicht beachtete externe Faktoren sein. In der Zusammenarbeit mit Kunden zeigt sich immer wieder, welche Herausforderungen Inhaber von KMU haben und was für eine Eigenverantwortung auf ihnen lastet. Während im Konzern eine Fehlentscheidung abgefedert und ausgeglichen werden kann, können Fehler im Kleinunternehmen die unternehmerische Existenz bedrohen. Kleinunternehmer haben einen anderen Fokus auf ihr unternehmerisches Handeln und denken aus einer Perspektive, in der Intuition und Erfahrung eine wichtige Rolle spielen.
Ein weiteres spezifisches Merkmal von KMU ist die oft fehlende Trennung von Management- und Eigentümerfunktion. Der unternehmerischen Fähigkeit des Eigentümers kommt eine erhebliche Bedeutung zu, so dass das Geschäftsmodell und der (künftige) Erfolg der KMU häufig stark von der Person des Eigentümers abhängen. Dies kann auch anhand von empirischen Untersuchungen zu den Ursachen von Insolvenzen von KMU belegt werden. Demnach sind Insolvenzen überwiegend die Folge von Management- und Führungsfehlern. Der Personenbezug der KMU drückt sich in vielen Fällen auch in einer mangelnden Abgrenzung von betrieblicher und privater Sphäre aus, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen, wie z. B. Grundstücke, Gebäude, Patente oder Lizenzen, im Privatvermögen des Eigentümers gehalten werden", beschreiben die Springer-Autoren Susann Ihlau, Hendrik Duscha und Steffen Gödecke "Spezifische Merkmale und Besonderheiten von KMU", Seite 5.
KMU wertschätzen Kontinuität und Erreichbarkeit
So schätzen Inhaber von KMU Erreichbarkeit. Ihnen ist nicht wichtig, ob Berater im Unternehmen präsent sind. Oft wird das sogar als störend empfunden. Was zählt, ist erreichbar zu sein für Fragen, Unsicherheiten oder einfachen Bedarf, sich auszutauschen. Dies muss gar nicht in aufwändig organisierten Meetings aufgebläht werden. Eine E-Mail oder ein kurzes Telefonat reichen völlig aus. Manche nennen dieses Art Betreuung "Mikroberatung". Dabei sollte sich die Vermittlung von Mikrofertigkeiten ständig auf die Bedürfnisse der Klienten beziehen und in den gesamten dreistufigen Hilfeprozess integriert werden, so die Springer-Autoren Bernd-Joachim Ertelt und William E. Schulz in einem Aufsatz zum Microcounseling-Modell von Ivey. Zu diesem Hilfeprozess gehören grundlegende Kommunikationsfertigkeiten wie Aufmerksamkeit zu schenken, aktives Zuhören oder Empathie (Seite 122 f.).
Dazu ein kurzes Fallbeispiel aus der Praxis: Ein Kunde hat das Unternehmen seines Vaters übernommen. Als junge Führungskraft hat er vor allem bei der älteren Geschäftsleitung Autoritätsprobleme. Er löste das Dilemma durch den konkreten und regelmäßigen Austausch mit seinem Berater. Nicht durch den Besuch standardisierter Führungskräftetrainings, sondern durch die Abstimmungen mit seinem Berater, zum Beispiel kurz vor anstehenden Gesprächen. Ergänzt wurde diese Mikroberatung bei Bedarf durch klassische betriebswirtschaftliche Projektberatungen, die aber wiederum gemeinsam mit seinem Berater reflektiert wurden. So konnten Fehlentwicklungen schnell entgegengewirkt werden. Jetzt fühlt sich der junge Geschäftsführer in seiner Rolle viel sicherer als vorher – und weiß, dass er bei Unsicherheiten immer jemanden hat, dem er eine E-Mail schreiben oder den er anrufen kann.
Fazit: Nicht nur große und umsatzstarke Unternehmen haben Beratungsbedarf. Auch KMU benötigen hin und wieder einen objektiven Blick von außen – nicht die großangelegte Prozess- oder Strategieberatung. Aber es sollte jemand sein, der ihre Sprache spricht und als kontinuierlicher Sparringspartner hilft, unternehmerische Hürden zu überwinden und selbstbewusste Entscheidungen zu treffen.