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22.01.2014 | Unternehmensstrategie | Interview | Online-Artikel

„Kritiker haben oft einen berechtigten Anspruch“

verfasst von: Andreas Nölting

3:30 Min. Lesedauer

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Nur wer sich mit den Kritikern ernsthaft auseinandersetzt, wird seine unternehmerischen Visionen umsetzen können. Gegen den Widerstand der Stakeholder kann nichts Gutes gelingen, meint Krisenkommunikator Ansgar Thießen im Interview.

Springer für Professionals: Welchen Beitrag leistet Stakeholder Management zum Erfolg eines Unternehmens?

Ansgar Thießen: Stakeholder Management erhöht die Akzeptanz und Durchsetzungskraft unternehmerischer Vorhaben. Entscheide können schneller, umfassender und nachhaltiger realisiert werden - auch wenn dies bedeutet, dass sie eventuell anders gefällt werden müssen, weil das Ergebnis aus Dialogen mit kritischen Stakeholdern dies verlangt. Stakeholder Management trägt damit indirekt sehr stark zur unternehmerischen Wertschöpfung bei. Genau vor dem Hintergrund ist es von den Gründervätern auch entwickelt worden - als Management-Tool.

Was ist bei der Durchsetzung von unternehmerischen Großinvestitionen zu beachten?

Vor allem zwei Dinge: Erstens kommt bei Großprojekten oft die Heterogenität der Stakeholder zum Tragen, denn es sind mehr als nur die Investoren und Projektpartner betroffen. Nehmen Sie den Bau von Kraftwerken oder Pipelines - von Umweltschützern bis hin zu bissigen Wettbewerbern offenbart sich in der Regel eine recht komplexe Situation von Anspruchsträgern. Zweitens ist das finanzielle Risiko bei Großinvestitionen oft sehr hoch. Wenn Projekte scheitern, ist der Schaden um ein Vielfaches höher als wenn sie sauber durchgeführt werden können. Stuttgart 21 hat gezeigt, dass ein Scheitern für die Investoren keine Option war - die Kosten sind allerdings in die Höhe geschossen.

Wie sollten Topmanager auf Proteste und Kampagnen von Projektgegnern reagieren?

Mit Dialog. Sie haben als Topmanager vier Möglichkeiten, Ihr Stakeholder Management zu gestalten: erstens über die reine Information, Sie halten Stakeholder über Ihre Geschäftstätigkeiten auf dem Laufenden. Zweitens über Konsultation, Sie holen aktiv Feedback ein. Drittens über Kooperationen, Sie integrieren Stakeholder in Ihre Entscheidungen und Planungen und viertens Partnerschaften, Sie entwickeln gemeinsam mit Stakeholdern Lösungen. Kritiker haben in der Regel einen berechtigten Anspruch gegenüber Entscheidungen, die Sie getroffen haben. Akzeptanz erreichen Sie aber nur, wenn Sie den Dialog suchen. Gleichwohl gibt es auch Stakeholder, die rein idealistisch argumentieren (etwa einige NGO). Hier stößt der Dialog dann oft an seine Grenzen.

Können Unternehmen ihre Visionen noch gegen den Widerstand von Stakeholdern durchsetzen?

Nein. Allerdings ist die Argumentation, das Einbinden von Kritikern erhöht grundsätzlich die Bottom Line auch wieder zu einfach. Der Punkt ist: Das Formulieren und die Geltendmachung von Ansprüchen werden sich in den kommenden Jahren professionalisieren. Schon heute äußern sich verärgerte Kunden in China mit YouTube-Videos und kritisieren damit die Produktentwicklung in der Schweiz - vor weltweitem Publikum. Die Akzeptanz von unternehmerischen Visionen wird umso kraftvoller, je besser man es schafft, Stakeholder einzubeziehen. Das muss nicht bedeuten, mit Kritikern immer einer Meinung zu sein - wohl aber, dass man sich der Diskussion stellt. Coca Cola stellt sich aktuell sehr stark dem Thema gesunde Ernährung. Dieser Weg ist mutig aber richtig.

Welche Bedeutung hat die Reputation eines Unternehmens für die Bewertung am Kapitalmarkt?

Institutionelle Investoren schauen sich vor allem Zahlen an, hier kann Reputation nur bedingt etwas erreichen. Der Aktienkurs von Apple hat unter den Arbeitsbedingungen in denen die Produkte hergestellt wurden nicht gelitten oder schauen Sie sich die Marktführer im Bereich Natural Ressources (Metal, Mining, Oil & Gas) an, auch die sind in den letzten Jahren allesamt gewachsen. Allerdings erleben wir in den letzten Jahren genauso eine gesteigerte Nachfrage nach z.B. ethisch korrekten oder sozialverträglichen Produktionsbedingungen, Arbeitsbedingungen, usw. Insbesondere Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist ein Thema, nachdem Unternehmen auch am Kapitalmarkt stärker bewertet werden. Reputation alleine reicht dafür allerdings nicht aus, nur wer echtes Nachhaltigkeitsmanagement betreibt wird auch den finanziellen Nutzen davon haben.

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