Skip to main content

31.10.2013 | Unternehmensstrategie | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Wir optimieren, planen und kontrollieren uns zu Tode"

4 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Ein mutiges Hinterfragen von Bestehendem kann eine Unternehmung bis zu 30 Prozent produktiver machen. Springer-Autor Michael Kres ("Mutmacher") beschreibt in einem Gastbeitrag, wie das Potenzial der Mitarbeiter besser genutzt werden kann.

Wie selbstverständlich werden wir auch heute noch in Managementschulen rund um den Globus gelehrt, dass Wachstum gut sei und zwar in jeder Dimension: Je grösser, je schneller, je innovativer, je anpassungsfähiger eine Unternehmung, desto besser gehe es ihr. Die Realität zeigt: Wir sind längst an unsere Grenzen gelangt, Stress und Aktivismus in Unternehmen fressen längst mehr als das jährliche Wachstum weg.

Unser undifferenzierter Wachstumsglaube, unsere unreflektierten Führungsgrundsätze kosten uns jedes Jahr Milliarden. Wir optimieren, planen und kontrollieren uns zu Tode. Wir versuchen, schneller als die Zeit zu rennen und drehen uns doch stets nur im Hamsterrad. Mit stets neuen Projekten ersticken wir das letzte bisschen Handlungsfähigkeit unserer Belegschaft, sorgen für korrosive Energie und dafür, dass eigentlich keiner mehr richtig weiter weiss. Viele Führungskräfte sind müde geworden. Müde vom immer Gleichen in immer neuen Formen. Unsere Erwartung, immer mehr und immer schneller Erfolg haben zu müssen, vernichtet grossflächig Produktivität.

Mutiges Hinterfragen ist wichtig

Beobachtungen in Unternehmen wie BMW, F. Hoffmann La-Roche, Swisscom und anderen zeigen: Wenn es uns gelingt, unsere Erwartungen zu verändern, werden wir wesentlich effektiver. Ein mutiges Hinterfragen von Bestehendem kann eine Unternehmung bis zu 30 Prozent produktiver machen. Ein schier unerschöpfliches Potenzial, das wir auch durch die besten Restrukturierungs- und Kostensenkungsmassnahmen kaum erreichen.

Was also hält uns davon ab, es zu nutzen? Ein Hauptgrund ist, dass wir denken, wir müssten die Dinge kontrollieren. Das Problem: Unternehmen sind soziale Systeme, sie funktionieren nicht auf Knopfdruck. Und entsprechend lassen sie sich nicht kontrollieren. Kein Markt wartet auf unsere Strategien, kein Verkaufsgebiet auf unsere geplanten Absatzzahlen. Auch wenn wir uns noch so anstrengen: Erfolg basiert nicht auf Plänen, sondern auf der Erfahrung unserer Menschen – und was wir daraus machen. Wer das Potenzial seiner Mitarbeitenden nutzen möchte, steuert es nicht, er lässt es wachsen. Er lässt zu, dass etwas Neues, Ungewohntes entsteht.

Für Manager ist Nichtwissen ein Graus

Was macht es so schwierig, wirkliche Transformation zu erreichen? Klassische Transformationsprogramme wollen Defizite ausmerzen: Die Struktur ist schlecht, also organisieren wir uns neu. Dass die Menschen bereits die alten Strukturen nicht mit Leben gefüllt haben und dies auch mit der neuen nicht tun werden, interessiert McKinsey und Co. nicht. So führen denn Reorganisationen kaum je zu den gewünschten Resultaten, sondern zur Kündigung guter Mitarbeiter. Wirkliche Entwicklung erfolgt, indem wir uns auf die vorhandenen Ressourcen konzentrieren, nicht auf die Defizite. Das ist harte Arbeit, vor allem an sich selbst. Denn wer dies tut, wird sich der eigenen Grenzen bewusst, wird sich klar, dass er eigentlich – trotz aller möglichen Titel und Ausbildungen – nichts weiss, ja eigentlich gar nichts wissen muss. Das jedoch wollen Führungskräfte nicht. Für sie ist Nichtwissen ein Graus.

Wir müssen lernen, dass wir die Dinge nicht wissen müssen, um Erfolg zu haben. Wenn wir uns von vorgefassten Meinungen lösen, können wir die Dinge anders sehen; wir hören anders zu – beginnen, unseren Instinkt neu zu schärfen. Dadurch gewinnen wir Vertrauen in uns und unsere Mitarbeitenden, werden ruhiger, haben weniger Stress und sind aufnahmefähiger. Wir werden achtsamer und erhalten einen anderen Zugang zu den vorhandenen Ressourcen. Unsere eigene Produktivität, und damit die des gesamten Unternehmens, steigen.

Jede Führungskraft, jeder Mitarbeiter ist Teil eines Gesamtsystems. Wenn sich jemand bewegt, bewegt sich alles mit – es ist also sinnvoll, für eine gleichgerichtete Bewegung zu sorgen. Das gelingt, paradoxerweise, dann am besten, wenn wir gar nichts tun. Wir müssen weder unsere Strukturen verändern, noch in Aktivismus verfallen. Wir müssen einfach bewusst Druck aus unseren Unternehmen rausnehmen. Am besten geht das durch den Dialog, Ehrlichkeit und die Ankündigung vor den Mitarbeitenden.

Führung braucht Mut zum Streit

Die Zeiten, in denen Führungskräfte andauernd Lösungen zu Problemen erarbeiten mussten, die Zeiten des Managers als Machers, sind vorbei. Viel eher gefragt sind Ermöglicher und Mutmacher. Sie leiten ihre Mitarbeitenden dazu an, eigene Lösungen zu entwickeln. Im Wissenszeitalter geht es darum, die vorhandenen Talente und Interessen optimal zu nutzen. Das klappt nur, wenn nur, wenn man Widersprüche sichtbar macht und nicht nur versteht, sondern als gemeinsames Entwicklungspotenzial nutzt. Dazu muss man andere Positionen akzeptieren und seine eigenen Ideen daran stärken. Diese Art der Führung braucht Mut: zum guten Streit, zum offenen Diskurs, um einen Konsens im Unternehmen zu finden. Wenn wir unsere Erwartungen in diese Hinsicht verändern, werden wir zu Mutmachern, die auch in unsicheren Märkten Erfolg haben.

Lesen Sie auch:

Wie Manager "Boreout-Exits" vermeiden

Vom Shareholder Value zu Shared Values

 

Die Hintergründe zu diesem Inhalt