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2016 | Buch

Urbanismus und Verkehr

Bausteine für Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner

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Über dieses Buch

Das Buch gibt einen interdisziplinär aufgebauten Überblick der Zusammenhänge zwischen Stadt/Raumentwicklung und Verkehr. Methodisch hat es einen historisch gegliederten Aufbau und gibt damit auch einen Einblick in die Geschichte von Verkehr und Urbanität. Den "Spirit" und Schwung bezieht das Buch aus seiner kritischen und - teilweise neuen - interdisziplinären Perspektive. Dadurch werden bisher selten thematisierte - und auch für Architekten interessante - Einblicke in Wechselwirkung von Stadtgestaltung/Kommunikation und Verkehr möglich.

Die 2. Auflage wurde durchgesehen und ergänzt durch die Kapitel „Mobilitätszukunft: Bewusstseinswandel oder Technik“ und „Der Hype um die Mobilität“.

Die Bedeutung dieses Buches nicht nur für die Ausbildung und die Fachwelt, sondern auch für Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen wird weiter deutlich hervorgehoben in einem Vorwort von Wolfgang Lohbeck von Greenpeace Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung: Straßen und Verkehr: Trennung oder Verbindung?
Zusammenfassung
Ein Buch über Urbanismus und Verkehr muss Trennendes und Verbindendes neu betrachten, will es diesen Zusammenhang, der selten genug beleuchtet wird, angemessen behandeln.
Eine Trennung in der Stadt gab es immer. Ghettos, Straßen für bestimmtes Handwerk, Gebiete mit Villen für Reiche, vieles existierte schon in den römischen Siedlungen oder gar davor. In der Regel wird argumentiert, dass der Verkehr solche unterschiedlichen Dinge verbinden solle. Sicher hatte und hat er diese Rolle. Sie ist jedoch, so soll gezeigt werden, stark abhängig von der Art, der Geschwindigkeit und dem Umfang des Verkehrs. Seine trennende Funktion wird viel zu wenig analysiert. Hier kann lediglich auf die schon klassischen – leider nur in Deutschland bekannten – Arbeiten von Dieter Apel verwiesen werden, der beim Deutschen Institut für Urbanistik dieses Thema immer wieder bearbeitete. Verbindendes und Trennendes zu identifizieren ist jedoch notwendige Basis für eine Einbindung des Verkehrs in den Urbanismus, ist Basis für die Integration in eine soziale Betrachtung des Raumes, wie sie etwa Henri Lefèbvre vornimmt. Dessen Schriften oder auch die Anregungen aus den Arbeiten in Deutschland von Karl Schlögel oder von Dieter Läpple sind in Arbeiten der Verkehrsplanung an den Universitäten kaum zu finden. Jedoch erst eine räumliche Analyse des Verkehrs kann ihn für den Urbanismus erschließen. Ebenso wenig werden in den neueren urbanistischen oder stadträumlichen Analysen, dies sei hier erwähnt, die Verkehrsplanung und ihre Theorien berücksichtigt. Dieses Buch will die zusammenfassende Sichtweise sowohl versuchen als auch nachholen.
Helmut Holzapfel
2. Verkehr und Urbanismus in den Köpfen der Menschen
Zusammenfassung
Es könnte in einer wissenschaftlichen Arbeit außer Belang bleiben, was über Verkehr gedacht wird, man mag vielleicht annehmen, es komme dabei auf die Realität, die physikalische Wirklichkeit, an. Das ist aber fast nirgends so weit gefehlt wie bei der Analyse unserer Fortbewegung. Hier schon zu Beginn und im Weiteren kann modernes Herumbewegen von Personen und Waren nur erklärt werden, wenn die Bilder und Vorstellungen in den Köpfen der Menschen immer mit betrachtet werden. Verkehr ist, auch wenn es selten genug gesagt wird, im Wesentlichen auch eine kulturelle Erscheinung, eine Kopfgeburt, die sich jeweils aus einer Sichtweise heraus entwickelt. Planungen und Verkehrsverhalten (bis hin zum Kauf eines bestimmten Autotyps) hängen von einem „Bild“ im Kopf der Menschen ab, das von der Realität oft weit entfernt ist. Die relative Starrheit des Verkehrswesens mindestens in den letzten 30 Jahren gegenüber Veränderungen hat sicher einen Grund darin, dass in diesem Bereich sehr wenig reflektiert wird. Wenn also dieses Buch die Überlegungen mit den „Bildern im Kopf“ beginnt, so ganz zentral zu dem Zweck, eine Beziehung zu den Menschen und dem Handeln im Verkehrsbereich herzustellen.
Helmut Holzapfel
3. Haus, Straße, Vernetzung – die kleinräumige Organisation und der Urbanismus
Zusammenfassung
Wenn bei der Beschreibung von räumlichen Beziehungen in Städten mit den kleinteiligen Formen des alltäglichen Gebrauchs begonnen wird, ist dies nicht zufällig. Diese Formen bestimmen nicht nur die räumlichen Verhältnisse wesentlich, in denen Menschen aufwachsen, sondern sie sind auch für unsere Tradition und Geschichte und die unmittelbaren sozialen Erfahrungen und Kontakte im ganzen Leben entscheidend.
Schon in den Jahren zwischen 1970 und 1980 haben Autoren aus der Umweltpsychologie wie Lenelis Kruse in Deutschland oder Harold Proshansky, William Ittelson und Leanne Riflin in den USA den engen Zusammenhang von räumlicher Anordnung und sozialen Beziehungen bzw. Lernprozessen deutlich gemacht. Sie stehen in einer Tradition älterer Arbeiten aus Psychologie, Philosophie und auch der Soziologie, die eine erhebliche, wenn nicht entscheidende Abhängigkeit menschlicher Entwicklung von Denkweisen, Sozialsystemen und der Art der Organisation der baulichen Umwelt sehen.
Freilich: Diese Arbeiten beziehen sich auf recht unterschiedliche Anordnungen und bauliche Details. So gibt es eine große Zahl – auch von historischen – Aufarbeitungen des Einflusses der inneren Organisation des Hauses auf Sozialbeziehungen und Formen des Zusammenlebens. Im Zentrum der Überlegungen der folgenden Seiten steht dagegen die Wechselbeziehung Haus/Straße, die allerdings durchaus von den inneren Formen des Hauses beeinflusst sein kann – nur insoweit wird dies mit betrachtet.
Helmut Holzapfel
4. Verkehr und „Sozialer Raum“
Zusammenfassung
Die Art und Weise in der die Wechselwirkung von materieller Raumorganisation, etwa durch Verkehrsnetze, und sozialen Tatbeständen und Entwicklungen analysiert werden sollte, ist umstritten, insbesondere auch in den Sozialwissenschaften. Dies gilt sogar für die Frage, ob der – etwa von Henri Lefèbvre – gebrauchte Begriff des sozialen Raumes überhaupt von der Soziologie produktiv genutzt werden könne. Dies soll hier jedoch nicht näher behandelt werden. Im Weiteren wird aufgezeigt, wie materielle räumliche Bedingungen die Alltagsmöglichkeiten von Menschen beschränken. Der im Laufe der Geschichte durch Bauten und Straßennetze entstandene urbane materielle Raum hat eindeutig limitierende Eigenschaften für menschliche und soziale Aktivität. Durch Mauern kann niemand gehen, wer im 9. Stock eines Hochhauses wohnt, kann von dort aus kein Kind auf der Straße beim Spielen beaufsichtigen. In diesem Sinne kann Raum zunächst für soziale Vorgänge erst einmal als begrenzende Größe verstanden werden, dieser Ansatz soll im Weiteren verfolgt werden.
Ein ähnliches Vorgehen schlägt Rudolf Stichweh vor, der schreibt, Raum sei für soziale Vorgänge „Moment einer nicht leicht beeinflussbaren Exteriorität“. Soziales und individuelles Leben werden von dieser „Exteriorität“ durchaus erheblich betroffen. Oder anders gesagt: Das Bauen und Planen, das Schaffen von „künstlichen Räumen“, die „Kontrolle von Räumen“ sind am Ende auch äußere Zwangsbedingungen für soziales Handeln.
Helmut Holzapfel
5. Brücken in die Archipele – neue Netze schaffen
Zusammenfassung
Stadt war und ist ein komplexes Geflecht einer Vielfalt der Beziehungen, die im Laufe der Geschichte vor allem in der Nähe der Wohnungen und Häuser der Menschen stark eingeschränkt wurden. Wenn die Rolle der Stadt als „Stätte der Produktion von Neuem“ und als „Plattform des Austausches“ eingefordert wird, braucht es eine Stärkung der inneren Netzwerke. Die Orte sind mehr und mehr zu Archipelen, Gruppen kleinster und kleiner Inselchen verkommen, zwischen denen, um im Vergleich zu bleiben, der Automobilverkehr die Rolle des Wassers und der Abgrenzung spielt.
Helmut Holzapfel
6. Mobilitätszukunft: Bewusstseinswandel oder Technik?
Zusammenfassung
Die Zukunft der Fortbewegung wird von vielen Fachleuten noch als im Wesentlichen technisch bestimmt gesehen: Elektroauto, der vom Computer zum richtigen Verkehrsmittel in der „Smart City“ geführte (und kontrollierte) Mensch, das Automatenauto. Ein moderner Begriff von „Mobilität“ integriert jedoch Verkehr, urbane Kultur und Lebensqualität. Davon handelt ja dieses Buch. Bringt das mehr als der technische „Fortschritt“, ja ist das nicht der Fortschritt?
Die Debatte um den angeblich „umweltfreundlichen“ Diesel als Autoantrieb (und auch elektrisch angetrieben braucht es Energie) zeigt exemplarisch die Grenzen der Technik auf: Immer ist Bewegung einer schweren Masse mit Energieaufwand verbunden, noch dazu, wenn diese stark beschleunigt werden soll und schnell unterwegs ist. Ehrliche Bilanzen des Elektroautos, die nicht nur den Energiemix und die Problematik der Herstellung von Elektroenergie bilanzieren, sondern auch den Aufwand für die globale Infrastruktur (wie soll etwa ein Netz von Elektrotankstellen in Sibirien aussehen?) von E‐Autos einbeziehen, kommen sehr schnell zu einem vergleichbarem Energieeinsatz wie sparsame Benziner. Ist ein weiteres weltweites Wachstum von Herumfahren und ‐fliegen vor dem Hintergrund der katastrophalen Klimabilanz des Verkehrssektors (es ist der einzige Sektor, der global keine Perspektive der Reduktion aufweist) verantwortbar? Wollen die Menschen überhaupt eine Zukunft mit immer mehr Herumfahren, mit welcher Technik auch immer?
Helmut Holzapfel
7. Der Hype um die Mobilität oder ein Statement als abschließende Zusammenfassung
Zusammenfassung
Wenn ich heute über Mobilität rede, fange ich an mit zwei fiktiven Alltagsszenen, die die Situationen von Menschen schildern: Herr Branger wohnt in einem kleinen Ort bei Kassel namens Kleinalmerode. Er arbeitet in einer großen Fabrik ca. 50 Kilometer entfernt. Zum Einkaufen gibt es in Kleinalmerode natürlich nichts mehr. Aber Herr Branger hat ja einen Kombi, und er fährt regelmäßig zu einem Supermarkt in zehn bis 15 Kilometer Entfernung. Wenn er das nicht tun kann, erledigt das seine Frau, die einen kleinen Zweitwagen hat, mit dem sie auch die Kinder in den Kindergarten und in die Schule bringt, denn Kleinalmerode hat keine Schule und keinen Kindergarten mehr. Dafür hat die Familie Branger auf einem sehr preiswerten Grundstück ein schönes, großes und günstiges Einfamilienhaus gebaut mit viel Platz außen herum.
Die zweite Alltagsszene zeigt die Familie Kebberich, die in einem Reihenhaus in der Altstadt von Tübingen wohnt. Er oder sie – das können wir jetzt mal offen lassen – radelt zum Job an der Universität, der zweite Partner hat einen Halbtagsjob zum Beispiel in einem Modegeschäft in der Nähe. Die Kinder gehen in die nahe gelegene Schule. Diese Schule erreichen sie zu Fuß. Der Kleinwagen der Familie steht wenig genutzt in einer Sammelgarage in der Nähe. Den kleinen Platz vor dem Haus nutzen die Kebberichs als Garten. Regelmäßig diskutiert das Paar, ob es nicht sinnvoll sei, den Kleinwagen abzuschaffen und sich ggf. an einer Initiative für Car‐Sharing zu beteiligen, weil die Kilometerleistung des Autos doch sehr niedrig ist.
Helmut Holzapfel
Backmatter
Metadaten
Titel
Urbanismus und Verkehr
verfasst von
Helmut Holzapfel
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-10045-2
Print ISBN
978-3-658-10044-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10045-2