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20.10.2020 | Venture Capital | Im Fokus | Online-Artikel

Deutsches Wagniskapital braucht mehr Mut

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer
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Corona hat dem Venture-Capital-Segment zwar ein Stimmungstief beschert, dennoch bleibt das investierte Wagniskapital laut der KfW stabil. Doch im internationalen Vergleich agieren deutsche Investoren zurückhaltend. Innovative Start-ups suchen dann ihr Glück im Ausland. 

"Venture Capital (VC)-Investitionen haben positive volkswirtschaftliche Effekte. Allerdings führt Marktversagen zu suboptimalen VC-Investitionslevels." Mit dieser Aussage mahnt die im September veröffentlichte Venture Capital Studie 2020 der KfW fehlendes Wagniskapital für junge Unternehmen im Land an. Während lange vor allem die frühen Finanzierungsphasen betroffen waren, fehlen den Gründern aktuell in den späten Entwicklungsstadien die nötigen Kapitalgeber.

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Zur Verschiebung beigetragen habe "die zunehmende Bedeutung der digitalen Wirtschaft". Gerade digitale Start-ups stünden unter einem hohen Druck zur schnellen Skalierung, für die größere VC-Investitionen unerlässlich sind. Das Vorgehen dieser Wagniskapitalgeber beschreibt Tobias Kollmann im Buch "E-Entrepreneurship" auf Seite 630:

Typische Finanzinvestoren, die Eigenkapital in der Seed- oder Start-up-Phase zur Verfügung stellen, gehen grundsätzlich ein zeitlich limitiertes Investment von drei bis fünf Jahren ein, nach dessen Ablauf sie gemäß dem Risikoprofil der jungen Firma eine hohe Rendite auf ihr eingesetztes Kapital zu realisieren versuchen." 

Die USA verfügen über den größten VC-Markt

In den USA sind die VC-Investoren laut KfW-Studie auf die besonderen Bedürfnisse digitaler Start-ups eingestellt. Dass der größte VC-Markt nach wie vor dort zu finden ist, bestätigt auch Nino Röhr. Im Buchkapitel "Grundlagen der VC-Finanzierung" schreibt der Springer-Autor (Seite 20): "In den USA waren im Jahr 2016 laut der National Venture Capital Association 898 VC-Gesellschaften aktiv, welche insgesamt 1.562 Fonds betreuten. In Summe verwalten diese Gesellschaften über 333,5 Milliarden US-Dollar an Assets under Managment." 

Aktuell vermeldet der Verband in seinem Bericht zum dritten Quartal des laufenden Jahres, dass sich im Verlauf der Pandemie vor allem die Spätphasen-Finanzierungen als besonders widerstandsfähig erwiesen haben. In diesem Segment investierten die dortigen Wagniskapitelgeber in den 662 Deals von Juli bis September rund 26,6 Milliarden US-Dollar. Für das laufende Jahr weist der Verband eine Investitionssumme von 78,2 Milliarden US-Dollar an sogenannten Late-Stage-Finanzierungen aus.

Rund 300 VC-Gesellschaften in Deutschland aktiv

Auch für Deutschland ermittelte die KfW-Studie bis zum Ausbruch der Corona-Krise eine durchaus positive Tendenz auf dem Beteiligungsmarkt. "Seit 2014 stiegen die jährlichen VC-Investitionen um das 2,8-fache auf rund 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2019". Eine Zahl, die auch der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) in seinem im Oktober veröffentlichten Bericht für das erste Halbjahr 2020 bestätigt. 

Im Verband sind nach eigenen Angaben rund 200 Gesellschaften organisiert, die sich mit Venture Capital, Wachstumsfinanzierungen oder Buy-Outs an deutschen Unternehmen beteiligen. Etwa 100 weitere Kapitalgeber kommen noch außerhalb des Verbands hinzu.

Deutsches Wagniskapital international nur mittelklasse

Zwar habe die Pandemie laut KfW das VC-Geschäftsklima eingetrübt, was sich bislang allerdings noch nicht auf die Investitionstätigkeit spürbar auswirkt. Dennoch ist Deutschland beim Thema Wagniskapitel im europäischen Vergleich eher Lehrling als Meister. So seien die VC-Märkte in Großbritannien und Frankreich im Schnitt der vergangenen drei Jahre gemessen an deren Wirtschaftskraft etwa 2,1 und 1,5 Mal größer, heißt es in der KfW-Analyse. In Euro entspreche dies einem Abstand im Investitionsvolumen von 700 bis 1.700 Millionen Euro jährlich. Spürbar sei das vor allem bei Start-ups aus dem Bereich Biotech und Gesundheitswesen.

Allerdings verweist die KfW darauf, dass andere Informationsanbieter durchaus auf höhere Investitionssummen in der Bundesrepublik kommen, die mit 2,3 bis 6,2 Milliarden Euro deutlich über den vom BVK ausgewiesenem Wagniskapital für 2019 liegen. Die große Differenz zeige, wie schwer es ist, die wahre Größe des VC-Markts zu bestimmen. Als Indiz für die Fähigkeit des Beteiligungsmarktes, großvolumige Finanzierungsrunden zu verwirklichen, gilt laut KfW die Zahl der sogenannten Einhörner, die auf eine Marktbewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar kommen, heißt es.

Ausländische VC-Gesellschaften gefährden Innovationsstandort

Die Technologie-Plattform CB Insights hat im August insgesamt dreizehn dieser Jungunternehmen in Deutschland ermittelt. Großbritannien weist laut KfW aktuell beispielsweise 22 Einhörner auf. Da sich die hochbewerteten Start-ups in erster Linie in großen VC-Märkten häufen, seien die meisten folglich in den USA und China zu finden, so die Förderbank. So sind bei großen Finanzierungsrunden in Deutschland in neun von zehn Fällen auch ausländische VC-Investoren mit von der Partie. Damit steige auch das Risiko, dass diese innovativen Firmen irgendwann ins Ausland abwandern.

Das werfe Deutschland in Digitalisierungs-, aber auch in anderen Zukunftsfeldern zurück. Auf Basis absoluter Werte heben sich der Studie zufolge vor allem VC-Transaktionen in China und den USA im Bereich Mobile Apps von der Masse ab. Deutschland werde aber auch in Feldern wie Manufacturing oder Robotics, die eigentlich zur klassischen heimischen Forschungsstärken zählen, abgehängt. "In anderen Technologiebereichen wie Artificial Intelligence und Big Data, aber auch Clean Technology und Health Tech fallen die VC-Deal-Volumen im internationalen Vergleich zwar etwas weniger stark ab. Ihr relativer Anteil am deutschen VC-Markt ist jedoch immer noch vergleichsweise gering."

Deutschland braucht nachhaltiges VC-Ökosystem

Im Zusammenspiel von heimischen und ausländischen Investoren kann ein gesundes nachhaltiges VC-Ökosystem entstehen. Schwächen in einzelnen Marktphasen können durch die Mobilisierung privaten Kapitals behoben werden. Crowding-in-Modelle und Steueranreize haben dahingehend ihre Praxistauglichkeit bereits bewiesen", betonen die Experten der Förderbank. 

Für Christian Demant kommt außerdem die Kooperation mit einem etablierten Unternehmen oder gar einem Dax-Konzern, das zugleich das notwendige Kapital stellt, als Finanzierungsoption in Frage. "In Ermangelung kreativer Leistungsträger in den eigenen Reihen wenden sich immer mehr Großunternehmen und Konzerne externen Ressourcen zu und versuchen engagierte Gründer, die sich durch 'neues Denken' auszeichnen, für sich zu gewinnen", schreibt er im Buchkapitel "Kapitalbeschaffung" (Seite 95).

Viele etablierte Wettbewerber beteiligen sich an Gründungsnetzwerken, Entrepreneurship-Initiativen und Innovationsfonds, laden ein zu "Co-Founder Speed Datings", Hackathons und Start-up-Weekends, schreibt der Springer-Autor. Weiterer Vorteil: Diese Partner bieten den Gründern und Jungunternehmern zudem prominente Führungskräfte oder sogar den CEO als Mentoren und Ratgeber an.

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