2010 | OriginalPaper | Buchkapitel
Verfassungsraum Europa? – Die Europäisierung von Bundesstaatsreformen im Vergleich
verfasst von : Prof. Dr. Robert Kaiser
Erschienen in: Föderalismusreform in Deutschland
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Die Diskussion um eine Konstitutionalisierung des europäischen Integrationsraumes ist bislang vorwiegend in zwei Richtungen geführt worden. Darauf deutet zumindest die in Deutschland während der Verhandlungen des europäischen Verfassungskonvents geführte sogenannte Grimm-Habermas-Debatte hin. In dieser Debatte hat Jürgen Habermas als Befürworter einer europäischen Verfassung argumentiert, eine solche sei als konstitutionelle Fundierung für eine sich herausbildende „postnationale Konstellation“ notwendig, in welcher der Territorialstaat nicht mehr die traditionelle Begrenzung der Nation, einer vorwiegend national organisierten Volkswirtschaft und einer demokratisch verfassten Gesellschaft sei (Habermas 1998: 94ff.). Die durch Dieter Grimm vertretene verfassungsjuristische Position hat hingegen betont, dass das europäische Primärrecht bereits als eine Komplementärverfassung einer supranationalen Union verstanden werden könne, aufgrund derer es keiner weiteren Verfassungsgebung bedürfe. Auch wenn das europäische Primärrecht insofern den typischen Funktionen einer Verfassung nahe kommt, so besteht doch ein zentraler Unterschied. Dieser besteht in der Rückbindung des Primärrechts an den Willen der Mitgliedstaaten als den Herren der Verträge und nicht an ein „Unionsvolk“ wie es in Bezug auf eine Verfassung im engen Sinne zu erwarten wäre (Grimm 1995; 2001). Die tatsächliche europäische Verfassungsentwicklung hat seither einen Mittelweg zwischen diesen beiden Positionen eingeschlagen. Auf der einen Seite ist die Ratifizierung des europäischen Verfassungsvertrages an den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert. Auf der anderen Seite wurden aber zentrale Bestandteile dieses Verfassungsentwurfs in den mittlerweile in Kraft getretenen Lissabonner Vertrag überführt und haben insofern die Konstitutionalisierung des europäischen Raums unzweifelhaft vorangetrieben.