Die Lebenshaltungskosten sind deutlich gestiegen. Einige Arbeitgeber wollen ihre Beschäftigte auf Grund der Inflation entlasten, indem sie die Gehälter stärker erhöhen als geplant, zeigt eine Umfrage. Dabei sollten sie strategisch und ganzheitlich agieren.
Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist schwierig und hat mit einer Inflationsrate von 7,9 Prozent im Mai einen neuen Höchststand im wieder vereinigten Deutschland erreicht. Auch im Juni erreichte sie leicht abgeschwächt mit 7,6 Prozent noch immer ein hohes Niveau. "Hauptursache für die hohe Inflation sind nach wie vor Preiserhöhungen bei den Energieprodukten. Aber wir beobachten auch Preisanstiege bei vielen anderen Gütern, besonders bei den Nahrungsmitteln", sagt Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Die Teuerungen werden insbesondere durch die Corona-Krise und den Krieg in der Ukraine verursacht.
Lohnerhöhungen auf Grund der Inflation
Fast ein Drittel (31 Prozent) der Arbeitgeber planen deswegen Maßnahmen, um ihre Mitarbeiter angesichts der hohen Teuerungsrate zu entlasten. Vier von zehn Arbeitgebern erhöhen die Gehälter ihrer Beschäftigten stärker als ursprünglich vorgesehen, zeigt eine Umfrage von Willis Towers Watson, die von der Unternehmensberatung auf der European Spring Rewards Conference unter rund 600 europäischen Unternehmen, darunter 62 aus Deutschland, durchgeführt wurde.
Vergütungssysteme ganzheitlich entwickeln
Demnach gehen die befragten Firmen offenbar gezielt bei den Vergütungsanpassungen vor und prüfen, welche Mitarbeitergruppen besonders unter der Inflation leiden und welche entscheidend für den Geschäftserfolg sind. So legt etwa jedes fünfte Unternehmen (19 Prozent) den Fokus auf Lohnerhöhungen von Mitarbeitenden mit niedrigeren Einkommen. Etwa ein Viertel (24 Prozent) ist bereit, für Fachkräfte mit besonders gefragten Kompetenzen, auch höhere Gehälter zu zahlen.
Allerdings sollten Unternehmen ihr Vergütungssystem strategisch entwickeln, sagt HR-Experte Florian Frank von Willis Towers Watson. Er rät, das Thema ganzheitlich zu betrachten und nicht nur die monetäre Vergütung, sondern auch Benefits, Entwicklungs- und Karrierechancen sowie Arbeitsmodelle zu berücksichtigen. Denn wenn Betriebe eine übergreifende Kosten-Nutzen-Kalkulation hätten, könnten sie ihren Beschäftigen ein Arbeitsumfeld bieten, das diese insgesamt als attraktiv erleben, argumentiert der Berater.
New Pay in agilen Zeiten
Daneben gilt es, das Thema New Pay zu berücksichtigen und Entgeltlösungen mit agileren Eigenschaften zu entwickeln, so Jürgen Weißenrieder im Buchkapitel "Performance Management und Vergütung in agilen Zeiten". Das heißt in der Praxis (Seite 306):
- Mehr Partizipation für Mitarbeiter sowohl in der Entstehungsphase als auch in der Anwendung von Vergütungssystemen
- Größere Transparenz der Vergütungsregelungen, der Vergütungsprozesse und unter passenden Umständen auch der Entgelte selbst
- Größere Vielfalt von unterschiedlichen Regelungen innerhalb von Unternehmen
- Größere Anpassungsfähigkeit für sich verändernde Rahmenbedingungen als Eigenschaft des Systems
Natürlich ändere mehr Agilität bei der Entlohnung nichts daran, dass es eine wesentliche Führungsaufgabe bleibe, "Aufgaben abzustecken, Ziele zu vereinbaren, Feedback zu geben, Ergebnisse und Leistungen einzuschätzen sowie zu vergleichen und daraus im Rahmen von transparenten Spielregeln Entgeltentscheidungen abzuleiten oder mindestens herbeizuführen", betont Weißenrieder (Seite 306 f.).
Gehalt und Employer Branding
Und gerade das ist in Zeiten, in denen viele Arbeitnehmende Gehaltserhöhungen fordern, immens wichtig, um nicht in blinden Aktionismus zu verfallen, sagt Florian Frank von Willis Towers Watson. Personalverantwortliche sollten keinesfalls die finanzwirtschaftliche und strategische Perspektive aus dem Blick verlieren, wenn sie ihre Vergütungssysteme anpassen. Dazu gehöre es zu fragen, in welchen Bereichen die Inflation besonders hoch ist und wie lange sie anhalten wird.
Ferner seien die Auswirkungen der Teuerung auf Gehälter, Boni, aber auch auf Benefits wie der betrieblichen Altersvorsorge zu prüfen. Schließlich gehe es darum, Mitarbeiter zu binden, zu gewinnen oder zu motivieren. Unternehmen müssen sich fragen, welche Mitarbeitergruppen sie mit welchen Vergütungsinstrumenten und Benefits ansprechen wollen.